Hannovers Unternehmen bilden auch in der Krise weiter aus

Helge Leinemann und sein Unternehmen hat die Corona-Krise stark getroffen. Die Umsätze in der auf Veranstaltungstechnik spezialisierten Firma Exposive Medien Gruppe in Langenhagen sind eingebrochen. Am Anfang des Lockdowns rutschten sie auf null, nun nähern sie sich gerade mal wieder 20 Prozent der gewohnten Zahlen. Noch immer sind rund zwei Drittel seiner 35 Angestellten in Kurzarbeit. Trotz der immensen finanziellen Schwierigkeiten hat Leinemann aber nicht in Erwägung gezogen, in diesem Jahr keine neuen Lehrlinge einzustellen. „Lieber würde ich morgens auf meine Zahnpasta verzichten“, sagt der Geschäftsmann. „Wir sind dringend auf guten Nachwuchs angewiesen, wir wollen und müssen weiter in die Ausbildung investieren.“ Besondere Belohnung für Ausbildungsbetriebe: Fünf Azubis hat Leinemann aktuell, zwei lernen aus – dafür folgen zum 1. August zwei neue. Sollten sich besonders qualifizierte Bewerber melden, würde er erwägen, noch einen dritten neuen Lehrvertrag abzuschließen, sagt der Firmenchef, der in den vergangenen zehn Jahren alle seine Azubis übernommen hat. Für mittelständische Unternehmer, die denken wie er und auch in Krisenzeiten weiter ausbilden, gibt es von der Bundesregierung jetzt eine besondere Belohnung: Sie erhalten eine Ausbildungsprämie. Das Programm richtet sich an Firmen mit bis zu 249 Beschäftigten. Wer wegen der Pandemie starke Umsatzrückgänge verzeichnet oder Beschäftigte in Kurzarbeit schicken musste, aber weiterhin so ausbildet wie in den vergangenen drei Jahren, soll für jeden für das Ausbildungsjahr 2020 abgeschlossenen Vertrag einmalig 2000 Euro erhalten. Für Firmen, die in dieser Lage die Zahl der Lehrstellen erhöhen, sind 3000 Euro für jeden zusätzlichen Platz vorgesehen. Außerdem ist eine Prämie von 3000 Euro für Unternehmen geplant, die Azubis von pandemiebedingt insolventen Betrieben übernehmen. Unternehmen aus der Region Hannover begrüßen die Finanzhilfe, sehen in der Sonderzahlung aber keinen Zusatzanreiz zum Ausbilden. „Wer ausbildet, tut das aus Überzeugung“, sagt Caroline Prenzler, Geschäftsführerin der Parfümerie Liebe. 80 Mitarbeiter und sieben Auszubildende beschäftigt der Traditionsbetrieb zurzeit. Vier neue Lehrlinge sollen dazukommen – wie in den Jahren zuvor. Daran ändere auch die angespannte Geschäftssituation durch Corona nichts, betont Prenzler. Noch immer sind 70 Prozent der Belegschaft in Kurzarbeit, die Öffnungszeiten weiter eingeschränkt. Wirtschaftlich helfe die Azubi-Prämie nicht wirklich weiter, sagt Prenzler. Gleichwohl sei sie ein gutes Signal an alle ausbildenden Betriebe in der Krise. Ausbildung auch in der Krise unstrittig: Im Congress Hotel Am Stadtpark sind von 258 Zimmern nur zwischen 10 und 20 Prozent belegt, mit Buchungen halten sich die Gäste in Corona-Zeiten weiterhin zurück. Die 50 Angestellten sind noch immer in Kurzarbeit. „Unsere Situation ist nach wie vor schwierig, das wird sicher auch über das Jahresende hinaus so bleiben“, sagt Direktor Cord Kelle. „Aber wir müssen ja trotzdem an die Zukunft denken.“ Es sei daher unstrittig, dass auch in der Krise weiter ausgebildet werde. Wie viele Azubis in diesem Jahr eingestellt werden, hänge von der Bewerberlage ab – nicht von einer Prämie. Es sei nicht leicht, geeignete Kandidaten zu finden, erklärt Kelle, der aktuell sechs Lehrlinge beschäftigt. In den vergangenen Jahren habe es stets zwei bis drei Neuzugänge gegeben. Beim Autohaus Gessner & Jacobi wurden alle fünf neuen Ausbildungsverträge schon im Frühjahr abgeschlossen – noch vor dem Lockdown. „Aber auch in der aktuellen Situation hätten wir wieder so gehandelt, weil wir auf guten Nachwuchs angewiesen sind“, sagt Firmeninhaber Heinrich Jacobi. Etwa zwei Drittel seiner 120 Mitarbeiter seien ehemalige Lehrlinge. Dem Unternehmen, das auf die Marke VW spezialisiert ist, sind in der Krise vor allem Wartungsverträge für Nutzfahrzeuge von Messebauern, Taxis oder Caterern weggebrochen; im privaten Bereich halten sich die Kunden beim Autokauf zurück. Die staatliche Ausbildungsprämie sei verglichen mit den Kosten, die für eine gute Ausbildung anfielen, nur ein vergleichsweise geringer Betrag, meint Jacobi. „Gewisse Ungerechtigkeit“: Karsten Meier, Chef des Elektrikbetriebs Schumann + Stender in Isernhagen, wünscht sich, dass das Engagement von Firmen, die ausbilden, grundsätzlich besser honoriert wird, etwa durch steuerliche Vorteile. Er habe trotz coronabedingter Auftragseinbrüche verhindern können, seine 38 Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken – nun kommt sein Unternehmen gemäß der Vorgaben nicht für die neue Azubi-Prämie infrage. Das sei eine „gewisse Ungerechtigkeit“. Sechs Azubis sind bei ihm beschäftigt, zwei bis drei Neuzugänge stellt er auch dieses Jahr wieder ein. Meier betont, dass er damit zudem Integrationsarbeit leiste: Seine Lehrlinge kommen aus Brasilien, Syrien und dem Irak. Und zum 1. August wird er auch einem seiner bisherigen Praktikanten aus Afghanistan einen Lehrvertrag geben. Lesen Sie auch Ausbildung trotz Corona-Krise: Hilft eine Prämie des Staates? Kommentar zur Ausbildungspämie: Viel hilft nicht immer viel Staat will Unternehmen Corona-Prämien für Ausbildung zahlen Von Juliane Kaune