Kommentar zu Niedersachsens Schulplan: Tonne ist auf dem richtigen Kurs

In der Corona-Pandemie konnten Politiker in Deutschland bislang allenfalls Punkte sammeln, wenn sie sich glaubwürdig für einen strengen Kurs stark machten. Doch diese Zeiten scheinen vorbei. Die Menschen werden angesichts eines perspektivlosen Dauerlockdowns trotz sinkender Inzidenzen spürbar unzufriedener mit den Regierenden in Bund und Ländern. Da dürfte es Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und vielleicht noch mehr seinen häufig gescholtenen Kultusminister Grant Hendrik Tonne (beide SPD) freuen, dass Niedersachsen mit der vorsichtigen Öffnung der Schulen dem ersten Eindruck nach auf dem richtigen Weg ist. Nach der vorletzten Bund-Länder-Runde musste die Landesregierung noch viel Kritik für ihre Pläne einstecken, Grund- und Förderschulen sowie Abschlussklassen in den Wechselunterricht zu schicken. Weil aber die Infektionszahlen insgesamt sinken und aus den geöffneten Schulen kaum Meldungen über Ansteckungen kommen, kann man im Rückblick von einem mutigen Schritt nach vorne sprechen. Die anderen Länder folgen jetzt reihenweise. Auch für das in Niedersachsen angestrebte Wechselmodell für alle Schulen ab März und die mögliche Rückkehr zum Präsenzunterricht nach Ostern werden sich Nachahmer finden. Wenn die Infektionszahlen weiter sinken. Alles andere wäre fahrlässig und gefährlich. Lesen Sie auch Der Zehn-Punkte-Plan für Niedersachsens Schulen – und was daraus folgt Kultusminister Tonne will offenbar den Schwung seines Stufenplans mitnehmen und schiebt gleich noch ein umfassendes Maßnahmenpaket hinterher. Wie viele Pluspunkte das am Ende einbringt, muss sich zeigen. Nichts davon ist wirklich verkehrt. Mehr Lehrer, mehr Digitalisierung, mehr Lernhilfen – wer sollte da Einwände haben? Doch vieles kommt reichlich spät. Es ist schon erstaunlich, dass es einer Corona-Pandemie bedarf, damit die segensreiche Erfindung der E-Mail-Adresse auch die letzten Lehrkräfte in Niedersachsen erreicht. Von Laptops und Fortbildungen gar nicht zu reden. Festhalten an den Prüfungen ist richtig: Auch bei Schutzmaßnahmen und Schnelltests wirkt Tonne eher getrieben. Das hätte er alles vor einem halben Jahr oder sogar noch früher auf den Weg bringen können. Dann hätten Schulen und Kitas vielleicht auch bei höheren Inzidenzen nicht komplett geschlossen werden müssen. Dass angesichts der Milliardenhilfe für die Wirtschaft im Bildungsbereich um jeden Euro gerungen werden muss, ist peinlich. Das gilt für den Bund, aber auch für Niedersachsen. Nun schlägt Tonne einen überzeugenderen Kurs ein, was sich auch an den erstaunlich moderaten Reaktionen der Lehrerverbände ablesen lässt. So viel Nettigkeiten hat es lange nicht mehr gegeben. Mit der geplanten Unterstützung für Grundschulen kann der Kultusminister punkten. Auch das Festhalten an den Prüfungen ist richtig. Stand jetzt. Von Marco Seng