Neue Corona-Regeln: Kindern droht dreiwöchige Isolation

Die Verschärfung der Corona-Kontaktregeln trifft Kinder besonders hart. Denn von Sonntag an dürfen sich auch in Niedersachsen nur noch die Mitglieder eines Haushalts mit einer weiteren Person treffen - ganz gleich, wie alt diese ist. Die bisherige Ausnahme für Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre entfällt. In der Praxis bedeutet das: Kinder dürfen bis Ende Januar nicht mehr mit den Eltern zu Oma und Opa fahren, und Freunde mit Kindern dürfen nicht mehr zusammen spazieren gehen. Experten warnen deshalb vor Vereinsamung, Entwicklungsstörungen und zunehmender Gewalt. Kinderschutzbund: Elementare Grundbedürfnisse gekappt: „Im Grunde genommen ist das vergleichbar mit einer geschlossenen Unterbringung“, kritisiert der Landeschef des Kinderschutzbundes Niedersachsen, Johannes Schmidt. „Es ist das Kappen unglaublich vieler elementarer Grundbedürfnisse von Kindern.“ Darunter leide etwa die Entwicklung des Selbstbewusstseins und der Sprache. „Die Gesellschaft für Kinder zuzumachen, ist ein ganz furchtbarer Schritt“, betont Schmidt. „Es fehlen die Impulse für den Spaß am Leben.“ Das kann Schmidt zufolge schlimmstenfalls auch zu Gewalt in der Familie oder gegenüber anderen Kindern führen. Aus Kontakten zu den Jugendämtern wisse er, dass es seit Beginn der Corona-Krise mehr Meldungen von Kindeswohlgefährdungen gebe. Genaue Zahlen lägen aber noch nicht vor. Erfahrungswerte gibt es mittlerweile aus den ersten Corona-Monaten im vergangenen Frühjahr. Die Psychologie-Professorin Silvia Schneider von der Ruhr-Universität Bochum hat mit einer Forschungsgruppe untersucht, wie sich der erste Lockdown auf Kinder im Vorschulalter ausgewirkt hat. Ihr Ergebnis: Ein Drittel davon zeigte sich in irgendeiner Form verhaltensauffällig, war etwa gereizter oder schlief schlechter als normalerweise. „Ein großer Teil hat das aber mit seinen Familien gut hinbekommen“, sagt die Psychologin. Lesen Sie auch Corona: Das sind die neuen harten Kontaktregeln für Niedersachsen Holzminden erlässt Rodelverbot, um Tagestouristen abzuschrecken Immer mehr Corona-Impfungen in Niedersachsen: Land holt im Vergleich auf Grüne wollen erträgliche Kontaktbeschränkungen: In Niedersachsen haben die Grünen einen Vorschlag gemacht, wie die neue Kontaktbeschränkung für Kinder erträglicher gestaltet werden könnte. So sollten Geschwister unter zwölf Jahren und kleine Kinder, die für den Besuch von Verwandten oder Spielkameraden die Begleitung eines Erwachsenen brauchen, von der Regelung ausgenommen werden. Ansonsten werde aus der sogenannten „Ein-Freund-Regel“ für kleinere Kinder eine „Kein-Freund-Regel“, warnte Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg. „Kinder komplett zu isolieren, ist kinderfeindlich.“ Doch die Landesregierung aus SPD und CDU ist bei ihrer harten Linie geblieben. „Wir betrachten in der Tat jede Person, egal wie alt sie ist, als zu zählende Person. Das bedeutet bedauerlicherweise, dass eine Mutter mit ihrem Baby zusammen zwei Personen sind. Das heißt: Wenn eine solche Mutter die eigenen Eltern besuchen möchte, muss sie den Vater oder jemand anderen bitten, solange auf das Kind aufzupassen“, erklärt Regierungssprecherin Anke Pörksen am Freitag. „Das ist alles nicht schön, aber aus unserer Sicht und aus der Sicht der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin im Moment notwendig, um die Kontakte weiter einzuschränken.“ Niedersachsen setzt auf „konsequente Umsetzung der Beschlüsse“: Ausnahmen von der Eins-plus-eins-Regel sieht die niedersächsische Verordnung neben unterschiedlichen Betreuungsformen nur für die Begleitung von Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftigen sowie für Kinder mit geschiedenen oder getrennt lebenden Eltern vor. Bei Letzteren gehören die Kinder nach Auslegung der Landesregierung zu den Haushalten beider Elternteile. „Es handelt sich hier um eine deutliche Einschränkung, auch gerade, was die Kinder anbelangt“, sagt Pörksen. „Darüber haben die Verantwortlichen in Niedersachsen noch einmal lange nachgedacht, sich dann aber für eine konsequente Umsetzung der Beschlüsse entschieden.“ Damit die Folgen für die Kinder zumindest dann in Grenzen gehalten werden können, wenn die Pandemie einmal im Griff ist, fordert der Kinderschutzbund schon jetzt, die Mittel für Jugendämter und Kinderprojekte um Millionenbeträge aufzustocken - auch, um die Schäden der Corona-Krise aufzuarbeiten. Von RND/lni/Christopher Weckwerth