Der hessische Verfassungsschützer, der 2006 am Tatort eines Mordes in Kassel war, gehörte mutmaßlich zur rechten Szene. Der Mord an einem 21-jährigen Internetcafé-Betreiber war der letzte in einer bundesweiten Serie, die mutmaßlich auf das Konto der rechten Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund geht. Nach einer Sitzung des Parlamentarischen Gremiums des Bundestags zur Kontrolle der Geheimdienste sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Dienstag in Berlin: "Dieser Mann hat eine offenkundig stark rechte Gesinnung."
Der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes hatte nach damaligen Angaben den Tatort kurz vor dem Mord verlassen. Seine Anwesenheit in dem Internetcafé wurde als zufällig eingestuft. Nach Medienberichten vom Dienstag soll er aber noch während des Mordes 2006 in dem Café anwesend gewesen sein. Einem Bewegungsprofil zufolge könnte er sogar bei sechs der neun Morde aus der Serie in der Nähe des Tatortes gewesen sein. In seinem nordhessischen Heimatort sei der Mann unter dem Spitznamen "kleiner Adolf" bekannt und gelte als Waffennarr, berichtet die "Allgemeine Zeitung" (Mainz/Mittwoch). Das Blatt bezog sich auf Sicherheitskreise. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung nach dem Mord in Kassel seien nicht nur mehrere Waffen, sondern auch Auszüge aus Adolf Hitlers "Mein Kampf" gefunden worden. 2006 war in Berichten nur davon die Rede gewesen, dass ein Buch über Serienmorde gefunden worden sei. Der Mann ist vom Verfassungsschutz suspendiert und arbeitet den Angaben zufolge in einem hessischen Regierungspräsidium.
Die rechtsextreme Gruppe aus Thüringen hatte womöglich noch weitere Unterstützer. "Es gibt Hinweise auf weitere Helfer", sagte Oppermann am Dienstag in Berlin. Mit Rücksicht auf die Ermittlungen könne er jedoch keine weiteren Angaben machen. Der Gruppe haben neben der in Haft sitzenden Beate Zschäpe die beiden tot aufgefundenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angehört. Nach den bisherigen Erkenntnissen soll die rechtsextreme Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) für eine bundesweite Mordserie an acht Türken und einem Griechen in den Jahren 2000 bis 2006, dem Mord an einer Heilbronner Polizistin im April 2007 und für einen Sprengstoffanschlag am 9. Juni 2004 in Köln verantwortlich sein.
Doch eventuell gehen auf ihr Konto noch weitere Anschläge. Oppermann äußerte im Zusammenhang mit der Mordserie erhebliche Zweifel an der Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes. Für ihn sei es unbegreiflich, dass diese "auch noch als Scharfmacher in der neonazistischen Szene vom Staat bezahlt werden".
In Thüringen gibt es offenbar noch keine belastbaren Hinweise darauf, dass der Verfassungsschutz enge Kontakte zu den mutmaßlichen Tätern hatte. "Wir können nicht im Einzelnen bewerten im Augenblick, ob es Kontakte vom thüringischen Verfassungsschutz zu den untergetauchten Tätern gegeben hat", sagte Oppermann. Letztlich könne dies nur unter Auswertung der Thüringer Akten geklärt werden. Ausschließen könne man es aber nicht. Oppermann kündigte zugleich "eigenständige Ermittlungen" an. Defizite sieht der SPD-Politiker vor allem bei den Landesbehörden. "Ich habe das Gefühl gehabt, dass wir insbesondere vom BKA, aber auch vom Bundesamt für Verfassungsschutz gut informiert worden sind." Die Probleme, die sich andeuteten, lägen derweil in der Kooperation der Landesverfassungsschutzämter mit dem Bundesamt für Verfassungschutz. Diese sei "dringend verbesserungswürdig".
frs/dpa/dapd