Hannover: Liedermacher Fritz Baltruweit geht in Ruhestand

Was einen Song erfolgreich macht, kann er selbst nicht sagen. „Welche Lieder laufen lernen, weiß man nie so genau“, sagt Fritz Baltruweit, „das ist nicht planbar.“ Der evangelische Theologe hat selbst mehr als 1000 Lieder geschrieben. Viele davon gelten in der kirchlichen Szene als moderne Klassiker. Stücke wie „Gott gab uns Atem, damit wir leben“ stehen längst in den offiziellen katholischen und evangelischen Gesangbüchern. Zum Jahresende geht der 65-Jährige jetzt in den Ruhestand. Vermutlich hat niemand den Fundus moderner Kirchenlieder so sehr geprägt wie Baltruweit, der zuletzt als Referent am Haus kirchlicher Dienste in Hannover und am Kirchenmusikzentrum Michaeliskloster in Hildesheim tätig war. Auch in Dänemark oder Tschechien sind Baltruweit-Songs heute Teil der liturgischen DNA. „Wenn ich irgendwo weit weg einen Gottesdienst besuche, und plötzlich singt die Gemeinde ein Lied von mir – das ist schon ein Gänsehautmoment für mich“, sagt er selbst. Lehrjahre beim Knabenchor: Seine musikalische Grundausbildung bekam der Sohn eines Diakons beim Knabenchor. „Das hat mich sehr geprägt“, sagt er. „Wir haben viel von Bach gesungen, und dessen runde Formen finden sich auch in vielen meiner Kompositionen.“ Damals waren Liedermacher wie Hannes Wader und Reinhard Mey, die er in der legendären Rotation am Anzeiger-Hochhaus in Hannover erlebte, seine Idole. Er selbst klampfte Chansons bei Straßenfesten – und irgendwann verknüpfte er diese mit Texten über den Glauben. Gitarre im Gottesdienst: Wie wohl kein Zweiter etablierte Baltruweit Gitarrenklänge im Gottesdienst. Mit unaufdringlichen, aber einfühlsamen Texten und ruhigen Melodien wurde der Mann mit der sanften Stimme dabei zu einem großen Seelenberührer. „Mir liegen besonders jene Menschen am Herzen, die eine Sehnsucht in sich spüren, aber nicht in den normalen Gottesdienst gehen würden“, sagt er. Baltruweit war nach seinem Vikariat in der Laatzener Immanuelkirche lange Gemeindepastor in Berenbostel und Studienleiter in Loccum, dann übernahm er die Gestaltung des Programms im Christus-Pavillon auf der Expo. „Da konnten wir immer aus dem Vollen schöpfen, das war ein echtes Feuerwerk“, sagt er im Rückblick. Er war „Mr. Kirchentag“: Und er trat bei 28 Kirchentagen auf, wenn man die DDR-Kirchentage mitzählt. In Wittenberg war er 1983 dabei, als im Gottesdienst ein Schwert zur Pflugschar umgeschmiedet wurde. „Das war unglaublich beeindruckend“, sagt er. Jahrzehnte später kehrte er dorthin zurück, um zum Reformationsjubiläum 2017 zu spielen. Zehntausende von Menschen hatten sich beim Kirchentag 2005 in Hannover am Leineufer versammelt, in der Dämmerung hielten sie Kerzen in den Händen. Gemeinsam mit Margot Käßmann ließ Baltruweit sie „Der Mond ist aufgegangen“ anstimmen – und schuf so eine akustische Kathedrale. Der freundliche Musiker galt da selbst längst als „Mr. Kirchentag“. Noch immer umweht den agilen 65-Jährigen ein jungenhafter Charme. Als Ruheständler kann man ihn sich schwer vorstellen. „Ich werde in Ruhe weiter Lieder schreiben und CDs aufnehmen“, sagt er. Der Vater von zwei erwachsenen Söhnen hat ein Ferienhaus an der Nordsee, außerdem wird er als Urlaubsseelsorger auf Borkum aktiv sein. Daneben gebe es schon viele Anfragen für Konzerte und Gottesdienste, sagt er. „Langweilig wird‘s mir nicht werden.“ Von Simon Benne