Kostprobe im und der böse Wolf

Sonntag, 17.30 Uhr. Im Wirtshaus „... und der böse Wolf“ in Hannover-Linden werden wir von zwei dutzend Gästen, lauter Punkmusik und Schwaden von Zigarettenrauch empfangen. Letzteres ist unschön, zumal eigentlich eine Trennscheibe den großen Gastraum in zwei Lager spaltet: Raucher und Nichtraucher. Oder besser gesagt: spalten soll. Das Bauelement ist nämlich völlig unsinnig, wenn die Durchgangstür fortwährend offen steht und sich der Rauch trotz Entlüftung im ganzen Gastraum verteilt. Gut, zur Verteidigung sei gesagt: An so einem Tag ist der Wolf - so verkürzt den Volksmund den Namen des Restaurants - eigentlich ein schlechter Tag für entspannte Einkehr. Hannover 96 hat gespielt. Das Etablissement hatte deswegen schon früh geöffnet. Auf mehreren Bildschirmen läuft Fußball. Die Stimmung ist entsprechend aufgeheizt, die Gäste sind in Trinklaune. Die Tür zum Raucherbereich ständig auf- und zuzuziehen würde nerven und den Serviceablauf behindern. Aber würde es das Raumklima wirklich verbessern? Fraglich. Die ganze Sache wirkt ein wenig wie Behördenzirkus. Bestes Thai-Food Hannovers? Wir nehmen Platz an einen Stehtisch mit Barhockern. Spätestens jetzt stellt man sich die Frage, ob „Wirtshaus“ für den Wolf der richtige Ausdruck ist. Der Laden versprüht Kneipenflair, durch und durch, weswegen wir auf dem Menü auch eher Buletten und Bock-Würstchen erwarten würden, aber - und das macht den Wolf wirklich besonders - hinter den Kulissen stehen Thailänder am Herd und bereiten Spezialitäten ihrer Landesküche zu. Häufig hört man, hier sei „das beste Thai-Food Hannovers“ zu bekommen. Das ist doch mal ein Wort. Top Thai-Küche in satter Kneipenatmosphäre. Wertung: 8/10 Punkten. (Ambiente 6, Service 7, Küche 9)...und der böse Wolf Heesestr. 1 30449 Hannover-Linden undderboesewolf.de Telefon: (05 11) 45 38 34 (für Bestellungen außer Haus und Reservierungen ab fünf Personen) Geöffnet: Täglich ab 17 Uhr Küche: montags bis donnerstags 18 bis 23 Uhr, freitags und sonnabends 18 bis 23.30 Uhr, sonntags 17 bis 23 Uhr Vorspeise: Die in der Karte angepriesene gefüllte Avocado mit Fleisch und Fisch erweist sich als eine ganze, geteilte Avocado, entkernt und gefüllt mit einem lauwarmen Mix aus Hackfleisch, Garnelen, Koriander und Chili, in einer herrlich süß-säuerlichen Marinade. Passt prima zum breiten, fast butterähnlichen Aroma der Fettfrucht. Daneben liegt noch ein Haufen Salat. Haufen im wahrsten Sinne des Wortes: Schön anrichten geht anders, aber der würzige Geschmack der Erdnuss-Marinade entschädigt. Es schmeckt, schmeckt sogar sehr gut. Und ist für 6 Euro dem Geldbeutel äußerst wohlgesonnen. Hauptspeise: Wir wagen uns an die Hausspezialität. Warum ist das ein Wagnis? Weil die Hausspezialität oft nur dem Koch selbst schmeckt. Wir versuchen es trotzdem. „Muscheln, Krabben, Fischfilet, Tintenfisch, rotes Curry, Ei, Zitronenblätter, Paprika, Chinakohl, Erbsen, Chilipaste, Kokosmilch, Knoblauch, scharf“ listet die Karte auf. Banal ausgedrückt handelt es sich bei dem Curry-Gericht um einen Fischeintopf. Einen feurigen Fischeintopf, um genau zu sein. Denn es steht nicht nur scharf dran, es ist auch scharf drin. Nicht so extrem, dass einem das Gaumenzäpfchen pfeift, sondern wunderbar dosiert und harmonisch. Überhaupt wurden alle Ingredienzien gekonnt aufeinander abgestimmt. Eingeschnürt in ein straffes Korsett aus Curry, Chili, würzigem Thai-Basilikum und einer dominanten Zitrusnote, schmeckt man jede Komponente heraus. Die Grünen Muscheln sind frei von jedem muffigen Ton, die Tintenfischringe sind zart, die Garnelen und der Fisch (Pangasius?) sind saftig und fest im Biss. Es ist eine Freude. Gut zwei Wochen später kommen wir erneut zu Besuch. Mittwochabend, 19:30 Uhr. Es riecht immer noch nach Rauch, aber es ist erträglich. Wir essen Tord Man Jae - Maistaler mit Tofu und Knoblauch (schmeckt sehr gut), Pet Pat Met Ma Mong - gebackene Ente mit Cashewkernen, Zwiebeln, Lauch, Erbsen, Karotten, Champignons, Knoblauch, Sambal Oelek, scharf (schmeckt gut) und Phat Thai - Reisnudeln mit Lauch, Sojabohnen, Erdnüssen, Ei und (in unserem Fall) Rindfleisch: Schmeckt wunderbar, auch wenn das Fleisch höchstwahrscheinlich aus einem Fleischteil (Hüfte, Keule) geschnitten wurde, das sich nur bedingt zum Kurzbraten eignet und deswegen die Kaumuskulatur etwas strapaziert. Der Preis: 11,90 Euro. Portionen üppig, Service nett: Die Servicekräfte biedern sich auch heute nicht an, sind locker, teils prima gelaunt, stets präsent und aufmerksam, obwohl Vorspeise und Hauptgericht gleichzeitig serviert werden. Sei’s drum. Das Essen im Wolf (die Portionen sind üppig) wird gerne eingepackt oder kann gleich zum Mitnehmen bestellt werden. Unsere nach Rauch riechenden Klamotten haben wir am nächsten Tag vergessen, das Essen bleibt in Erinnerung. Welches sind Hannovers kulinarische Geheimtipps? Sind die Klassiker unter den Restaurants der Stadt so gut, wie alle sagen? Darf Rotwein wirklich niemals in den Kühlschrank? Und wo bekommt man an den Weihnachtsfeiertagen ein ordentliches Frühstück? Für diese Fragen hat die HAZ von diesem Wochenende an einen neuen Experten: Hannes Finkbeiner, gelernter Restaurantfachmann und Journalist, widmet sich immer sonnabends Hannovers Gastronomieszene. Finkbeiner, 1977 in Freundenstadt geboren, ist selbst Autor mehrerer Sach- und Kochbücher und schreibt seit Jahren sowohl für Fachzeitschriften als auch für überregionale Medien. Zum Restaurantfachmann ausgebildet wurde er zwischen 1999 und 2002 im Fünf-Sterne-Haus Hotel Bareiss in Baiersbronn. Zwischen 2006 und 2008 war er Restaurant- und Bankettleiter bei der Deutschen Messe. Zuvor hatte Finkbeiner drei Jahre lang an der damaligen Fachhochschule Hannover Journalistik studiert. Seit diesem Jahr ist er an der Hochschule Hannover, wie sie heute heißt, als Lehrbeauftragter tätig. Für die Bewertung von Restaurants bedient sich Finkbeiner simpler Mathematik: Ambiente und Service zusammen sowie die Küche machen je 50 Prozent der Wertung aus. Wer in allem überzeugt, kommt auf zehn von zehn Punkten.

Kostprobe - Wie gut ist die Thai-Küche im "bösen Wolf"?