Inzwischen ist die Auftragslage jedoch besser als erwartet. Die Beschäftigten haben jede Menge zu tun. Die Aussichten für das Werk sind günstig.
„Wir sind in den nächsten drei Jahren gut ausgelastet“, sagt Alstom-Transport-Geschäftsführer Achim Alles. In manchen Bereichen sucht das Unternehmen sogar zusätzliche Mitarbeiter – zum Beispiel Ingenieure oder Elektriker. Die Alstom-Belegschaft, die mit Hinweis auf die Entwicklung der Branche seinerzeit vor einem Kahlschlag gewarnt hatte, sieht sich nun bestätigt.
Im vergangenen Jahr hatte der französische Alstom-Konzern angekündigt, 700 Arbeitsplätze abzubauen, Verträge von befristet Beschäftigten und Leiharbeitern nicht zu verlängern sowie den Rohbau von Schienenfahrzeugen nach Polen zu verlagern. Alstom begründete dies mit zu geringer Wettbewerbsfähigkeit des defizitär arbeitenden Werks. Es folgten massive Proteste und Kundgebungen der Belegschaft, die in ihrem Kampf für die Erhaltung von Arbeitsplätzen kräftig von niedersächsischen Landespolitikern unterstützt wurde. Mit einer solchen Welle der Solidarität in Niedersachsen hatte man in der französischen Alstom-Zentrale vermutlich nicht gerechnet.
Im Juli 2011 vereinbarten Betriebsrat und Management von Alstom einen Kompromiss, wonach in den nächsten Jahren höchstens 250 Stellen wegfallen sollten und bis Ende August 2016 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Mitarbeitern wurden Altersteilzeitregelungen oder Abfindungen angeboten. Der Rohbau bleibt zumindest teilweise in Salzgitter. Die Beschäftigten erklärten sich bereit, eine – unbezahlte – Stunde in der Woche mehr zu arbeiten, um sich weiterzuqualifizieren, und bis zu vier Jahre auf die Hälfte des Urlaubsgeldes zu verzichten, wenn bestimmte Renditeziele nicht erreicht sind.
„Die Zeit, in der wir Leute ansprechen, uns zu verlassen, ist vorbei“, sagt Alles. „Wir werden keine zusätzlichen Stellen mehr abbauen.“ Derzeit arbeiten in dem Werk knapp über 2500 Beschäftigte, davon 1930 mit einer festen Stelle. Die Mitarbeiterzahl werde angesichts der guten Auftragslage in nächster Zeit eher wieder steigen, erklärt Alles. Im vorigen Sommer waren in der Produktionsstätte etwa 2700 Mitarbeiter beschäftigt.
In jüngster Zeit hat Alstom mehrere größere Aufträge für das Werk in Salzgitter an Land gezogen. So soll das Unternehmen Regionalzüge etwa für die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) bauen, aber auch Fahrzeuge für den Schienenverkehr im Großraum Köln und für die S-Bahn in Frankfurt. Die Verträge für zwei weitere Aufträge in Nordrhein-Westfalen beziehungsweise im Südwesten des Landes stünden kurz vor dem Abschluss, sagt Martin Lange, Vorstandsmitglied bei Alstom Deutschland. Die Chancen stehen gut, dass in den nächsten Jahren weitere wichtige Aufträge gewonnen werden können. Im regionalen Schienenverkehr, erklärt Lange, stehe eine „Ausschreibungswelle“ bevor, „auf die wir mit den Produkten aus Salzgitter gut vorbereitet sind“.
„Die strukturelle Anpassung war notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen“, betont Standortleiter Alles. Wesentliches Problem des Alstom-Werks war mangelnde Profitabilität. Mittlerweile hat das Unternehmen nach Angaben von Alles Produktionsabläufe effizienter organisiert und die Qualität verbessert, sodass weniger Nachbesserungsarbeiten notwendig sind. Die Produktivität sei erheblich gestiegen. Es bestehe aber weiter die Notwendigkeit, die Kosten anzupassen. Der Manager sieht das Werk auf einem guten Weg. Er rechnet damit, dass es im Geschäftsjahr 2012/13 wieder ein „positives Ergebnis“ erzielen werde.
Dirk Stelzl