Glosse zum Streit um Denkmale: Kann man das Hamburger Bismarck-Monument nicht einfach einstürzen lassen?

Mit den Denkmälern ist es gerade nicht so einfach. Sie sind Zumutungen der Vergangenheit. Frühere Generationen zwingen die nachfolgenden Generationen, sich mit ihren Helden, ihren großen Männern (meist sind es ja nur Männer) auseinanderzusetzen. Wer ein Denkmal errichtet, greift in die Zukunft. Manchmal ist den Zukünftigen dieser Griff aus der Vergangenheit aber unangenehm. Zweifel an den Helden früherer Zeiten: Weltweit fallen gerade Denkmäler. Rassisten, Sklavenhändler oder Kriegsherren, die für eine Sache gekämpft haben, die uns nun falsch erscheint, werden allerorten vom Sockel gerissen. Das ist einerseits unheimlich, weil man in solchen Aktionen mit einigem Recht eine gewisse Geschichtsblindheit erkennen kann – die Vergangenheit soll nicht mehr sichtbar sein, also wird sie entsorgt. Andererseits ist es auch befreiend. Es hat so einen revolutionären Elan – die Gegenwart befreit die Zukunft von den Zumutungen der Vergangenheit. Wir sehen heute vieles anders und wollen deshalb vieles nicht mehr sehen. Wir zweifeln an den Helden früherer Zeiten. Vielleicht gibt es genauso so viele ernsthafte, kluge, bedenkenswerte Gründe dafür, Denkmäler stehen zu lassen, wie dafür, sie abzureißen. Aber vielleicht gibt es auch einen dritten Weg. Größtes Bismarck-Denkmal weltweit: In Hamburg haben jetzt etwa 300 Demonstranten gegen die Sanierung des Bismarck-Denkmals oberhalb der Landungsbrücken protestiert. Die Kundgebung fand als Teil der weltweiten Black-Lives-Matter-Proteste statt. Redner forderten den Stopp der seit Anfang 2020 laufenden Sanierung des Denkmals, die etwa 9 Millionen Euro kosten dürfte. Das Hamburger Bismarck-Denkmal ist 34,3 Meter hoch und gilt als das größte Bismarck-Denkmal weltweit. Die Statue des ersten deutschen Reichskanzlers ist 14,8 Meter hoch. Der Sockel wurde im Zweiten Weltkrieg zum Luftschutzbunker ausgebaut und genutzt. Durch die Betonlast der Einbauten entstanden im Laufe der Jahrzehnte Risse in den Mauern, die Figur drohte, sich zu neigen. Deshalb ist nun eine Sanierung erforderlich. Angenommen, man ließe nun die Finger davon. Dann würde sich das Monument irgendwann neigen und zusammenstürzen. Es wäre ein Denkmalsturz ohne Revolution. Die Zeit hätte das Denkmal zu Fall gebracht. Das wäre dann ein Denkmal für die Grenzen allen menschlichen Strebens. Vielleicht nicht schön, aber bedenkenswert allemal. Lesen Sie auch: Farbattacke auf Bismarck-Denkmal in Hamburg Von Ronald Meyer-Arlt