Finkbeiners Kostprobe: Der Imbiss Shin Ramen überzeugt mit authentischer japanischer Küche

Weg. Untergetaucht. Hirn abgeschaltet. Zehn Minuten oder so. Nicht auf die Uhr geguckt. Shouyu-Ramen mit Gemüse (8 Euro) gegessen, bei Shin Ramen am Thielenplatz. Kleines Lokal, kulinarisch eingequetscht zwischen L’Osteria, Block House und Bayerischer Botschaft. Aber der japanische Imbiss hat Kraft zur Ausdehnung, das scheint auch der auskunftsfreudige Besitzer Kazuo Ishikawa zu ahnen. Er will expandieren. Bald schon. Franchise, von Deutschland bis Japan. Weltumspannend. Vier Ramen-Varianten und ein Reisgericht: Wir würden es ihm gönnen, der Imbiss ist nämlich eine wahre Wucht, und das hat Gründe. Erst einmal ist der höfliche, vor Elan strotzende Inhaber ein Japaner, der zwar seit 1994 in Deutschland lebt, aber dennoch eine glasklare Vorstellung hat, wie seine Ramen zu schmecken haben. Zweitens beschränkt er sich auf das Angebot weniger Gerichte, ähnlich asiatischer Straßenstände, wo oft nur eine oder eine Handvoll spezieller Speisen geboten wird. Bei Shin Ramen gibt es vier Ramen-Varianten und ein Reisgericht in der Preisspanne von 7,50 bis hin zu 10,50 Euro. Jede Zutat ein Fest an sich: Aus diesen beiden Gründen ergibt sich der dritte Grund: Herr Ishikawa hat die Zeit, Energie und Muße sich den Details zuzuwenden. Seine Ramen sind sozusagen Pflicht und Kür zugleich. Achtung, Gäste dürfen hier aber keinen kulinarischen Erweckungsknall – gar die Epiphanie des Lucullus – erwarten. Es gilt vielmehr, sich sozusagen in Stille hinzuschmecken: der herzhafte Biss der Nudeln, ihre fein-grobe Textur im Mund; die cremige Konsistenz des wachsweichen Eies dazu, das am Gaumen schmilzt; die hauchzarten, saftigen Scheiben von Hühnerbrust (anstatt klassischem Chāshu-Schweinebraten) oder der unverfälschte Tiefgang der kräftigen Hühnerbrühe. Jede Zutat ist ein Fest in sich, und alle Zutaten finden zu einem harmonischen Sinnesgelage zusammen, ohne dabei laut zu sein. Von den Chinesen abgeguckt: Diese Japaner! Portugiesen bringen ihnen im 16. Jahrhundert in Teig ausgebackene Bohnen mit. Und was machen sie aus dieser Idee? Eine faszinierende Tempura-Kultur. Von den Schotten kopieren sie den Whisky, da schlägt heute manches Destillat das Original. Und von den Chinesen schauen sie sich anno dazumal eine Nudelsuppe ab. Zack – Ramen wird geboren. „Gibt es dort auch alle 50 Meter in unzähligen Varianten“, sagt Kazuo Ishikawa lapidar und zuckt mit den Schultern. Ein Gericht, bei dem einem das Herz aufgeht. Und was macht seine hannoversche Version so exzellent? Um es kurz zu sagen: Einfachheit. Die Nudeln sind hausgemacht, klar, und bestehen aus Mehl, Salz und Kansui (für die Elastizität und Textur). Außerdem müssen sie nach der Herstellung ein paar Tage ruhen, damit sie sich in der Suppenschale nicht mit Brühe vollsaugen. Zeit ist auch der Faktor, der die wachsweichen Eier so besonders macht: Sie liegen nach dem Kochen drei bis vier Tage in Brühe. Apropos: Die Brühe wird aus etwas Gemüse, Hühnerfleisch und -knochen gekocht (Hälse, Rücken, Knorpel). Kein Salz, kein Pfeffer. Etwas Würze bekommt diese Basis erst bei der jeweiligen Variante, die der Gast bestellt. Bei Shouyu Ramen wird etwas Sojasoße hinzugefügt, bei Shin Ramen ist es Salz, bei Miso Ramen ist es Misopaste. Immer japanische Gäste anzutreffen: Für Fortgeschrittene bietet sich Tsukemen (8,50 Euro) an: eine Schüssel mit kalten Nudeln und anderen Zutaten, die heiße, kräftige Brühe (mit etwas Chili, Miso und Fischpulver) kommt separat dazu. Da gilt es, die langen Nudeln durch die Brühe zu ziehen, ohne dass der Tisch einem Springbrunnen gleicht. Im Zweifel am Nebentisch spicken, es sind bei unseren beiden Besuchen immer auch Japaner zu Gast, die hingebungsvoll schlürfen. Aber wie jetzt? So einfach? Mit drei, vier Süppchen zur Höchstbewertung? Unbedingt. Das Ambiente ist funktional, aber sauber und ramschfrei. Der Service dürfte noch schneller sein, dafür war aber auch immer die Zeit für ein persönliches Wort, das aktiv gesucht wurde – also mehr, als man von einem Imbiss verlangen kann. Und solche Gerichte zu einem solchen Preis, was will man da mehr? Genau. Ein i-Tüpfelchen. Das ist für uns das Kakigōri aus knusprigem Eiswürfelspänen mit (nicht hausgemachtem) Erdbeersirup (3,50 Euro) oder Kondensmilch und Joghurt (4 Euro). Klingt komisch, ist aber an fruchtiger Frische und süßer Leichtigkeit kaum zu überbieten. Besser nichts erzählen? Als wir kurz darauf am Thielenplatz an der Ampel stehen, kommt sogar der Egomane in uns durch. Wir überlegen, kein Wort über das Shin Ramen zu verlieren, den Imbiss einfach zu verschweigen, damit wir alles selbst aufessen können, was Herr Ishikawa kocht – aber wenn der Mann bald expandiert, erfährt eh die ganze Welt von seiner Existenz. Fazit: Wer Suppenküche schätzt, wird bei Shin Ramen vor Glück zergehen. Gesamt 10/10 (Küche 10, Ambiente 9, Service 9) Kontakt: Shin Ramen Thielenplatz 3 30159 Hannover Telefon: (05 11) 5 47 42 40 E-Mail: info@shin-foods.com Internet: www.shin-foods.com Öffnungszeiten: montags bis freitags von 12 bis 15 Uhr und von 18 bis 21 Uhr, sonnabends von 12 bis 21 Uhr, sonn- und feiertags geschlossen Barrierefreiheit: teilweise Lesen Sie auch Mehr kulinarische Tipps und Restaurantkritiken von unserem Feinschmecker Von Hannes Finkbeiner