Extremsportler André Wiersig erzählt vom Schwimmen auf allen sieben Meeren

Vielleicht war es diese Boje im Winter vor Ibiza, mit der alles begann. Im 13 Grad kühlen Meer schaukelte sie so 300 Meter entfernt vom Strand, keine Entfernung für den Triathleten André Wiersig, leicht, da mal eben hinzuschwimmen. Er schaffte es nicht, sofort setzte ihm die Kälte zu. Frustriert von sich selbst, kraulte er zurück zum Ufer. Aber nach diesem Scheitern schloss er einen Pakt mit sich selbst, Körper und mehr noch seinen Geist zu trainieren, um irgendwann diese Boje und noch weit mehr zu erreichen. Ein paar Jahre später hatte André Wiersig, 48, als erster deutscher Schwimmer die „Ocean’s Seven“ geschafft. Wer sieben Meerengen auf fünf Kontinenten bewältigt, hat Distanzen zwischen 44 und 14 Kilometern in Meeren und Kanälen zurück gelegt, nur mit Badehose, Schwimmbrille und Kappe und immer gegen sich selbst. Mit Humor und Distanz: André Wiersig hat die Geschichte dieser Bewältigung jetzt in ein Mikrofon gesprochen, und herausgekommen ist ein großartiges Hörbuch. Dass kein professioneller Sprecher mit geübtem Timbre einen Text vorträgt, sondern Wiersig, der außerhalb seines Urlaubs Vertriebsleiter in Paderborn ist, ohne Vorlage mit Humor und Distanz vom Selbstdurchlittenen erzählt, macht die geschilderten Grenzerfahrungen umso eindringlicher. Kurz gesagt: „Es geht eigentlich nur darum, welche Leistung man unter maximalem Erschöpfungszustand noch generieren kann.“ Zwei Übungen dazu: Krafttraining bis es nicht mehr geht, dann ein paar Kilometer schwimmen. Und Inseln von Feuerquallen durchqueren, um sich an den brennenden Schmerz ihrer Tentakeln zu gewöhnen. Immer wieder fragt sich der Hörer: Was macht er da? Er duschte nur noch kalt. In 20-Minuten-Schüben disziplinierte er sich nach der Arbeit in seiner Eistonne, bis er die Tortur ohne Zittern und Zähneklappern überstand. Er hasste diese Schinderei – und liebte das Ergebnis: „Das ist einfach irre, was das mit einem macht. Wenn man sich mal selber aus seinem ganzen Luxus-Komfort-Leben und dem ganzen Wohlfühlfaktor, den alle als irgendwie selbstverständlich erachten, rauskatapultiert.“ Das Scheitern von Ibiza war der Grund, seine Belastbarkeit immer weiter zu verschieben, bis an die Grenze menschlicher Leistungsfähigkeit. 13 Stunden im Pazifik: Und darüber hinaus. In der japanischen Tsugaru-Straße drückten ihn Wellen immer wieder unter Wasser. Sie kamen von allen Seiten, er lernte, dass er nicht atmen konnte, wann er wollte. Wiersig war erschöpft, „ich habe gefragt, warum er das mit mir macht“, er meint den Pazifik, seinen liebsten Ozean. Seine Stimme stockt, als er von diesem Erlebnis erzählt, er bekämpft seine Tränen. Normalerweise kann er elf, zwölf Stunden lang ein Tempo von vier Kilometern pro Stunde durchziehen. An diesem Tag stoppte die Uhr nach beinahe 13 Stunden, er war über 45 Kilometer geschwommen. Lesen Sie auch: Hannoverscher Sänger macht das Guinnessbuch zum Hörbuch. Der Paderborner erzählt keine Heldengeschichte, sondern berichtet von Selbstüberwindung und Glück, dem Willen, nicht aufzugeben, auch wenn alles in ihm ins Begleitboot klettern möchte. Weiter, weiter, immer noch weiter, Zug um Zug, er wollte es ja so. Er redet von Freundschaften, ohne die sein Ego-Trip nicht geklappt hätte, und seiner Liebe zum Meer, das es immer geben wird, egal, was der Mensch mit ihm anstellt, und in dem er sich selbst nur als Gast sieht, als jemand, der dort so wenig hingehört wie Euro-Paletten und Plastikplanen, beobachtet von Haien, denen er direkt ins Auge schaute und Buckelwalen, die unter ihm hindurch schwammen. Die Frage, warum er das alles auf sich genommen hat, kann André Wiersig jetzt beantworten: „Es ist fantastisch.“ „Ein Mann des Meeres. André Wiersig erzählt sein Schwimmen durch die ,Ocean’s Seven’“. Hörbuch. 4 CDs, 305 Minuten. Supposé-Verlag, ca. 30 Euro. Von Gunnar Menkens