Corona-Plan von Niedersachsens Kultusminister: Kommen die Schulen so durch die Krise?

Mit einem Zehn-Punkte-Plan will Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) die Schulen nach fast einem Jahr Corona-Krise besser aufstellen – auch mit Masken und Schnelltests. Nicht alle Ankündigungen sind neu. Lassen sie sich jetzt verwirklichen? Der Kultusminister will die Digitalisierung beschleunigen. Allein Hannover stehen 20 Millionen Euro zu. Warum hat die Stadt nichts davon beantragt? Die Stadt Hannover erklärt, dass sie das Geld aus dem Digitalpakt Schule nun abruft. Vorher habe sie eine Reihe von Bedingungen erfüllen müssen. Die Schulen sollten Medienkonzepte vorlegen. Die Stadt muss selbst in hohem Umfang Investitionen vornehmen, zusätzliches Personal einsetzen und zusichern, dauerhaft für die Wartung und gegebenenfalls den Ersatz der aus dem Digitalpakt angeschafften Geräte aufzukommen. Im Dezember 2020 hat der Rat all dies in einem Medienentwicklungsplan beschlossen. Wie sollen Lehrkräfte Lücken der Schüler ausgleichen? Tonne fordert erneut, dass die Schulen mehr Stunden für die Kernfächer einsetzen sollen, weniger für die Nebenfächer. Lesen, Schreiben, Rechnen sollen an den Grundschulen gestärkt werden. Alle Schulen erhielten die Möglichkeit, die Stundentafel in den Schuljahrgängen fünf bis acht zu flexibilisieren. Die wichtigen Kompetenzen aus den „Nebenfächern“ sollten in den Ganztagsangeboten eine zentrale Rolle spielen. Mehr Stunden für die Kernfächer – was passiert mit den anderen Fächern und Lehrern? „Der Kerngedanke, den Schulen Spielräume zu geben, ist sicher gut. Das ist wahrscheinlich besonders für die Grundschulen wichtig“, meint Michael Schneemann, Leiter der Goetheschule in Hannover. Mit Blick auf das Gymnasium ist er eher zurückhaltend. Kürze man Biologie zugunsten von Deutsch, müsse das später wieder ausgeglichen werden. „Ich kann mir eher vorstellen, einigen Schülern gezielt zusätzliche Förderangebote zu machen.“ Auch Beate Günther, Leiterin der Schillerschule, will eher auf Förderangebote setzen. „Fächer wie Sport oder Musik haben ja bereits viel weniger Stunden als die Kernfächer.“ Der Minister fordert erneut die Entzerrung des Schulanfangs, damit Busse und Bahnen weniger voll sind. Passiert das jetzt? Das entscheiden die Schulleitungen. Nach Auskunft der Stadt wurde in Hannover von dieser Möglichkeit wenig Gebrauch gemacht. „Wir unterstützen das natürlich, falls gewünscht, in Absprache mit der Üstra“, sagt Stadtsprecherin Susanne Stroppe. Schillerschule und Integrierte Gesamtschule Roderbruch starten bereits länger zu versetzten Zeiten. „Aber innerhalb einer Schule funktioniert das nicht, sagt Beate Günther, Leiterin der Schillerschule. Denn die Lehrer wechseln im Tagesverlauf ständig zwischen verschiedenen Jahrgängen. Das Gymnasium öffnet dafür aber bereits 40 Minuten vor Schulbeginn. „Viele Schüler nutzen das und kommen früher.“ Was sagt der Kultusminister dazu? Tonne betont, dass es bereits bei rund 25 Städten und Landkreisen in Niedersachsen eine Entzerrung der Anfangszeiten gibt – in unterschiedlichster Form und Ausprägung. Da, wo das nicht oder nicht hinreichend geschehe, seien die regionalen Ämter für Schule und Bildung beauftragt, mit Schulen und Schulträgern Lösungen zu finden. Lesen Sie auch unseren Kommentar zu Niedersachsens Schulplan: Auf dem richtigen Kurs Am Anfang eines jeden Schultags soll eine Videokonferenz stehen. Brechen dann nicht die Server zusammen? Brigitte Naber, Leiterin der IGS Roderbruch, befürchtet das – abgesehen davon, dass längst nicht alle Schulen und Schüler technisch dafür gerüstet sind. „Wenn alle sich zugleich auf einer Lernplattform einklinken, ist die Gefahr groß, dass das System zusammenbricht.“ Die Stadt Hannover betont hingegen, dass alle Schulen seit Mai 2020 für Videokonferenzen auf die städtische Plattform schulen-hannover.de zurückgreifen können. Einige Schulen nutzen auch Schulserver und dort integrierte Videokonferenzlösungen. Damit Schüler im Onlineunterricht bei der Stange bleiben, setzt die IGS Linden auf eine enge Betreuung durch die Klassenlehrer. „Ihnen fällt auf, wenn Schüler sich zurückziehen“, berichtet Schulleiter Tobias Langer. Technische Probleme sieht Michael Schneemann, Leiter der Goetheschule, auch in den Familien. „Wenn vier Erwachsene und Kinder morgens in die Videokonferenz gehen, klappt das nicht“, sagt Michael Schneemann, Leiter der Goetheschule. Lehrer sehen aber auch ohne den morgendlichen Austausch, ob ihre Schüler auf der Lernplattform aktiv sind. „Wenn nicht, haken sie nach.“ Warum ist der Start in den Tag wichtig? Im Homeschooling, betont der Kultusminister, sei eine verlässliche Struktur im Tages- und Wochenrhythmus für die Schüler sowie die Erziehungsberechtigten unerlässlich. Diese sei im Distanzlernen sicherzustellen. „Insbesondere die Ritualisierungen zum Beginn der täglichen Lernzeit helfen den Schülerinnen und Schülern beim Einstieg in die häusliche Arbeit“, so Tonne. Das müsse nicht immer für alle um 8 Uhr sein, auch hier seien Staffelungen möglich. Zur Unterstützung könnten die Lehrkräfte auch Videokonferenzen nutzen. Gibt es mehr Lehrer für die Grundschulen? Nicht direkt. Hier hat Tonne am Freitag seine Pläne präzisiert. Es gehe nicht um zusätzliche Lehrkräfte, sondern um 950 pädagogische Mitarbeiter. Diese können auf 450-Euro-Basis (Minijobber) eingestellt werden. Die Mitarbeiter können die Lehrkräfte unterstützen, aber nicht selbst unterrichten. Umgerechnet sind das laut Ministerium rund 230 Vollzeitlehrerstellen. Dadurch würden vor allem die Schulleitungen bei der Unterrichtsverpflichtung entlastet. Von Bärbel Hilbig und Marco Seng