Kitabetreuung in der Corona-Krise: Das sagen HAZ-Leser

Die Ansteckungszahlen in Niedersachsen gehen zurück, immer neue Lockerungen sollen den Alltag zumindest teilweise zurückbringen. Wird das Wohl der Kinder und Jugendlichen dabei vergessen? Die HAZ-Leser diskutieren über die Kapazitäten in den Kitas, über die Pläne der Landesregierung und den Schutz der Betreuer und Erzieher. Mehr Kreativität in Kitas nötig: Ihr Artikel beginnt mit einer irreführenden Information, die nicht Betroffene so verstehen könnten, als würden bereits 50 Prozent aller Kita-Kinder wieder die Kitas besuchen können. Leider können sie das ja gerade nicht. Denn die Kitas lassen das nicht zu. Die Landesverordnung erlaubt dies nur rein optional, aber in der Praxis haben die meisten Kitas kein Interesse an einem Ausbau der Notbetreuungsplätze. Viele Eltern wären schon froh, wenn tatsächlich 50 Prozent der Kinder in die Kitas gehen dürften. Stattdessen sind wir Eltern leider der Willkür der Kita-Träger ausgesetzt. Mit ein bisschen Kreativität (schichtweise Betreuung – zum Beispiel eine Gruppe vormittags, eine nachmittags) wäre eine enorme Entlastung der Eltern möglich, die dann wieder ihrer Berufstätigkeit nachgehen könnten. Kinder von derzeit überlasteten Eltern (Kinderbetreuung und Homeoffice) hätten dann wieder ein schönes Zuhause. Sandra Häntsch-Marx, zweifache Mutter, Neustadt Kein klares Konzept: Über die Aussage von Herrn Tonne bin ich mehr als erstaunt. Offensichtlich ist ihm die momentane Situation in den Kitas nicht präsent. Den Eltern eine neue Regel zum 8. Juni 2020 anzukündigen, in der es heißt, „jedes Kind muss in die Kita zurückkehren können“, schürt bei den Eltern Erwartungen, die an der Basis, den Kitas, nicht abbildbar sind. Für die Notbetreuung in den Kitas müssen pro Gruppe mindestens zwei Erzieherinnen eingesetzt werden. Die neue Lockerung, dass bis zu zehn Kinder gleichzeitig betreut werden können, ist schon unverständlich. Dies bedeutet, dass jede Fachkraft in einer Notbetreuungsgruppe mit 20 bis 40 Kontakten in Berührung kommt. Bei zwei Kindergarten-Notgruppen sind das fast so viele Kontakte wie im Regelbetrieb. Es ist mehr als bedauerlich, dass den Eltern kein klares Konzept vorgelegt werden kann, Erwartungen geschürt werden, die nicht abbildbar sind, und die Kitas mit den Sorgen der Eltern alleine gelassen werden. Der Stufenplan der Landesregierung zur Öffnung der Kitas berücksichtigt in keiner Weise die Bedürfnisse der Kinder und der Familien. Christiane Kolter, Hannover An Schutzbedürfnis von Erziehern denken: Danke. Endlich lese ich in der HAZ einen Satz, der die Situation der Erzieherinnen und Erzieher berücksichtigt. In dem Beitrag von Michael B. Berger wird Kultusminister Tonne zitiert: „Das Virus ist ja noch nicht weg.“ Man müsse auch an das Schutzbedürfnis von Erziehern und Erzieherinnen denken. Danke, Herr Tonne! In ihrer Profilierungssucht überbieten sich derzeit Politiker mit Vorschlägen zur Kinderbetreuung. Da ist von Spielgruppen die Rede, möglichst noch im Wechsel, damit alle Kinder berücksichtigt werden. Wie viele Kontakte Erzieherinnen und Erziehern, somit auch deren Familien, damit zugemutet werden, bedenkt offensichtlich niemand. Kinder halten keinen Abstand, kennen keine Niesetikette und brauchen Körperkontakt, insbesondere Krippenkinder! Erzieherinnen und Erzieher arbeiten nicht hinter Plexiglasscheiben und werden auch keine Abstandsregeln einhalten können wie überall sonst gefordert. Kaum eine Berufsgruppe ist ungeschützt dem Infektionsrisiko derart ausgesetzt. Astrid Bruhn, Springe Erwachsene geben schlechtes Vorbild: An den Schulen und Kitas wird mit großem Engagement versucht, mit gestaffeltem Unterrichtsbeginn, halben Klassen, häufigem Händewaschen, verschiedenen Pausenzeiten, getrennten Eingängen und vielem mehr die Kinder und damit auch die Bevölkerung vor einer Ansteckung zu schützen. Und für Eltern ist es jetzt, da die Spielplätze endlich wieder geöffnet haben, sicher schwer, ihre Kinder zum Einhalten der Abstandsregeln anzuhalten; die Kinder wollen und sollen Versäumtes nachholen. Wenn sich aber die Erwachsenen, wie von mir im Spielpark Döhren beobachtet, überhaupt nicht darum scheren, die Kinder an die Regeln zu erinnern, dann gefährden sie nicht nur sich und andere – sie karikieren damit in für mich unverantwortbarer Weise die Bemühungen von Erzieherinnen und Lehrkräften in den Betreuungseinrichtungen. Wolfgang Froch, Hannover Endlich ein Blick auf die jungen Leute: Danke, endlich mal ein Blick auf junge Leute! Da hat man ihnen ihr Leben lang eingetrichtert, sozial zu sein, sich Freunde zu suchen, Sport zu treiben und eben nicht den ganzen Tag vor einem Bildschirm zu verbringen. Und dann Corona! Von den Eltern abnabeln wäre das Gebot der Stunde – jetzt sitzen alle gemeinsam zu Hause und streiten um den besten WLAN-Zugang. Schule als sozialer Raum entfällt. Mit Gesichtsmaske und Abstandsregeln unter pädagogischer Bewachung auf dem Pausenhof – das konterkariert den Gedanken der Peergroup. Abschlussfeiern entfallen ersatzlos, dabei wissen wir alle, wie wichtig diese Rituale sind. Pädagogen versuchen nach besten Kräften, plötzlich online ihren Job zu machen, alle im Blick zu behalten und nebenbei Schulen neu einzurichten, Stundenpläne und Lehrinhalte anzupassen. Und von Schulpolitikern kommt konföderales Durcheinander bei Beibehaltung alter Strukturen. Während Schüler und Schülerinnen der Klassenstufen fünf und sechs (und ihre Eltern) sehnsüchtig darauf warten, vielleicht Mitte Juni nochmals kurz eine Schule von innen zu sehen, werden in den anderen Stufen schon wieder Klassen- und Hausarbeiten angesetzt. Einzelne Bundesländer lassen zumindest die Prüfungen des Sek 1 entfallen – wir nicht! Ob man viel gewinnt, wenn noch mehr Schüler ohne Abschluss auf einen Arbeitsmarkt drängen, auf dem gerade die Lehrstellen wegbrechen? Und immer hat noch einer eine neue Idee: Samstagsunterricht, Sommerferien verkürzen … Unsere jungen Menschen sind mehr als die Summe ihrer Schulnoten! Auch ihnen wird gerade ihr Leben gestohlen, Ende nicht in Sicht. Anja Klinkott, Wedemark Lesen Sie auch: Keine Räume, kein Personal: Notbetreuung in den Schulen platzt aus allen Nähten Mehr Klassen, mehr Kita-Betreuung: Lockerungen sollen Familien helfen Von red