„Wir haben keinen Millimeter geräumt“, betonte Schleswig-Holsteins neuer Regierungschef Torsten Albig (SPD) als amtierender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz nach einem über zweistündigen Gespräch im Kanzleramt. Wichtigster Punkt war die Haltung der Länder zum europäischen Fiskalpakt. Die Bundesregierung ist auf die Zustimmung der Länder angewiesen, um die Zweidrittelmehrheit für die notwendigen Verfassungsänderungen zu bekommen.
Die Länder bekräftigten ihre Forderung nach einem finanziellen Ausgleich. Die Kanzlerin braucht grünes Licht vor der parlamentarischen Sommerpause, damit sie Fiskalpakt und den europäischen Stabilitätsmechanismus ESM im Doppelpack auf den Weg bringen kann. Die Regierung habe keine Bereitschaft auf zusätzliche Leistungen erkennen lassen, hieß es gestern Abend aus Teilnehmerkreisen.
Allerdings soll weiter auf Expertenebene verhandelt werden. „Wir wollen den Fiskalpakt noch vor der Sommerpause ratifizieren und gehen offen in die Gespräche“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU). Während Regierung und Opposition beim Thema Fiskalpakt Annäherung signalisieren, stellen sich die Länder weiter quer. Die Zustimmung gebe es „nicht zum Nulltarif“, erklärte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU).
Sachsen-Anhalt hat einen Altschuldenfonds für Kommunen ins Gespräch gebracht. Andere Länder wie Bayern und die SPD-regierten Länder favorisieren ein Modell, nach dem der Bund Kommunen die Eingliederungshilfe für Behinderte auf dem Arbeitsmarkt abnimmt. Volumen: 13 Milliarden Euro.
Der Fiskalpakt fordert von Ländern und Kommunen noch stärkere Sparanstrengungen als die nationale Schuldenbremse im Grundgesetz. Niedersachsen fordert deshalb, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu zu regeln. Laut EU-Fiskalpakt soll die Obergrenze für neue Kredite von Bund, Ländern und Kommunen bei 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen.
In einer Regierungserklärung zum Gipfel der wichtigsten Wirtschaftsmächte (G20) kommende Woche verteidigte Merkel ihren umstrittenen Kurs in der Euro-Schuldenkrise. Zugleich warnte sie: „Auch Deutschlands Kräfte sind nicht unbegrenzt.“ Schuldenfinanzierte Wachstumprogramme lehnte die Kanzlerin strikt ab.
Regierung und Opposition wollen den europäischen Fiskalpakt noch in diesem Monat parlamentarisch absegnen. Für die Abstimmungen in Deutschland sollen die Ergebnisse des EU-Gipfels am 28. und 29. Juni in Brüssel abgewartet werden. Der Bundestag soll dann am 29. Juni um 17 Uhr über Fiskalpakt und ESM entscheiden, am selben Tag in einer Sondersitzung auch der Bundesrat.
Frank Lindscheid