Im Bann von Corona: So ist die Lage von Hannovers Ärzten und Rettern

Seit Wochen sind Ärzte, Pflegebeschäftigte und Retter in der Region wegen der Corona-Krise im Ausnahmezustand – obwohl der Höhepunkt lange noch nicht erreicht ist. Dabei ist die Situation für die einzelnen Disziplinen sehr unterschiedlich: Während die Kliniken die Zeit nutzen, sich auf eine Welle von Corona-Patienten vorzubereiten, geraten Hausärzte bereits an ihre Grenzen. Während die Region Hannover derzeit in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr die Errichtung einer Behelfsklinik auf dem Messegelände vorbereitet, wird in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) derzeit ein halbes Dutzend Corona-Patienten betreut. „Bei drei weiteren ist noch nicht abschließend geklärt, ob sie sich infiziert haben“, sagt MHH-Sprecher Stefan Zorn. Die Uni-Klinik sei daher derzeit nicht gerade überlastet. „Wir nutzen diese eher ruhige Zeit jetzt, die MHH von dem Regel- in den Notfallbetrieb zu überführen“, sagt Zorn Vorbereitungen auf den Ansturm: Der Notfallplan sehe vor, weitere Intensivbetten und Beatmungsgeräte anzuschaffen und die Klinik in Stufen umzustellen, „um dann auf die Bedürfnisse steigender Patientenzahlen reagieren zu können“, so Zorn. Die 150 Intensivbetten sollen aufgestockt werden, zudem auch die Beatmungskapazitäten „Das alles nutzt allerdings nur wenig, wenn das Personal fehlt“, betont der Sprecher. Die Hochschule sei ihren Ärzten und Pflegern daher ungemein dankbar, „dass sie in solchen Zeiten zur Arbeit kommen“. Der Regelbetrieb ist an der MHH derzeit deutlich heruntergedimmt. „Weil die gesellschaftlichen Aktivitäten heruntergefahren sind, gibt es etwa auch weniger Einsätze für Rettungshubschrauber oder Notfallwagen“, sagt Zorn. Die Einsätze seien spürbar zurückgegangen. „Schlägereien müssen seltener geschlichtet und kaum noch betrunkene Personen eingesammelt werden.“ Zahl der Corona-Patienten steigt: Eine langsame, aber stetige Zunahme an Corona-Patienten verzeichnet das Klinikum der Region (KRH). „Derzeit haben wir elf Menschen mit nachgewiesener Infektion“, sagt KRH-Sprecher Steffen Ellerhoff. Die Zahl der Verdachtsfälle liege allerdings höher. Das KRH erwarte eine Zunahme der bestätigten Fälle, so Ellerhoff. „Wir bereiten alles vor.“ Das Hauptaugenmerk liege darauf, Mitarbeiter einzuteilen und zu schulen. „Die Normalstationen stehen, und auf der Intensivstation werden die Kapazitäten erweitert.“ Im KRH herrsche gespannte Ruhe, sagt Ellerhoff. „Wir schauen von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde und bereiten uns mit aller Ernsthaftigkeit vor.“ Ähnlich ist es bei den Kliniken von Diakovere. „Stand Dienstag haben wir neun bestätigte Covid-19-Patienten, davon drei auf der Intensivstation“, sagt Sprecherin Dunja Rose. In den Häusern gebe es derzeit insgesamt 26 Intensivbetten. Derzeit werde überprüft, wie bedarfsgerecht aufgebaut werden könne. „Fachlich und personell sind wir gerüstet und auf einen zu erwartenden Anstieg der Fälle sehr gut vorbereitet.“ Die Mitarbeiter können sich auf diese Zeit derzeit noch mit etwas Entspannung vorbereiten „Wir haben weniger zu tun als sonst“, so eine Medizinerin, Überstunden und Resturlaube könnten genommen werden. Bislang seien auch die Osterurlaubspläne noch nicht gefährdet. „Aber es kann ja ohnehin niemand verreisen, da sollten wir alle auch arbeiten.“ Bei den Hausärzten wird es eng: Bei den Hausärzten dagegen spitzt sich die Lage erheblich zu. Rund die Hälfte der allgemeinmedizinischen Praxen in Hannover und in Niedersachsen habe derzeit weder Schutzmasken noch andere Schutzkleidung, sagt Hausarzt Matthias Berndt aus Hannover. „Aber ohne Schutzmasken können Patienten mit Corona-Verdacht nicht behandelt werden.“ Deshalb hat der Verband der niedersächsischen Hausärzte, dessen Vorsitzender Berndt ist, dazu aufgerufen, Schutzmasken zu nähen. Der Aufruf richtet sich sowohl an die Ärzte und die Praxismitarbeiter, als auch an Freiwillige. Auf seiner Internetseite hat der Verband Nähanleitungen veröffentlicht, die mit Hygieneexperten abgestimmt worden seien, berichtet Berndt. Schutzmasken zum Selbernähen: „Wenn Arzt und Patient solch eine Schutzmaske tragen, hat man zwei Filter“, sagt er. Das Ganze sei nicht perfekt, aber besser als gar nichts. Zum Vergleich nennt Berndt einen Regenschirm: „Besser ich habe einen Schirm mit zwei oder drei Löchern, als gar keinen.“ Die Ärzte und Pflegedienste würden sich freuen, wenn genähte Masken bei ihnen abgegeben würden. Um Schutzkleidung zu sparen, gingen derzeit immer mehr Praxen dazu über, getrennte Sprechstunden einzuführen, berichtet er. An den Vormittagen kämen die Patienten zum Beispiel mit Herzproblemen oder Diabetes, am Nachmittag dann mit Erkältungskrankheiten und mit Verdacht auf Infektion durch das Coronavirus. Dadurch wollen die Hausärzte die anderen Patienten vor einer Infektion bewahren. Berndt forderte das Land dazu auf, über eine Neuverteilung der Schutzmasken nachzudenken. Denn immer mehr Patienten mit Corona-Verdacht meldeten sich bei den Hausärzten. Bisher hätten die Testzentren Priorität. „Wir können aber unsere Patienten nur untersuchen, wenn wir auch in den Praxen Schutzausrüstung haben“, sagt der Mediziner. „Christoph 4“ ist jederzeit bereit: Auch der Rettungsdienst in Hannover ist in Corona-Zeiten stark gefordert. Das Personal muss damit rechnen, jederzeit mit dem Virus in Kontakt zu kommen. Entsprechend vorbereitet sind die Kräfte, beispielsweise die Besatzung des zwingend einsatzbereit zu haltenden Rettungshubschraubers „Christoph 4“ ist nur mit Mund- und Augenschutz unterwegs. Und die Ausnahmesituation zehrt an den Kräften. Allein die schul- und kitafreie Zeit führt zu der Frage, wie auch das Rettungswesen aufrecht erhalten bleiben kann. „Wir sind bezüglich der Notbetreuung von Kindern unserer Einsatzkräfte in Kontakt mit dem für die städtischen Kindertagesstätten zuständigen Fachbereich Jugend und Familie“, sagt Feuerwehrsprecherin Vanessa Tuchs. „Das hat dazu geführt, dass es dahingehend keine Einschränkungen bezüglich unserer Einsatzbereitschaft gegeben hat.“ Zwei Rettungsdienstler in Quarantäne: Doch auch die Einsätze selbst sind anstrengend. „Die Belastung ist da“, heißt es aus Rettungsdienstkreisen. Das betreffe vor allem die allgemeine Unsicherheit, ob das Gegenüber ansteckend ist oder nicht. Nach HAZ-Informationen gibt es im Umland zudem zwei Verdachtsfälle im Personal, die Mitarbeiter stehen nun unter Quarantäne – und fehlen dementsprechend auch im Dienstplan. Eine besondere Schutzmaßnahme scheint die Crew des Rettungshubschraubers „Christoph 4“ ergriffen zu haben: Das Team fliegt derzeit offenbar grundsätzlich mit Mund- und Augenschutz zu Einsätzen. Auch beim Lkw-Unfall auf der A7 am Dienstagmittag waren die Rettungskräfte nur mit dieser Ausrüstung unterwegs. Bei der Schutzkleidung sieht es insgesamt noch gut aus. Aber: Wegen der enormen Nachfrage „sind Engpässe absehbar“, heißt es von Rettungsdienstmitarbeitern. Hinzu kämen Kostensteigerungen durch teurer gewordene Produkte. Zudem musste der Regelrettungsdienst nach HAZ-Informationen zum Auffüllen der Reserven mitunter schon das Material der Schnelleinsatzgruppen (SEG) nehmen. Diese SEG-Einheiten sind für Ernstfälle gedacht, wenn zusätzliche Kräfte benötigt werden. Deshalb sei schon jetzt regelmäßig Thema, wie wohl bei einem tatsächlichen Mangel vorzugehen ist. 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