Offene Grundschulen in Zeiten der Pandemie: Das denken HAZ-Leser

Oder doch lieber schließen? Die niedersächsische Landesregierung hält die Grundschulen für den Wechselunterricht mit halbierten Klassen weiter geöffnet, hat die Kinder aber von der Präsenzpflicht befreit. Somit dürfen nun die Eltern entscheiden, ob sie ihr Kind weiter zum Lernen in die Schule schicken oder es aus Infektionsschutzgründen bis zum 14. Februar komplett im Homeschooling belassen. Unter HAZ-Leserinnnen und -Lesern wird das Thema kontrovers diskutiert. Hier lesen Sie eine Auswahl der Zuschriften, die uns erreicht haben: Leserin Simone Berauer: Der Spagat ist nicht zu leisten: Bei all dem Hin und Her wird wohl eines vergessen und nicht hinterfragt: Wie geht es den Lehrern mit diesen Nicht-Entscheidungen? Sie setzen sich permanent einem Infektionsrisiko aus, wissen nicht, wie sie den Unterricht vorbereiten sollen. Da gibt es die Kinder, die in der Schule unterrichtet werden, wohl die Mehrheit, und es gibt bestimmt ein paar wenige, die das Recht auf Distanzunterricht wahrnehmen werden. Hinzu kommen die Kinder, die in die Notbetreuung gehen, parallel zu der Gruppe, die regulär Unterricht an diesem Tag hat. Woher sollen die Schulen die Räumlichkeiten nehmen, um die Kids voneinander zu trennen? Wie sollen die Lehrer einen vernünftigen Unterricht vorbereiten, sodass alle gleich behandelt werden? Das ist ein Spagat, der nicht zu leisten ist. (Simone Berauer, Barsinghausen) Leser Thomas Becker: Feige und schwach: Ich kann den HAZ-Kommentar zum Thema nur unterstreichen. Die Politik wälzt die schwierige und ethisch komplexe Frage (Gesundheit versus Bildung) auf die Eltern ab. Das geschieht zielgerichtet, um am Ende doch noch die Schulen öffnen zu können. Herr Weil sagt, die Eltern entscheiden das richtig. Was sind jedoch die Gründe, die von den Eltern angegeben werden? „Unserem Kind hat es so gut gefallen nach der Öffnung diese Woche“: Dieses Argument bringen die allermeisten zur Rechtfertigung der Entscheidung. Wie sich wohl die Friseure freuen würden, wenn sie öffnen dürften, oder die Restaurantbesitzer? Wenige zweifelnde Eltern schicken die Kinder jedoch auch zur Schule, weil sie nicht wollen, dass ihr Kind als einziges in der Klasse zu Hause bleibt. Herr Weil, erklären Sie uns bitte, wie das die beste Entscheidung sein sollte, in der Risiken bewusst sind und korrekt abgewogen werden? Der Ministerpräsident und sein Kultusminister Tonne wissen sicher noch aus der Vorweihnachtszeit, dass die Eltern mehrheitlich so entscheiden. Damit ist das Delegieren der Entscheidung an die Eltern nach der Kanzlerrunde der einzige Weg für die SPD-Regierung, ihr vorher kommuniziertes Ziel der Schulöffnung zu erreichen. Man kann hier also nicht nur das Weitergeben von Regierungsverantwortung an Eltern herauslesen, was feige und schwach wäre, sondern vielmehr eine kühle Taktik, um die bundesweiten Beschlüsse gezielt zu unterwandern. Ich weiß nicht, welche Verantwortungslosigkeit ich schlimmer finde: die dem Virus gegenüber, weil man gezielt das Risiko klein redet, oder die den Eltern gegenüber, weil man selbst zu führungsschwach ist. (Thomas Becker, Isernhagen) Veröffentlichungen in dieser Rubrik sind keine redaktionelle Meinungsäußerung. Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen. Bei allen Einsendungen bitten wir um Angabe der vollständigen Absenderadresse. Wollen auch Sie uns Ihre Meinung mitteilen? Dann schreiben Sie uns auf diesem Weg. Leser Olaf Bartling: Abwälzen ist armselig: Sich in ein politisches Amt wählen zu lassen, bedeutet auch, bereit zu sein, Verantwortung zu übernehmen. Schaut man sich nun das Chaos an, das unser Ministerpräsident und vor allen Dingen sein Kultusminister angerichtet haben, so wird klar, dass beide offensichtlich nicht in der Lage sind, diese auch wirklich zu übernehmen. Fast überall in der Republik wurde eingesehen, dass das mutierte und aggressive Coronavirus auch auf Kinder und Jugendliche überspringt und diese Generation ebenfalls geschützt werden muss. Statt sich nun, auch wenn es schwerfällt, der überwiegenden Ansicht anzuschließen und die Schulen komplett zu schließen, überlässt man die Entscheidung den Eltern. Eltern, die unsicher sind, ob sie ihr Kind zu dessen Schutz lieber daheim lassen sollten oder ob ein solches Handeln ihren Kindern bei der Benotung schadet und sie uneinholbare Lernrückstände erleiden. Die Verantwortung auf die Eltern abzuwälzen ist armselig! (Olaf Bartling, Lehrte) Lesen Sie auch: Wälzen Sie die Verantwortung auf die Eltern ab, Herr Tonne? Der Kultusminister im Interview Leser Lars Nebelung: Angst, jemanden zu verprellen: Es ist ein Unding, die Entscheidung von der für solche Frage zuständigen Politik auf die Eltern abzuwälzen. Auf die Gruppe, die am wenigsten sach- und fachkundig und zudem am meisten emotional betroffen ist. Weder können die Eltern in der Regel die tatsächliche gesundheitliche Gefährdung ihrer Kinder in der Schule einschätzen, noch die organisatorischen Probleme der Schule durch die Beschulung und Betreuung in mehreren Modellen gleichzeitig beurteilen. Die Eltern werden mit dieser Entscheidung genauso alleingelassen wie die Schulen, die gefälligst zusehen sollen, wie sie diese verschiedenen Modelle bei zunehmender Personalknappheit gewährleisten können. Die Politik stiehlt sich aus ihrer Verantwortung aus Angst, irgendjemanden zu verprellen, und klopft sich noch dazu öffentlich auf die Schulter ob ihrer angeblichen Offenheit und ihres „niedersächsischen Weges“. Das ist reines Marketing und soll nur verdecken, dass die Politik nicht ihren Job macht. Dieser Wischiwaschi-Kurs der Landesregierung ist nichts anderes als die Angst vor der eigenen klaren Entscheidung, also im wahrsten Sinne verantwortungslos! (Lars Nebelung, Hannover) Leser Dirk Piche: Es grenzt an Arbeitsverweigerung: Dem ewigen Mantra von Kultusminister Tonne, dass die Schulen keine Pandemietreiber sind, steht nun gegenüber, dass die Eltern ihre Kinder vom Präsenzunterricht befreien können. Warum darf ich nun mein Kind vom Schulunterricht befreien, wenn die Schulen so pandemiefest sind? Entweder erlaube ich allen Schülern, die Schule zu besuchen, da keine Gefahr droht, oder ich erlaube es niemandem, weil eine große Infektionsgefahr vorherrscht. Was ich als Kultusminister aber nicht machen kann, ist: die Entscheidung auf die Eltern abzuwälzen! Das ist einfach nur peinlich. Sich so aus der Verantwortung zu stehlen grenzt schon an Arbeitsverweigerung. (Dirk Piche, Gehrden) Leser Matthias Krostek: Politisch inkompetent: Hier geht es nicht, wie Ministerpräsident Weil betont, um eine pragmatische Lösung oder das „typische niedersächsische Durcheinander“. Diese Verlagerung der Entscheidungsfindung offenbart schlicht und ergreifend politische Inkompetenz im Hause des Kultusministers! (Matthias Krostek, Garbsen) Leser Hans Cronau: Verheerende Bilanz: Was sich als Zuwachs von Wahlfreiheit gebärdet, setzt berufstätige Eltern, die die Gesundheit ihrer Kinder und ihre eigene schützen und zum Kampf gegen die Pandemie beitragen wollen, erheblich unter Druck. Denn jeder Arbeitgeber kann jetzt darauf bestehen, dass sie auch in Zeiten des Lockdown zur Arbeit kommen: Für eine Aufbewahrungsmöglichkeit der Grundschüler ist schließlich gesorgt. Dass es einer Landesregierung, die gerade das Bildungssystem kaputtspart, ausgerechnet in diesen Wochen „um den Erhalt der Bildungschancen vieler Kinder“ geht, wirkt wenig glaubhaft. Sei sie nun dem Interesse der Arbeitgeber oder dem Wahlkampf geschuldet: Die Bilanz dieser „typisch niedersächsischen Lösung“ ist verheerend. Unnötig viele Menschen – Eltern, Kinder und Lehrer – werden einem gesundheitlichen Risiko ausgesetzt. Eine konsequente Bekämpfung der Pandemie wird behindert, die politischen Maßnahmen wirken wieder einmal widersprüchlich und wenig konsistent. Das schadet ihrer Überzeugungskraft. (Hans Cronau, Hannover) Leser Uwe Karges: Sonderweg nicht zu verstehen: Nach jeder gemeinsamen und notwendigen Abstimmung der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten geht Herr Weil einen unverständlichen Sonderweg. Erstens interessieren ihn die gemeinsam ausgesprochenen Regelungen nicht! Zweitens sorgt er immer für den viel kritisierten Flickenteppich in Deutschland. Drittens entsteht der Eindruck, dass sich die SPD-regierten Länder gerne auf andere Fachleute beziehen als die Bundesregierung und die meisten anderen Bundesländer. Oder geschieht dies ohne fachliche Beratung? Wie sollen die Menschen diese Sonderwege noch verstehen? (Uwe Karges, Hannover) Leser Wolfram Schwarz: Flexibilität erforderlich: In Corona-Zeiten müssen sich viele Arbeitnehmer zunehmend auf flexible Arbeitseinsätze einstellen. Ein situationsbedingt erhöhtes Arbeitsaufkommen muss mit flexibel einsetzbaren Arbeitskräften ausgeglichen werden. Die notwendige Bereitschaft zur Flexibilität ist für viele in Ehren ergraute Mitarbeiter im Schuldienst, die sich über die Jahre von der Wirklichkeit des Arbeitsmarktes entfernt haben, schlichtweg eine Überforderung. Der zeitliche Arbeitsaufwand für Lehrkräfte ist stark abhängig von den Schulfächern. Die individuelle Einsatzbereitschaft des Schulpersonals schwankt zudem zwischen bewundernswertem Einsatz und Dienst nach Vorschrift. Leidvolle Erfahrungen diesbezüglich machen gerade viele Eltern schulpflichtiger Kinder. Möglichkeiten im Homeschooling werden bei Weitem nicht genutzt, um Schulkinder „alternativ“ zu unterrichten. Eine Erfahrung im unmittelbaren Schulumfeld: Empfohlener Alternativunterricht erschöpft sich zum Beispiel darin, den Eltern anzuraten „kaufen Sie Ihrem Kind ein Buch und lassen Sie sich den Inhalt erzählen“, oder „die Matheaufgaben können Sie sich in Papierform in der Schule abholen“. Auf den Einwand hin, dass die Übermittlungsmöglichkeit E-Mail/Internet durchaus zeitgemäß sei, antwortet die betroffene Lehrerin mit dem Argument, dass das Land Niedersachsen ihr die notwendige PC-Schulung nicht hat zukommen lassen. Großelternvorschlag: Jeder Viertklässler könnte diese Aufgabe übernehmen. Armes Deutschland! (Wolfram Schwarz, Hannover) Leser Jan-Peter Kollmetz: Wie sollen Lehrer das organisieren? Wie kann es sein, dass bundesweit beschlossen und dringend empfohlen wird, die Schulen bis zum 14. Februar geschlossen zu halten, und Niedersachsen wieder einmal einen Sonderweg beschreitet? Wenn Schulen geschlossen bleiben sollen, sind damit nach meinem Verständnis alle Schulen gemeint. Oder ist die Infektionsgefahr in Grundschulen geringer ? Kann die Politik keine für alle Beteiligten klare Regeln festlegen? Wie sollen sich eigentlich die Lehrer auf dieses Hin und Her vorbereiten? Für die Zeit ab 11. Januar musste Distanzunterricht vorbereitet werden, ab 18. Januar dann der Wechselunterricht – und nun kommt eine weitere „Mutation“ dazu. Es wird also Schüler geben, die zeitweise in die Schule gehen und dort unterrichtet werden, gleichzeitig wird es aber auch Schüler geben, die bis zum 12. Februar nicht mehr in die Schule kommen und somit in der Distanz unterrichtet werden. Wer soll das eigentlich alles organisieren und für Chancengleichheit sorgen? Warum nicht die Schulen komplett schließen und dann die Sommerferien um zwei Wochen verkürzen? (Jan-Peter Kollmetz, Lehrte) Von red