Finch Asozial in Hannover: So war der Autokultur-Auftritt

Der Name, den Nils Wehowsky aus Frankfurt an der Oder für seine musikalische Bühnenfigur gewählt hat, ist ein Versprechen an seine Fans und eine Drohung gegenüber allen anderen. Als Rapper Finch Asozial katapultierte er vor vier Monaten bereits sein zweites Album, „Finchi’s Love Tape“ für mehrere Wochen auf Platz zwei der deutschen Albumcharts. Bei der Autokultur auf dem Schützenplatz demonstriert er den Insassen von 300 Fahrzeugen, was ihm diesen Erfolg vor allem beschert: Er bedient sich selbstbewusst bei seinen Kollegen, sampelt, zitiert und kopiert, was das Zeug hält. Er verquirlt Scooters Kirmestechno mit Wolfgang Petrys Animateursschlagern, Kollegahs Battlerap mit Roxettes Achtzigerjahrepop, Oliver Pochers Trashcomedy mit Chris Talls Tabukarussel. Und er garniert all dies mit reichlich oberflächlicher Frauenverachtung, Machosprüchen, Homophobie sowie eher uninspirierten Geschichten über Beziehungsgewalt, Drogenkonsum und erzwungenen Analsex. Es wäre allerdings zu einfach, Wehowsky nur als geschickten Plagiator und obszönen Provokateur zu unterschätzen. Lesen Sie auch: Diese Stars kommen im Juni und Juli zur Autokultur auf den Schützenplatz Der Moment, in dem die Ironie gewinnt: Da er nämlich gar nichts ernst zu nehmen scheint, wirkt sein Auftritt nicht nur wie eine süffisante Parodie auf all seine Inspirationen – sondern wie eine auf die eigene Kunstfigur. Finch Asozial betritt die Bühne im rot-weißen Herzchenanzug, mit Sonnenbrille und Vokuhila. Spätestens wenn er ohne Gesangsstimme seinen neuen Ballermannschlager „Pattaya/Sexmonster“ knödelt und zuvor alle auffordert, sich mit aus den Autofenstern gestreckten Armen einen Urlaubsflug vorzustellen, gewinnt die Ironie. Auch der neue Song „Scooterman“, der mit einem gescheiterten Anruf bei H. P. Baxxter kokettiert, bedient sich eher kichernd an dessen Popularität – und Scooter beweist in der ebenfalls neuen Kollaboration „Bassdrum“ ausreichend Selbstironie, sich darauf einzulassen. „Der letzte echte Macho“ und das neue „Lass mich wie ich’s mag“ strotzen so überdreht vor toxischer Männlichkeit, dass sie nur entstanden sein können, um darüber loszuprusten. Das Publikum hat offensichtlichen Spaß an der Paradoxie, sich mitreißen und zugleich veräppeln zu lassen. Galerie: Fotos vom Finch-Asozial-Konzert in Hannover: Rebellion gegen Corona-Regeln: Und Finch Asozial setzt noch einen drauf, indem ausgerechnet er sich als Identifikationsfigur für jene anbietet, die sich von „denen da oben“ veralbert fühlen. Er inszeniert immer wieder kleine Rebellionen gegen die Hygieneregeln, indem er zum Beispiel sein Publikum für kurze Zeit zum Feiern aus den Autos lockt – und suggeriert, die Einschränkungen seien statt notwendiger Maßnahmen gegen eine reale Pandemie nur eine beliebige Gängelei durch die Politik. Das passt ganz ausgezeichnet zu „Kurzurlaub“, einer Müßiggängerhymne, in der Finch Asozial klagt: „Ständig diese Kopfschmerzen, ständig dieser Druck, glaubt mir, ihr macht uns kaputt.“ Er ist eben doch keiner von den bösen Rappern, wie er in „Richtig Saufen“ erklärt: „Wir sind keine Gangster wir sind Säufer mit Herz.“ Wehowsky macht keinem was vor, der das nicht will. Im Song „Eskalation“ rappt er sein Manifest: „Ich klatsche zweimal in die Hände und die Dorfdisko tanzt.“ Das funktioniert auch mit Ansage hervorragend. Musikalisch geht es übrigens am Donnerstag, 25. Juni, weiter mit der Autokultur. Dann gastiert Joey Kelly ab 20 Uhr auf dem Schützenplatz. Von Thomas Kaestle