Kommentar zur Corona-Pandemie: Schont die Nerven

Eine weitere Woche der Coronazeit geht zu Ende. Es war eine der tubulenteren. In den politischen Diskussionen, in den Warnungen aus der Forschung und auch in alltäglichen Gesprächen ist die Gereiztheit nun unübersehbar. Keine Spur mehr von der Gelassenheit im Umgang mit dem Unvermeidlichen, die rund um den Jahreswechsel noch zu spüren war. Sie ist der Einsicht gewichen: Es wird dauern. Über den restlichen Winter hinweg, das Frühjahr hindurch – und was aus dem Sommer wird, kann auch niemand seriös sagen. Die Pandemie wird unser Leben, unsere Arbeit, unser Miteinander mit Familie und Freunden noch auf unbestimmte Zeit prägen. Sie schert sich nicht um Lockdown-Termine, Berliner Konferenzen oder das Wetter. Sondern holt mit Mutationen des Virus möglicherweise erstmal zum nächsten Schlag aus. Diese Aussicht nervt. Wir sind nicht in China: Da ist es kein Wunder, dass sich Meinungen, Ansichten und Standpunkte verhärten. Dass die Sehnsucht nach der Ruck-Zuck-Lösung nach asiatisch-autoritärem Vorbild wächst. Die Pandemiemüdigkeit senkt die Bereitschaft, zuzuhören und miteinander an Strategie und Taktik für die nächsten Wochen und Monate zu arbeiten. Das jedoch können wir uns nicht leisten. Wir sind nicht in China – und niemand, der bei Sinnen ist, wird versuchen, das dortige Pandemie-Management auf Deutschland und Europa zu übertragen. Gegen ein solches Regime wären die Einschränkungen von Rechten, die wir derzeit erleben, nur Fingerübungen. Das sollten sich auch alle Forscherinnen und Forscher verdeutlichen, die jetzt von „Zero Covid“ sprechen. Wer den totalen Lockdown fordert, muss immer auch bedenken, was nach dessen Ende von unserem Land noch übrig wäre. Deutschland ist auch keine Insel wie etwa Neuseeland, sondern ein vielfach verflochtenes Land, das man nicht einfach abschließen kann. Niedersachsen muss besser werden: Unser Corona-Weg wird kurvig und unübersichtlich bleiben. Es ist richtig, immer wieder neu zwischen Schutz der Gesundheit und Respekt vor der Freiheit abzuwägen. Es liegt jetzt wesentlich an der Politik, hier klug zu entscheiden und immer wieder zu erklären, was wann und warum geschieht. Dieses Management allerdings muss dann auch besser, einheitlicher und vor allem strategischer werden. Vom Handwerk ganz zu schweigen. Dass etwa Niedersachsen nicht in der Lage sein soll, Briefe leidlich unfallfrei zu verschicken, Impfungen auf dem Niveau von Mecklenburg-Vorpommern zur organisieren oder endlich an den Schulen für Klarheit zu sorgen, ist kaum noch zu verstehen. Wie im übrigen auch der penetrante Hinweis aus jedem Bundesland, man selbst habe ja alles besser gemacht als die Kollegen. Das alles kostet nur zusätzlich Nerven. Dabei brauchen wir die noch. Schon nächste Woche. Von Hendrik Brandt