Kulturhauptstadt: Jury begründet Entscheidung gegen Hannover

Bei der Verkündung des Ergebnisses per Videokonferenz im Oktober hat man nicht viele Worte gemacht. Statt zu sagen, welche deutsche Stadt sich mit dem Titel Europäische Kulturhauptstadt 2025 schmücken darf, hat Sylvia Amann, die österreichische Vorsitzende der internationalen Jury, zunächst nur einen Zettel in die Kamera gehalten: Chemnitz. Nun hat das Gremium weiter ausgeholt und auf 23 Seiten schriftlich dargelegt, warum die Entscheidung so gefallen ist – und warum Hannover und die übrigen Mitbewerber Hildesheim, Nürnberg und Magdeburg leer ausgegangen sind. Keine warmen Worte mehr: Dabei ist der Tonfall durchaus harsch. Offenbar war man der Meinung, dass einen Monat nach Ende des langwierigen Wettbewerbs genug warme Worte darüber gefallen sind, wie viel die einzelnen Bewerberstädte jeweils erreicht hätten, wie stark die Konkurrenz und wie groß der Nutzen für alle Teilnehmer gewesen sei. Stattdessen erinnert die Jury jetzt daran, dass Hannover bei der Expo 2000 ja bereits bewiesen habe, dass die Stadt ein großes nationales und internationales Publikum anziehen kann. Aufgrund der vorgelegten Bewerbung zur Kulturhauptstadt sei der Stadt nun aber nicht zuzutrauen, diesen Erfolg zu wiederholen. Das Programm sei zwar kreativ und „professionell entwickelt“ – trotzdem hegen die Juroren und Jurorinnen Zweifel an der Machbarkeit von zentralen Projekten, weil zu wenig Details dazu angeführt seien. Außerdem werde die „Gesamtbotschaft“ Hannovers nicht klar. Wo fehlt die Konstanz? Nicht alle Argumente der Jury lassen sich ohne Weiteres nachvollziehen. Dass die Politik in Stadt und Region die Bewerbung jederzeit unterstützt habe, sei zwar positiv aufgefallen, heißt es in dem Bericht. Dennoch sei es wegen häufiger Wechsel der „lokalen Regierung“ unglaubwürdig, dass mögliche Eingriffe in die Verkehrsinfrastruktur umsetzbar seien. Welche Wechsel damit gemeint sind, wird nicht deutlich – im Bid Book, der Bewerbung, wird im Gegenteil gerade die zu erwartende Konstanz der politischen Verhältnisse mit Hinweisen auf die noch langen Amtszeiten des Oberbürgermeisters und der Kulturdezernentin betont. Bei den Verkehrsprojekten könnte etwa die geplante Sperrung der Raschplatzhochstraße gemeint sein. Die „Mobila Agora“, die entlang des Cityrings an wechselnden Standorten geplant war, stößt zudem aufgrund einer weiteren erstaunlichen Argumentation auf Ablehnung: Das Projekt könne als „Bedrohung für das reguläre kulturelle Leben angesehen werden“, heißt es in der Jurybegründung. Mangelnde Zusammenarbeit? Mehrfach taucht der Vorwurf auf, bei der hannoverschen Bewerbung sei nicht eng genug mit den kulturellen Institutionen der Stadt zusammengearbeitet worden. Tatsächlich war die Vernetzung der Kulturschaffenden aber wohl eher eine Stärke der Bewerbung. Immerhin sind rund 100 Institutionen mit konkreten Projekten im Bid Book erwähnt: Oper, Schauspiel, Radiophilharmonie und Sprengel-Museum ebenso wie viele Gruppen der freien Szene in Stadt und Region. Eigentlich hätten diese keineswegs selbstverständlichen Kooperationen spätestens beim digitalen Stadtbesuch Anfang Oktober offensichtlich werden müssen, der wesentlich von Staatsballett und Schauspiel sowie freien Theatermachern gestaltet wurde. Das angegebene Budget, über das man in Hannover lange gerungen hatte, erschien der Jury immerhin „solide“. Die Idee, Teile der Zuschüsse vom Bund im Falle eines Sieges mit den unterlegenen Bewerberstädten zu teilen, wurde dagegen kurzerhand als „unrealistisch“ eingestuft. Bemängelt wurde außerdem, dass die Verbindung zwischen der Bewerbung und dem Kulturentwicklungsplan, der im Zuge der Bewerbung im April vom Rat beschlossen wurde und eine Strategie für das Kulturleben der Stadt bis 2030 aufzeigen soll, „nicht angemessen präsentiert“ worden sei. Interesse aus anderen Städten: Im Kulturausschuss am Freitag im Neuen Rathaus konnten Inga Samii und Melanie Botzki vom hannoverschen Bewerbungsteam dagegen von ganz anderen Reaktionen berichten. Trotz des verpassten Titels gebe es derzeit viel Interesse am Konzept und einzelnen Projekten der Bewerbung. Anfragen von Städten, die gerade selbst im Bewerbungsverfahren stecken oder eine Bewerbung planen, habe es bereits aus der Slowakei und aus Kroatien, aus Finnland, Italien und Portugal gegeben. Kulturdezernentin Konstanze Beckedorf kündigte derweil einen „Plan B“ an. Derzeit arbeite die Stadt daran, ein Konzept zu erstellen, das konkret darstelle, welche Ideen aus der Bewerbung weiter verfolgt werden sollen. Die offizielle Begründung zum verpassten Titel kommentierte sie nur mit einem knappen Satz: „Die Jury war gegenüber unserem neuen Ansatz nicht so aufgeschlossen.“ Lesen Sie auch: Kulturhauptstadt Hannover: Was bleibt von den Plänen? Von Stefan Arndt und Andreas Schinkel