Auf dem Dach der Ernst-Reuter-Schule schlägt seit wenigen Tagen wieder die historische Turmuhr von 1909, um mit ihrem hellen Glockenklang die Zeit akustisch anzuzeigen. Allerdings schlägt die Uhr lediglich tagsüber zwischen 6 und 22 Uhr im 15-Minuten-Rhythmus, nachts bleibt das Schlagwerk stumm – auf diese neue Regelung haben sich die Stadt Barsinghausen und lärmgeplagte Nachbarn in einer Kompromisslösung verständigt.
Für viele Egestorfer gehört die 109 Jahre alte Schulturmuhr zur kulturellen Identität ihrer Ortschaft. Zuverlässig zeigte die von der Uhrenfabrik Weule aus Bockenem gebaute Uhr seit 1909 auf dem Schuldach die Zeit an – optisch mit dem Ziffernblatt sowie akustisch mit den Glockenschlägen.
„Für die Egestorfer und für den Ort hat die Uhr eine historische Bedeutung. Darum bin ich froh, dass dieser Kompromiss einen weiteren Betrieb möglicht“, erklärt Edith Lutterbüse, Leiterin der Ernst-Reuter-Schule.
Zuletzt war die Turmuhr während der Sommermonate von Mai bis September stillgelegt, weil Nachbarn sich im Frühjahr 2016 über nächtliche Lärmbelästigungen wegen der Glockenschläge beschwert hatten. „Bei einer Prüfung stellte sich heraus, dass die Turmuhr mit ihren Schlägen in den Nachtstunden tatsächlich die Lärmrichtwerte übersteigt“, sagt Bürgermeister Marc Lahmann.
Zunächst blieb das Schlagwerk im Sommer 2016 komplett abgeschaltet. Dagegen richtete sich wiederum der Protest vieler Egestorfer, die auf die gewohnten Schläge der Turmuhr nicht verzichten wollen. Mitglieder des Festausschusses 800 Jahre Egestorfer sammelten vor zwei Jahren mehr als 500 Unterschriften und forderten: „Die Egestorfer Schulturmuhr muss schlagen.“
In einem ersten Kompromiss ordnete die Stadt daraufhin an, das Schlagwerk von Mai bis September abzustellen und in den Monaten von Oktober bis April wieder in Betrieb zu nehmen. Aber auch gegen diese Jahreszeiten-Lösung regte sich Widerstand.
„Nach langer Diskussion haben wir jetzt eine Regelung gefunden, die alle Seiten zufriedenstellt“, betonte der Erste Stadtrat Thomas Wolf: Tagsüber bleibe das Schlagwerk von 6 bis 22 Uhr in Betrieb, nachts herrsche Ruhe.
Um diesen Kompromiss zu gewährleisten, habe die kommunale Gebäudewirtschaft für rund 3000 Euro eine technische Zeitschaltuhr installiert. „Ein elektrischer Motor unterbindet den Auslösemechanismus im Schlagwerk, ohne in die 109 Jahre alte Mechanik des Uhrwerks eingreifen zu müssen“, erläutert Marcel Lange von der Gebäudewirtschaft.
Erleichtert reagiert Schulleiterin Edith Lutterbüse auf die Kompromisslösung: „Zum Glück bleibt dieses historische Element für die Ortschaft bestehen. Für diesen Erhalt haben wir uns eingesetzt, auch wenn kein Zusammenhang zwischen den Glockenschlägen und unserem Schulbetrieb besteht.“
Schulhausmeister Sebastian Petruschke steigt weiterhin zweimal pro Woche auf den Dachboden, um das Uhrwerk per Hand aufzuziehen. Hinzu komme eine jährliche Inspektion – mehr Aufwand benötige die Schulturmuhr mit ihrem mechanischen Antrieb aus der Fabrik von Josef Friedrich Weule nicht.
Von Frank Hermann