Wird die Schuldenbremse nach Corona zum Spaltpilz der großen Koalition Niedersachsens?

Innerhalb der großen Koalition in Hannover schält sich immer stärker ein Thema heraus, dass zum Spaltpilz der Regierung und bestimmenden Thema im Landtagswahlkampf 2022 werden könnte: Der Umgang mit der Schuldenbremse nach der Corona-Krise. Führende SPD-Politiker wie Ministerpräsident Stephan Weil und Fraktionschefin Johanne Modder machen immer wieder darauf aufmerksam, dass sie die Selbstbeschränkung des Staates gerne lockern möchten – wohl wissend, dass dies so schnell nicht möglich sein dürfte –, während sich Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) mit Macht dagegenstellt. Die Frage, wie mit der Schuldenbremse künftig umzugehen sein wird, ist auch strategischer Natur, denn dieses finanzpolitische Instrument ist vor allem im linken Lager wie auch bei den Grünen höchst unbeliebt. Lesen Sie auch Auch Stephan Weil will die Schuldenbremse abschaffen Was bestimmt die Schuldenbremse? Die Schuldenbremse bestimmt, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auskommen sollen. Sie lässt aber für Notlagen oder wirtschaftliche Störungen Ausnahmen zu. Sie wurde von der Föderalismuskommission 2009 beschlossen, gilt im Bund seit 2010 und ist seit 2019 in der niedersächsischen Landesverfassung verankert. Sie ermöglicht in Krisenzeiten, die die Finanzkraft des Staates erheblich erschüttern, Kredite aufzunehmen. „Sie hat sich gerade auch in der Corona-Krisenzeit bewährt“, sagt Finanzminister Hilbers, und sei „keine Monstranz, die man nur so vor sich herträgt“, sondern müsse Leitbild aller Finanzpolitik bleiben. „Gerade die Schuldenbremse hat in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt, dass wir wesentlich mehr Stabilität in den öffentlichen Haushalten hatten“, sagt Hilbers. Was will Weil ändern? Weil hat dennoch zu Jahresbeginn „Überarbeitungsbedarf“ bei der Schuldenbremse deutlich gemacht. Der Ministerpräsident wies daraufhin, dass der Bund im Gegensatz zu den Ländern noch einen gewissen Spielraum bei der Neuverschuldung hat. Während den Ländern eine strukturelle, also von der Konjunktur unabhängige Neuverschuldung verboten ist, sei sie dem Bund bis 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts erlaubt. Weil ist nach eigenen Worten schleierhaft, warum die Länder bei den Verhandlungen um die Schuldenbremse „damals nicht einen vergleichbaren Spielraum eingefordert haben“. Um die Schuldenbremse abzuschaffen, bräuchte man im Bund und in den Ländern jeweils Zweidrittelmehrheiten. Ab 2024 sollen die Schulden wieder getilgt werden: In Niedersachsen hat die CDU schon unmissverständlich deutlich gemacht, dass eine solche Finanzreform mit ihr nicht klappen würde. „Jede Generation muss ihre Probleme selber schultern und sie nicht über Schulden an die nächste Generation weiterschieben“, sagt etwa der finanzpolitische Sprecher Ulf Thiele. Finanzminister Hilbers weist darauf hin, dass in den Corona-Jahren 2020 und 2021 die Ausnahmevorschriften zu Notlagen in Niedersachsen greifen. „Die Rückkehr zu einem neuen Haushalt, der keine neuen Schulden macht, muss aber unser Ziel sein.“ Nehme man dieses Ziel wieder zurück, lande man bei der Schuldenpolitik der Siebziger- und Achtzigerjahre, warnt Hilbers. Ab 2024 sollen, vorausgesetzt die Corona-Krise ist beendet und die Wirtschaft hat sich wieder erholt, die Corona-Kredite getilgt werden. 8 Milliarden Euro an Neuverschuldung hat das Land wegen der Krise aufgenommen, getilgt werden soll über 25 Jahre. Dieses Vorhaben hätte aber ohne Zweifel Folgen für Investitionen des Landes aber auch für die Personalausgaben für Polizisten, Lehrer und andere Beamte. Fesselt die Schuldenbremse die Landespolitik? Darauf weisen vor allem Politiker von SPD und Grünen hin. „Im Grunde ist die Schuldenbremse eine Investitionsbremse“, sagt die finanzpolitische Sprecherin der SPD, Frauke Heiligenstadt. Dieses finanzpolitische Instrument unterscheide nicht zwischen sinnvollen und nachhaltigen Investitionen, die volkswirtschaftlich geboten sind, etwa in Gebäude oder Straßen. „Ist es generationengerecht, wenn wir unseren Kindern marode Universitätsgebäude überlassen?“, fragt Heiligenstadt. Ähnlich argumentiert auch Stefan Wenzel von den Grünen. Er sagt, dass die CDU mit ihrer starren Haltung zur Schuldenbremse gar nicht in den Blick nehme, dass das Landesvermögen abschmelzen werde, wenn das Land nicht immer wieder investiere, etwa in ihre Gebäude. „Die Buchführung des Landes bleibt blind für Vermögensverzehr“, sagt Wenzel. Im übrigen hätten sich durch zusätzliche Inanspruchnahme der Kommunen im Kita- und Schulbereich die finanzpolitischen Verhältnisse zwischen Bund, Ländern und Kommunen verschoben, sodass immer wieder nachkorrigiert werden müsse. Wo kommt das Geld für die Bildung her? Heiligenstadt sagt, wenn man auch für nachhaltige Investitionen neue Schulden machen könne, hätte man etwa für die Bildung andere Mittel frei. Die Schuldenbremse hingegen, sei wie „eine harte Mauer, gegen die die Länder immer wieder rennen“. Den niedersächsischen Finanzminister Reinhold Hilbers überzeugt dies nicht. Man habe auch unter den Bedingungen der Schuldenbremse die Investitionen seit 2019 von gut 4 auf mehr als 6 Prozent hochgefahren, betont er. Von Michael B. Berger