Die tatsächliche Zahl der Todesopfer, die bei der Erdbebenkatastrophe in Haiti ums Leben kamen, liegt aber noch weitaus höher als die bestätigten 150.000, da darin weder die Opfer außerhalb der Hauptstadt noch die Toten, die von ihren Angehörigen verbrannt oder sofort beerdigt wurden, enthalten sind.
Bei der Bekanntgabe der neuesten offiziellen Opferzahl bezog sich die haitianische Kommunikationsministerin Marie-Laurence Jocelyn Lassegue auf das staatlichen Unternehmen CNE, das für die Bestattung der Leichen aus dem Großraum Port-au-Prince in einem Massengrab nördlich der Hauptstadt zuständig ist.
Die Suche nach Verschütteten ist inzwischen offiziell eingestellt worden, doch wie durch ein Wunder konnte am Wochenende noch ein Überlebender aus den Trümmern geborgen werden. Der 23-Jährige wurde am Samstag, elf Tage nach dem verheerenden Erdbeben in dem Karibikstaat, in einem eingestürzten Lebensmittelladen gefunden. Im Krankenhaus berichtete Wismond Exantus, er habe sich bei dem Beben unter einen Tisch geflüchtet. In diesem engen Raum habe er auf dem Rücken liegend ausgeharrt und mit Hilfe von Cola, Bier und Keksen überlebt.
„Gott hat mich in seinen Armen geborgen“, sagte Exantus. „Er hat mir Kraft gegeben.“ Rettungskräfte werteten seine Geschichte als Ermutigung, die Suche nach Verschütteten fortzusetzen: „Das Leben hört nicht auf, wenn eine Regierung sagt: ’Hört auf’“, sagte ein Mitarbeiter eines französischen Rettungsteams. Die haitianische Regierung hatte zuvor erklärt, angesichts schwindender Hoffnung für die Verschütteten solle ab sofort die Versorgung der Überlebenden im Mittelpunkt der internationalen Hilfe stehen.
Seit dem Erdbeben am 12. Januar wurden nach Angaben der Vereinten Nationen rund 130 Verschüttete gerettet.
Während die meisten Opfer in Massengräbern bestattet wurden, kamen am Samstag rund 2.000 Menschen zur Beerdigung des Erzbischofs von Port-au-Prince zusammen. Das Begräbnis von Monsignor Joseph Serge Miot war eine von wenigen Trauerfeiern seit der Katastrophe, viele Teilnehmer beweinten bei dieser Gelegenheit auch ihre getöteten eigenen Verwandten.
Die haitianische Handelskammer schätzt, dass sich der wirtschaftliche Schaden infolge des Bebens auf bis zu eine Milliarde Dollar belaufen könnte. Für zahlreiche Menschen geht es derweil immer noch ums blanke Überleben - auch für diejenigen, die keine äußeren Verletzungen davongetragen haben. Weil das Warenangebot knapp ist, schießen die Preise in die Höhe. Für einige Grundnahrungsmittel wie Reis oder Brot haben sie sich bereits verdoppelt oder gar verdreifacht.
Eine internationale Benefizgala für Haiti mit zahlreichen Topstars brachte am Wochenende mehr als 57 Millionen Dollar (40,3 Millionen Euro) an Spenden ein, wie die Organisatoren mitteilten. Das Benefizkonzert wurde in der Nacht zum Samstag aus New York, London, Los Angeles und Haiti per Fernsehen und Internet in alle Welt übertragen.
Die Bundesregierung stockte ihre Hilfe für die Erdbebenopfer um fünf Millionen Euro auf. Insgesamt betrage die bilaterale Unterstützung damit 15 Millionen Euro, teilte das Entwicklungsministerium am Sonntag mit. Darüber hinaus beteilige sich Deutschland am Engagement der Weltbank und mit 66 Millionen Euro an der Haiti-Hilfe der Europäischen Union. Mit den zusätzlichen fünf Millionen Euro sollen bis zu 1.500 Notunterkünfte errichtet werden.
apd