"ABC der Demokratie": Enis Maci spricht mit Ijoma Mangold über "queer"

Vor ein paar Jahren noch wäre die Sache mit dem „Q“ kompliziert gewesen. Welchen Begriff hätte man wählen sollen, wenn man beim Durchbuchstabieren des „ABCs der Demokratie“ bei diesem Buchstaben angelangt wäre? „Qualität“? „Qual“? oder gar „Querelle des Anciens et des Modernes“? Heute ist die Sache klar. Unter „Q“ wird über „queer“ gesprochen. Der Begriff, der vor einigen Jahren noch als abwertende Bezeichnung für diejenigen genutzt wurde, die von der heterosexuellen Norm abweichen, hat einen bemerkenswerten Wandel erfahren. Das Abwertende ist verschwunden, „queer“ wirkt wie eine Auszeichnung und wie eine Hoffnung. Die Schriftstellerin Enis Maci, Jahrgang 1993, deren 2018 erschienener Essayband „Eiscafé Europa“ für einiges Aufsehen gesorgt hatte, war in der von Ijoma Mangold geleiteten Gesprächsreihe „ABC der Demokratie“ zu Gast. Die Reihe, die ihren Ort sonst auf der Cumberlandschen Bühne hat, fand als „Zoom“-Konferenz im Internet statt. 193 Gäste hatten sich zugeschaltet. Nicht alle dürften bis zum Schluss durchgehalten haben. Ein Sehnsuchtswort: Enis Maci hielt einen assoziationsreichen, eher freien, schwärmerischen und metapherngesättigten Vortrag zum Begriff „queer“. „Queer“ sei eine Kategorie des Begehrens und der Identität, „queer“ sei die Weigerung, sich in einfachen Kategorien fassen zu lassen, „queer“ sei ein Begriff, der fluide bleibt. „Queer“ könne man mit einer Flechte vergleichen, die als Symbiose mehrerer unterschiedlicher Lebensformen existiert. Ijoma Mangold ordnete Macis Vortrag historisch ein: „So wie Sie das Wort ,queer’ gebrauchen, haben die Romantiker das Wort ,unendlich’ gebraucht.“ „Queer“ ist ein Sehnsuchtswort geworden. Mangolds Verdacht, dass das Unnormierte, Fluide und Flirrende, das mit dem Wort „queer“ verbunden ist, ganz gut zum Aufmerksamkeitskapitalismus der heutigen Zeit passe und hier gewinnbringend einzusetzen sei, konnte Enis Maci am Ende nichts entgegensetzen. Das „ABC der Demokratie“ wird am 6. Mai fortgesetzt. Dann geht es um den Buchstaben „R“ und das Thema „Rassismus“. Zu Gast bei Ijoma Mangold ist die Schriftstellerin Jackie Thomae. Wahrscheinlich als „Zoom“-Veranstaltung. Anmeldung vom 9. April an auf den Seiten des Schauspiels Hannover Von Ronald Meyer-Arlt