Man hatte die Wahl. Entweder klar und bsssssssss oder dumpf und bschschschsch. Wer sowieso nur einen alten Kassettenrekorder hatte, war mit klar besser bedient, weil man das bssssssss aus der Box sowieso nicht so hörte. Aber wer einen Stereoturm hatte oder das holzfurnierte Flachmodell mit Rauchglasabdeckung und dazu schicke flechtvergitterte Dreiwegeboxen, für den war jedes bsssssssss, das die C90-Chromdixid-II-Kassetten von BASF oder TDK produzierte, ein Graus! Aber es gab diese Taste mit dem Doppel-D-Logo, eines richtig, das andere falsch herum. „Dolby“ stand daneben. Es war die Zaubertaste, mit der die leisen Passagen von „Stairway to Heaven“ nicht so klangen, als ob Jimmy Page im Regen spielte. Wer Dolby hatte - A, B oder später C -, hatte nun die Wahl, in den wilden siebziger Jahren, in denen Rauschunterdrückung ansonsten ein Schimpfwort war. Wollte man es weghaben, schaltete man Dolby ein, bevor man Aufnahme- und Playtaste drückte. Bei der Wiedergabe musste für maximale Minimierung des bsssssss die Dolbytaste gedrückt bleiben. Die mit den alten Dumpfradiorekordern nahmen den Filter bei der Wiedergabe raus, um die Höhen anzuheben. Dann stand Page halt im Regen, aber man hörte wenigstens was.
Nun ist der Erfinder und Namensgeber dieser so weitreichenden Technologie tot. Ray Dolby starb im Alter von 80 Jahren in San Francisco. Der in Portland im US-Bundesstaat Oregon geborene Ingenieur hat nahezu 50 hörbare, teils oscarprämierte Erfindungen patentieren lassen, ohne die Musikhören und Kinobesuche heute anders wären. Nicht nur dem Rauschen hatte Dolby den Kampf angesagt, als er 1965 seine erste Firma gründete. Er wollte, dass die Welt im Kino möglichst so klingt wie in echt. Stanley Kubricks „A Clockwork Orange“ war der erste Film mit Dolby-Ton, ab 1974 kamen die Töne dann von allen Seiten - ohne dass die Kinos ihre Musikanlagen austauschen mussten. Dolby schaffte es, einen Vierkanalton (links, rechts, vorne, hinten) auf eine Stereospur zu kodieren, im Kino konnte ein Dekoder erstmals daraus echten Raumklang zaubern und den Kinobesucher rundherum glücklich machen. Mittlerweile sind Kinosäle digitale Technikmonster, mehrdimensional auf allen Ebenen. Ohne Dolby wär das nicht passiert - oder anders.
Auf vielen dieser Ebenen spielte Ray Dolby bis zuletzt mit. Dolby Surround, Dolby Pro Logic, Dolby Digital oder Dolby True HD verbesserten das Kinoerlebnis weiter. Das letzte Projekt stellte seine Firma, die Dolby Laboratories, im vergangenen Jahr im Dolby Theatre in Hollywood vor: „Atmos“ ermöglicht es, einen Raumklang auf unendlich viele Lautsprecher punktgenau zu verteilen, die derzeitige Version unterstützt 128 Tonspuren. Und es wird nicht das letzte Klangwunder sein, das den Namen Dolby trägt.
Pionier Ray wird das verpassen. Aber nicht jeder kann von sich behaupten, der Welt einen guten Ton geschenkt zu haben. Rauschfrei, versteht sich.