Corona-Krise: Land will Einzelhandel mit Sonntagsöffnungen ankurbeln

Kann die Sonntagsöffnung von Geschäften dem unter der Corona-Krise leidenden Einzelhandel neue Impulse geben? Davon ist zumindest Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) überzeugt. Die Landesregierung arbeitet deshalb an einer Regelung, die zwischen August und November noch vier verkaufsoffene Sonntage in diesem Jahr in Niedersachsen möglich machen soll – unabhängig von einem gesetzlich vorgeschriebenen Anlass. Die Gewerkschaften haben aber bereits Widerstand dagegen angekündigt. Umsatz nachholen: „Das überlegen wir aufgrund der Tatsache, dass bis zu 5000 Insolvenzen im Einzelhandel drohen könnten“, sagte Althusmann der HAZ. „Wir müssen die Betriebe retten.“ Die Sonntagsöffnung sei ein Versuch, ein Stück weit Umsatz nachzuholen. Nach Vorstellungen des Ministers sollen die Geschäfte an den betreffenden Sonntagen nicht vor 13 Uhr öffnen. „Das halte ich vertretbar“, sagte der CDU-Politiker. Verkaufsoffene Sonntage seien auch ein Beitrag, um die Attraktivität der Innenstädte zu stärken und Arbeitsplätze zu erhalten. Nach Angaben des Ministeriums hatten Händler ihre schwierige Lage geschildert und um Rechtssicherheit für noch vier offene Sonntage in diesem Jahr gebeten. Kernproblem ist, dass laut dem bestehenden Recht für Sonntagsöffnungen begründende Anlässe wie Feste, Messen und Märkte nötig sind – die in diesem Jahr aber wegen der Corona-Pandemie in der Regel nicht stattfinden. Althusmann und Sozialministerin Carola Reimann (SPD) haben deshalb Gewerkschaften, Handels- und Wirtschaftsverbände, Kirchen und kommunale Spitzenverbände zu einem Runden Tisch eingeladen, um einen Kompromiss zu finden. Ohne Anlässe genehmigen: Die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) haben bereits ihre Unterstützung signalisiert. „Die vier offenen Sonntage dieses Jahr müssen auch ohne besondere Anlässe genehmigt werden“, sagte UVN-Hauptgeschäftsführer Volker Müller der HAZ. „Der Einzelhandel leidet unter den Corona-Maßnahmen teilweise dramatisch. Verkaufsoffene Sonntage können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass unsere Städte belebt bleiben.“ Laut Müller macht in manchen Branchen ein einziger verkaufsoffener Sonntag ein Prozent des Jahresumsatzes aus. „Das ist doch allemal besser als Kurzarbeit oder Insolvenzen im Einzelhandel.“ Der Streit um Sonntagsöffnungen schwelt nicht nur in Hannover seit Jahren. Die Gewerkschaft Verdi hatte unter anderem 2017 erfolgreich gegen die Stadt Garbsen geklagt – und damit die Diskussionen um eine Neuregelung des Ladenöffnungsgesetzes ausgelöst. Auch diesmal ist der Widerstand groß. Bereits im April hat eine „Allianz für den freien Sonntag“, in der sich Kirchen, Gewerkschaften und Sozialverbände organisiert haben, gegen Sonntagsöffnungen in der Corona-Krise protestiert und einen offenen Brief an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) geschrieben. Beschäftigte brauchen Pausen: „Beschäftigte im Einzelhandel stehen gerade jetzt, zu Corona-Zeiten, unter hohen Belastungen“, sagte der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Mehrdad Payandeh, der HAZ. Die Mitarbeiter brauchten einen verlässlichen gemeinsamen Tag für eine Ruhepause mit ihren Familien. „Es ist Irrglaube und Scheinargument zugleich, dass Ladenöffnungen am Sonntag helfen, aus der Krise zu kommen“, sagte der DGB-Chef. „Durch Sonntagsöffnungen ist weder eine wirksame Ankurbelung des Konsums zu erreichen, noch sind so Insolvenzen im Handel zu verhindern.“ Liveticker: Die Lage in Hannover und Niedersachsen im Überblick Aktuelle Zahlen zum Coronavirus in der Region Hannover: So viele Infizierte gibt es Alle Artikel zum Coronavirus in der Region auf einen Blick Von Marco Seng