Konzert: "Ich kann Fliegen" spielen bei Hannover 78

Ein wenig wirkt es, als erzählte die Band „Ich Kann Fliegen“ mit den ersten vier Songs bei ihrem einzigen Konzert in diesem Jahr eine Geschichte über den Augenblick. „Der Weg führt immer weiter, was wir auch tun“, singt Nikolas Stege in „Mich kann nur die Liebe retten“, „weißt du noch, wie es früher war“ in „Zukunft Angst Forever“, „nach der Ebbe kommt die nächste Flut“ in „Katastrophen“ – und in „Achtung, Traumwelt“ schließlich: „Ich war so lange weg, jetzt bin ich zurück.“ Wie ein kleines Geschenk: 200 Fans sind in den Biergarten bei acht & siebzig gekommen, um die vor knapp 15 Jahren von langjährigen Freunden in Hannover gegründeten Band zu erleben – bei einem der seltenen Konzerte des an Live-Kultur so armen Jahres. Fünf Jahre ist das letzte Album „Alles Flimmert“ jetzt schon her. Da wirkt der Umstand, dass die vier Musiker die aktuelle EP „Lang nichts mehr gehört“ mit drei brandneuen Songs vorstellen, wie ein kleines Geschenk. Der Sound ist unpoliert und authentisch: Trotz Abstandsgebot rücken alle so nah wie eben möglich zusammen, an den Biertischen wie auch auf der kleinen Bühne, wo das Schlagzeug ein wenig zu laut rumpelt, wenn die Band rockend Gas gibt. Das klingt nach roher Energie, die sich endlich ein Ventil sucht, nach Lust am Spielen. Der Sound ist unpoliert und authentisch und die Stimmung bestens. Und auch wenn Texte und Gesangsmelodien vor allem im Pop wurzeln: Ein wenig blitzt der Punk in Steges rauer, hoher Stimme durch. Eingängige Alltagsbetrachtungen mit Wumms: Die Songs erzählen Geschichten darüber, wie zerbrechlich sich aus Ich und Du ein Wir konstruiert. Sie tun das auch mal mit gefühligen Allgemeinplätzen, aber meistens ehrlich und leidenschaftlich, mit viel Dynamik und Zeit für laute Gitarren zwischendurch. Daran hat sich auch bei den drei neuen Stücken nichts geändert, die irgendwann Teil eines neuen Albums werden sollen. „Vampire“, „Lass uns gehen“ und Still & Leise“ sind eingängige Alltagsbetrachtungen mit Wumms. „In einer Welt ohne Glanz sind wir zum Leben verdammt“: All die Geschichten über Zweisamkeit, Beziehung, Liebe und in Frage gestellte Lebensentwürfe passen gut zu den Befindlichkeiten in Zeiten verminderter Kontakte, in denen es oft geboten ist, sich auf Wesentliches zu besinnen. Nahezu als letzten Song des Abends spielt die Band „The Feeling“, vor fünf Jahren erschienen und doch merkwürdig heutig: „In einer Welt ohne Glanz sind wir zum Leben verdammt“, heißt es darin. Voraussichtlich letzte Veranstaltung in diesem Jahr: Die Freude über einen kleinen, glanzvollen Lichtblick mischt sich mit Wehmut und ein wenig Verzweiflung beim Gedanken daran, dass dieses Konzert die kurze Behelfssaison von Living Concerts und Lux im Biergarten bereits wieder beendet. „Für uns ist das voraussichtlich die letzte Veranstaltung in diesem Jahr“, sagt Betreiber Dirk Sadlon. Mit einem kleinen Club, dessen Charme auch von der Enge lebt, bleibe die Situation unkalkulierbar. Es ist ein Abschied auf unbestimmte Zeit, der um Hannovers Clubkultur bangen lässt. Lesen Sie auch Konzert: Thees Uhlmann spielt im Biergarten Acht&Siebzig in Hannover Von Thomas Kaestle