Werner Sobek im Literarischen Salon in Hannover über nachhaltiges Bauen

Werner Sobek ist ein Pionier: Vor 29 Jahren hielt der Bauingenieur und Architekt die, wie er sagt, „weltweit erste Vorlesung über recyclinggerechte Architektur“ an der Universität Hannover. „Es gab kein einziges Handbuch zu diesem Thema“, sagt er im Gespräch mit Moderator Joachim Otte vom Literarischen Salon in einem Podcast, der jetzt auf Youtube zu hören ist. Im Jahr 1998 habe er dann mit der Entwicklung des allerersten Hauses nach dem Prinzip Triple Zero begonnen – Bauen mit null Abfall, null Emissionen und null Verbrauch fossiler Energien. Zwei Jahre später baute Sobek dieses Haus in Stuttgart, nannte es „R128“ und wohnt seither darin. Im selben Jahr gründete er an der Universität Stuttgart ein Institut für Leichtbau, wo er die Forschung an Minimierungstechnologien vorantreibt. Er führe einen beständigen interdisziplinären Diskurs mit sich selbst, sagt er – zwischen Berechnung und Ästhetik: „Ich habe mein ganzes Leben der Suche nach dem Schönen gewidmet.“ Wer in Hannover eines der Ergebnisse besichtigen möchte, sollte am ZOB nach oben sehen und dessen sanft schwebendes Dach studieren. Mit seinen Ideen für Ressourcenschonung, Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit ist Sobek inzwischen weltweit als Experte gefragt: Die Werner Sobek AG beschäftigt 360 Mitarbeiter an zehn internationalen Standorten. Vieles, worüber Otte mit seinem Gast redet, ist längst Architekturgeschichte. Vor allem, wenn es um Sobeks eigenes Triple-Zero-Haus geht, mit dem der sich seinen Traum erfüllte, zu leben „wie in einer Seifenblase“: mitten im Grünen, in einem einzigen, riesigen, vollverglasten Raum, der sich über vier Stockwerke zieht. Werner Sobek: Haus ist zu 95 Prozent recyclebar: Es sei sein Gegenentwurf zum Passivhausstandard mit seinen kleinen Fenstern gewesen, sagt Sobek. Und doch sei es so verantwortlich gebaut, wie vor gut 20 Jahren möglich. Es wiege nur 15 Prozent eines konventionell gebauten Pendants, sei zu 95 Prozent recyclebar, sei ein Nullenergiehaus mit 160 Quadratmetern Fotovoltaik und die Dämmqualität der Verglasung entspreche etwa 18 Zentimeter dickem Styropor. Das sei doch alles viel zu teuer für die Mehrheit der Menschen, wirft Otte ein. Langfristig, gibt Sobek zu bedenken, sei es sogar preisgünstiger. Hier können Sie das Gespräch mit Werner Sobek anhören: Das globale Problem beim Bauen sei ein anderes, sagt er und ist plötzlich ganz im Heute: „Wir müssen mit weniger Baustoffen für mehr Menschen bauen.“ Dafür gelte es, neue Materialien zu entwickeln und vorhandene sinnvoller einzusetzen: „Wenn wir endlich eine perfekte Kreislaufwirtschaft für das Bauwesen etablieren, haben wir keine Materialarmut mehr.“ Sobek bleibt angesichts der großen Herausforderungen wie Klimawandel und Überbevölkerung zwar skeptisch, hält aber an der Notwendigkeit von Hoffnung und Visionen fest: „Wir brauchen ein Feuer am Horizont.“ Das Programm des Literarischen Salons soll im April fortgesetzt werden – in welchem Format ist noch offen. Von Thomas Kaestle