Junge Unternehmer verändern den Tourismus in der Heide

Wenn Björn Bohlen über das buckelige Kopfsteinpflaster des Stimbekhofes in Oberhaverbeck stapft, wird er regelmäßig emotional. „Manchmal möchte ich den Dächern über ihr Reet streichen, so schön ist es hier“, sagt der frisch gebackene Hofinhaber. Gemeinsam mit zwei anderen hat der junge Hotelfachmann voriges Jahr das Ensemble mitten im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide übernommen. Kürzlich bekam das Team Besuch aus Hannover: Wirtschaftsminister Bernd Althusmann überbrachte einen Förderbescheid über 730.000 Euro. Am 10. August vorigen Jahres – in der Corona-Krise – öffnete das neue Betreiberteam das erste Mal die Türen des jahrhundertealten einstigen Reiterhofes in Oberhaverbeck. Althusmann lobte das Engagement der drei Hotelfachleute: „Wenn junge Unternehmer etwas unternehmen, und das auch noch in schwierigen Zeiten, dann ist das etwas Besonderes.“ Mit dem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit, Regionalität und Achtsamkeit treffe das Konzept den Puls der Zeit und setze neue Zeichen für den Tourismus im „Juwel Heide“. Lesen Sie auch Corona: Lüneburger Heide will Osterurlauber auf Hotelparkplatz testen Osterurlaub 2021: Diese Bundesländer wollen ihn ermöglichen Tourismus: Urlaub in der Lüneburger Heide „Auszeit in Stille und frischer Luft“: Die Förderung stammt aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ von Land und Bund und ist verbunden mit der Schaffung von Arbeitsplätzen: So muss der Stimbekhof 8,5 sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen belegen. Die Ausschreibungen laufen bereits. Drei Stellen fallen an die Geschäftsführer: Björn Bohlen (32), Sabrina Walterscheidt (31) und Jovitha James (29). Die drei haben für ihre Selbstständigkeit ihre Anstellungen in großen Hamburger Hotels aufgegeben und sich bewusst in der Heide niedergelassen. „Wir wollen den reizüberfluteten Menschen aus den Städten eine Auszeit in Stille und frischer Luft ermöglichen.“ Die Heide zieht die Jungen an: Dazu will das Team mit Externen zusammenarbeiten, die Yoga und Barfußlaufen, Meditation und Coaching beim Wandern anbieten. Dass es eine Zielgruppe für solch zeitgenössische Angebote in der Heide gibt, haben sie in der kurzen Öffnungszeit im vergangenen Jahr schon selbst erlebt, sagt Jovitha James: „Unser Gästeklientel war bereits hier.“ Die Statistiken bestätigen den Eindruck der jungen Neuen. „Die Altersstruktur der Gäste hat sich dramatisch verjüngt“, sagt Ulrich von dem Bruch, Geschäftsführer der Tourismusgesellschaft Lüneburger Heide. „Die größte Zielgruppe waren voriges Jahr die 24- bis 35-Jährigen, gefolgt von den 18- bis 24-Jährigen. Das hatten wir noch nie.“ Ein neues Gefühl: Er selbst war im Sommer viel rund um den Wilseder Berg unterwegs, um mit den neuen Gästen zu sprechen. „Das ganze Gefühl in der Heide ist ein anderes geworden. Die Jungen stellen andere Fragen und machen andere Sachen. Als einmal jemand eine Klangschale spielte, war das wie auf Ibiza.“ Probleme wie zurückgelassener Müll und das Verlassen der Wege seien die Kehrseite, „damit werden wir uns auch dieses Jahr beschäftigen“. Der Besuch auf dem Stimbekhof war nicht der einzige Termin von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann in der Lüneburger Heide. Einen Förderbescheid in Höhe von 1,3 Millionen Euro übergab er in Bispingen im Heidekreis an die Betreiber der Skihalle, bekannt unter dem Namen Snow-Dome. Das Geld fließt in den Neubau eines angegliederten Hotels mit rund 100 Zimmern, geplant ist eine Gesamtinvestition von 6,5 Millionen Euro. Dass mehr junge Leute seit der Corona-Krise in die Heide kommen, merkt auch Antje Soetebier (41). Vor 15 Jahren zog sie mit ihrem Mann Arne von Hamburg nach Eyendorf, betreibt seit fast vier Jahren den „Heidebulli“ und kooperiert mit dem „Stimbekhof“: Volkswagen-Bullis aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, für Ausflugsfahrten und als Fotokulisse. „Wir merken schon länger, dass immer mehr Familien mit Kleinkindern in die Heide kommen. Durch Corona ist es förmlich explodiert. Schön, dass die Jungen die Werte der Heide wiedererkennen: Ruhe und Weite.“ Ein Netzwerk: Zum Netzwerk der Neuen in der Lüneburger Heide gehört auch der „Heideröster“ Frank Prohl. Wenn der 42-Jährige in kurzen Hosen und mit tätowierten Armen durch seine Kaffeerösterei läuft, fragen einige ältere Kunden schon mal nach dem Chef. „Ich sage dann, dass ich den kurz holen gehe, und komme selbst wieder.“ In Dierkshausen, einem Ort mit Hauptstraße und vier Nebenstraßen, fand er die passende Immobilie für seinen Traum der eigenen Rösterei: eine Wassermühle aus dem Jahr 1875. Neu ist seit Corona der Online-Shop, und für den mobilen Kaffeeverkauf hat er einen englischen Pferdeanhänger umgebaut, den er „Cafe-Racer“ nennt – eine moderne Werbung mehr für die Lüneburger Heide. Und in Zeiten von Außer-Haus-Verkauf steht er mitunter auch auf dem Stimbekhof. Von Carolin George