Essen zum Mitnehmen in Hannover: Die HAZ-Kostprobe bei Feinschmecker-Restaurants

In einem alten Rüttelpult stecken leere Schaumweinflaschen zur Dekoration. An der Wand ist ein hölzernes Arzneischränkchen aus dem 19. Jahrhundert angebracht und daneben hängt ein nostalgisches Lehrposter mit Holzleisten zum Thema Pilze, entwendet aus irgendeinem alten Schulbestand. Doch, das Ambiente beweist Geschmack. In den Ecken müsste allerdings mal wieder gesaugt werden, überall liegen auch Legoteilchen rum. Und wenn die Fenster nur so gut poliert wären, wie die Weingläser, dann wären wir zufrieden. Wir geben acht Punkte. Aus Sympathiegründen. Wir sind nämlich zu Hause. Und vor uns steht (auf dem Holzimitat-Tisch, der mehr Kinder-Besteck-Attacken Stand hält, als dem Ästhetik-Empfinden Genüge leistet) ein Rauchforellenmousse mit Garnelen, Pak Choi, Dill-Senf- und Meerrettich-Dressing. Der Gast wird zu Hause selbst zum Koch: Tolles Gericht: Das salzige, von leichter Rauchnote durchdrungene Mousse ist vollmundig, der blanchierte Kohl ist knackig und frisch, die Dressings sind leicht scharf, würzig und feinsäuerlich. Die Garnele ist geschmacklich weniger von Bedeutung, steuert etwas fleischigen, mild-süßlichen Biss bei und wertet den Gang vielleicht eher durch ihre bloße Existenz auf. Egal wie, passt alles ineinander und ist die Vorspeise des Vier-Gang-Menüs (96 Euro/zwei Personen) des Restaurants Titus. Des Abholmenüs wohlgemerkt, denn die Restaurants sind ja geschlossen. Viele Gastronomen in Hannover bieten jedoch Außer-Haus-Gerichte an – die Gourmet-Klasse tut sich damit besonders hervor. Beim Titus muss der Kunde zu Hause das Menü noch fertig zubereiten. Das Forellenmousse auf die Teller zu bringen, war jedoch kein Hexenwerk. Chefkoch Dieter Grubert hat die Bestandteile des Gerichts farblich markiert, obendrein gibt es eine Anleitung in drei Sätzen. Wir bauen die Zutaten also nur noch zusammen – ist die einfache Handhabung vielleicht nur dem Vorteil einer kalten Vorspeise geschuldet? Mitnichten. Auch für die warmen Gänge braucht es keinen Abschluss der Universität der Gastronomischen Wissenschaft. Die leichtflüssige, pikante Rote Currysuppe wird in einem Topf, die Einlage aus herzhaften Linsen, süßlichen Äpfeln und (leider nicht ganz taufrischem) Kabeljau im vorgeheizten Backofen (80 Grad) erwärmt. Simpler geht es nicht. Lesen Sie auch: Lockdown-Rezepte – So kochen Sie sich durch die Corona-Zeit Ein Ansatz, den mehrere Betriebe der Stadt verfolgen. Im Restaurant Handwerk in der Südstadt wird auch mal ein Fischfilet oder Rehrücken gebraten, aber Küchenchef Thomas Wohlfeld überlasst nichts dem Zufall und dreht zu seinen Lockdown-Menüs kurze Videos, die auf Youtube abrufbar sind. So brachte er „Kürbissuppe, Federkohl, Moosbeere“ oder „Weidehuhn, geschmorten Rotkohl, Orangen-Chicorée, Hühner-Ravioli“ (drei Gänge für 95 Euro/zwei Personen) auf die Tische von Privathaushalten. Für 125 Euro (zwei Personen) lässt sich im Zwei-Sterne-Restaurant Jante ein Entenmenü abholen, dazu gehören „Entenbrühe, Liebstöckl und Kürbis“, „Brot und Entenschmalz“, eine „Ganze Ente mit Rotkohl und Serviettenknödel“ sowie „Nuss, Cranberry und Schokolade“. „Die Zutaten werden auf dem Herd und im Ofen erwärmt, das ist alles“, sagt Hohlfeld. Aufwendiger wird es beim 6-Gang-Menü, das das Jante-Team zu Silvester plant. „Aber auch da geht nichts schief, es gibt eine exakte Anleitung.“ Im Burgwedeler Gasthaus Lege gibt es an Wochenenden wechselnde Menüangebote zur Mitnahme. Zum dritten Advent ist ein spannendes 4-Gang-Menü (50 Euro/pro Person) geplant, darunter „Kalbfleischsalat, Wintertrüffel, Topinambur“, „Perlhuhnbrust, Gänseleberparfait, Bohnen-Cassoulet, Mandelkartoffeln“ oder „Mandarinenmousse, Pinienkernkuchen“. Das Tropeano Di-Vino in Kirchrode lockt zum selben Datum mit „Wirsing-Parmesansuppe mit Wachtelragout“, „Rinderrouladen mit Steinpilzcreme gefüllt“ oder einer „Crème Brûlèe-Tarte mit Kirschkompott“ (44 Euro/pro Person) – auf Wunsch bereitet das Restaurant die Gänge bereits auf mitgebrachtem Geschirr vor, um den Abfall zu minimieren. Dieter Grubert aus dem Titus besinnt sich im Hauptgang auf eine klassische Drei-Komponenten-Küche: Geschmorte Lammhüfte, Petersilien-Karotten und Bechamel-Kartoffeln. Die leichtflüssige Rosmarinsoße wurde offensichtlich aus dem Bratensatz gekocht. Wir salzten zwar alle Komponenten etwas nach, aber dann schmeckt es gut. Zum Nachtisch gibt’s warmen Schmandkuchen, Ananas-Preiselbeer-Kompott und luftiges Schokoladenmousse, das keinen Zweifel an der weihnachtlichen Würzung lässt. Die beiden Gänge bringen zwar nicht ganz den Kick, den man sich von einer Grubert-Küche erhofft, aber eines dürfte klar sein: Um dieses Menü in dieser Qualität nachzukochen, müsste man sich auch mit fortgeschrittener Küchenkenntnis einen Tag Zeit nehmen. Wir schalten an diesem Abend den Herd und Ofen an und wieder aus. Da wäre sogar noch Zeit geblieben, die Fenster zu putzen und die Ecken zu saugen. Lesen Sie auch: Essen & Trinken in Hannover: Hier finden Sie weitere Kostproben Von Hannes Finkbeiner