Literarischer Salon: Deniz Ohde liest aus „Streulicht“

Im neuen Podcast-Format des Literarischen Salons hat Deniz Ohde am Donnerstag ihren im August erschienenen Debütroman vorgestellt. Mit Moderatorin Insa Germerott sprach die Autorin über ihr Buch „Streulicht“ und las Auszüge daraus vor. In dem Roman erzählt Ohde von dem Bestreben eines Mädchens aus der Arbeiterklasse, in der Bildungs- und Leistungsgesellschaft dazuzugehören. In der Lesung wurde deutlich, wie schwierig es ist, Chancengleichheit zu erreichen. Ohde hat selbst erlebt, wie es ist, am deutschen Bildungssystem zu scheitern. Der Roman weist Parallelen zu ihrer eigenen Vergangenheit auf. Die Geschichte wird aus der Perspektive einer namenlosen Ich-Erzählerin geschildert. „Im Nachhinein ärgere ich mich, dass die Erzählerin keinen Namen hat, weil jetzt alle denken, ich würde mich damit meinen“, sagt Ohde während der Lesung. „Streulicht ist nicht autobiografisch.“ Unsichtbare Codes verstehen: Und doch gelingt es Ohde, über die Protagonistin so zu sprechen, als würde sie sie sehr gut kennen. In dem Roman bekommt die Ich-Erzählerin immer wieder das Gefühl vermittelt, nicht dazuzugehören. So auch an einer von Ohde vorgelesenen Passage, in der Lehrer hervorheben, dass ihre Schülerinnen und Schüler am Gymnasium zur Elite gehören. „Die Erzählerin versteht gar nicht, was es eigentlich bedeutet, zu Elite zu gehören“, erklärt Ohde. „Sie versteht die Bedeutung des Wortes nicht – und nicht, wie man sich dann zu verhalten hat.“ Das Wissen über Verhalten bezeichnet Ohde im Gespräch auch als „unsichtbare Codes“. Der Grund, weshalb die Erzählerin in der Schule nicht zurechtkomme, sei, dass ihr „unsichtbare Codes“ fehlten, erklärt die Autorin. „Sie versteht Bildung nicht als das, was es tatsächlich ist, sondern denkt: Bildung ist, diese Codes zu verstehen und sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten.“ Das sei auch der Grund, weshalb das mit dem Bildungsroman schiefgehe: „Weil sie sich nicht durch Bildung weiterentwickeln kann. Weil sie ein total gestörtes Verhältnis zu Bildung mitbekommen hat.“ Lesen Sie auch: Neues Buch über Rechtsextremismus im Kampfsport Susanne Götze und Annika Joeres: Die Klimaschmutzlobby im Literarischen Salon Hannover: Tarik Tesfu und Thelma Buabeng zu Gast im Literarischen Salon „Ungerechtigkeiten muss man aushalten“: Moderatorin Germerott wirft im Gespräch auch die Frage auf, weshalb die Ich-Erzählerin keine Unterstützung aus ihrem Umfeld erfahre, als Mitschüler sie diskriminieren. Auch nicht von Menschen, die ihr nahestünden. „Zumindest bei der Familie hat das auch mit einer grundlegenden Lebenseinstellung zu tun. Sowohl die Mutter als auch der Vater sind der Meinung: Ungerechtigkeiten sind was, was man aushalten muss“, erklärt Ohde. Die Familie versuche dadurch, Stärke zu demonstrieren, dabei trete genau das Gegenteil ein. Die Erzählerin lerne, dass sie sich nicht wehren soll. Der Podcast ist auf der Seite des Literarischen Salons weiterhin kostenlos verfügbar. „Streulicht“ ist im Suhrkamp-Verlag erschienen, die gebundene Ausgabe kostet 22 Euro. Ein E-Book ist ebenfalls verfügbar. Von Thea Schmidt