Dem Ministerium zufolge wird es damit immer unwahrscheinlicher, dass die Quelle der Infektionswelle schnell schlüssig bewiesen werden wird. „Ein kurzfristiger Abschluss der Untersuchungen und der Kontaminationsabklärung ist nicht zu erwarten“, hieß es am Montag.
Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) hält jedoch weiterhin an dem Verdacht fest. „Unsere Kausalkette ist wasserdicht und plausibel. Sie reißt nicht ab“, sagte ein Sprecher. Es sei nicht auszuschließen, dass vor Wochen eine Ladung Saatgut kontaminiert war, die längst verbraucht wurde. Den Vorwurf, Niedersachsen sei mit der Warnung vor Sprossen aufgrund von Lieferwegen vorschnell vorgeprescht, wies ein Ministeriumssprecher zurück: „Wir müssen die Verbraucher davor warnen, etwas Lebensbedrohliches zu essen.“
Die Verbraucherzentrale Niedersachsen fordert als Konsequenz aus der vielstimmigen Informationspolitik der vergangenen Tage Änderungen der Zuständigkeiten im Lebensmittelbereich. „Wir brauchen bei Krisen eine nationale Koordinierung der Zuständigkeiten“, sagte Verbraucherschützerin Hedi Grunewald am Montag gegenüber dieser Zeitung. Es sei für Verbraucher irritierend, wenn Landesbehörden, Bundesregierung und Bundesstellen wie das Robert-Koch-Institut jeweils eigene Ergebnisse präsentierten. „Der Verbraucher erwartet, dass die Behörden mit einer Stimme sprechen.“
Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, der hannoversche Arzt Prof. Reinhard Brunkhorst, äußerte Kritik am Krisenmanagement. „Ich sehe nicht, dass der Föderalismus bei solch einer länderübergreifenden Epidemie Vorteile hat“, sagte Brunkhorst. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) verteidigte in Berlin die Arbeit der Behörden. „Bund und Länder arbeiten Hand in Hand, und das rund um die Uhr“, sagte sie. Die Suche nach dem Erreger gestalte sich als „schwieriges Puzzlespiel“.
Brunkhorst hält einen Zusammenhang zwischen der EHEC-Epidemie und dem Verzehr von Sprossen trotz negativer Laborergebnisse für naheliegend. Der Chefarzt des Oststadt-Krankenhauses in Hannover befragte am Montag alle seine 18 Patienten, die unter dem HUS-Syndrom leiden, einer schweren Ausprägung des EHEC-Erregers. 16 von ihnen, darunter drei Vegetarierinnen, hätten sich erinnert, unlängst Sprossen gegessen zu haben.
Dirk Schmaler, Stephan Fuhrer und Gunnar Menkens