Ronnenberg: Mit Polizisten im Einsatz

Ein kräftiger Handschlag, eine Umarmung, freundliche Worte – wenn Polizisten, die einander kennen, sich begrüßen, geht es auffallend herzlich zu. „Respekt spielt für mich eine große Rolle und dass man sich gegenseitig unterstützt“, sagt Petros Asfaleia (35, Polizeikommissar, Name geändert). Seit rund einem Jahr ist er beim Polizeikommissariat Ronnenberg im Streifendienst tätig, in dieser Nacht gemeinsam mit Patrick Schrader (31, Polizeikommissar, Name geändert). Schrader und Asfaleia holen zu Dienstbeginn ihre Uniform aus dem Spind, ziehen sich um. „Ich nehme meine Uniform in der Regel nur zum Waschen mit nach Hause“, sagt der 35-Jährige. Dann folgt meist eine kleine Besprechung: Was war in der Schicht vorher los? Wer fährt mit wem? Wer bleibt am Funkgerät in der Wache? Der Schichtführer teilt das Personal ein. Schon 20 Minuten nach Dienstbeginn geht es das erste Mal an diesem Abend hektisch zu: Blaulicht, Sirene und Tempo sind angesagt. Eine Frau aus Empelde hat angerufen. Ihr Exmann stehe unten vor der Tür. Er wolle sie töten, sich töten, seinen Hund töten, alle töten. Asfaleia und Schrader sind als Erste am Einsatzort. Von dem mutmaßlichen Bedroher keine Spur. Eine zweite Streife fährt ein paar Häuser weiter, dort ist er gemeldet. Wir gehen hoch in die Wohnung der Anruferin. Sie ist ziemlich aufgewühlt, zittert, erzählt, was passiert ist. Vier Kinder, etwa zwischen füf und zehn Jahren alt, spielen im Nachbarzimmer. Sie scheinen die Situation glücklicherweise nicht zu verstehen. Über Funk erfahren Asfaleia und Schrader, dass die Kollegen den Ex in dessen Wohnung gestellt haben. Die Polizisten raten der Frau, sich eine einstweilige Verfügung zu besorgen. Mann wird plötzlich aggressiv: Nach Aufnahme der Zeugenaussagen fahren auch wir zur Wohnung des Exmannes, etwa 100 Meter Luftlinie entfernt. Er spricht weinerlich, leugnet, irgendjemanden bedroht zu haben und kann nicht fassen, was um ihn herum passiert. Plötzlich schlägt die Stimmung um: Er hämmert seinen Kopf gegen die Wohnungstür. Er brüllt. Die Beamten schaffen es irgendwie, ihn wieder zu beruhigen. Ein Atemalkoholtest ergibt 2,53 Promille. Dann sinkt er wieder in sich zusammen, will seinen Vater anrufen. „Nur er kann mir helfen.“ Der Mann muss mit auf die Wache. Auf der Fahrt dorthin kippt die Stimmung erneut. Der Fahrer, ein dritter Kollege, hält den Wagen an. Zu gefährlich. Der Ex wird fixiert. Auf der Wache soll ein Arzt den psychischen Zustand des Mannes bewerten. Er entscheidet sich gegen eine Einweisung. Der erste Fall dieses Tages endet fast vier Stunden nach Dienstbeginn: Der Mann wird in die Obhut seines inzwischen eingetroffenen Vaters entlassen. Zum Abschied legt er einem Beamten noch kurz den Kopf auf die Brust, beinahe zärtlich – und bedankt sich. Hilflose Frau verlangt nach der Polizei: Wenig später rücken Asfaleia und Schrader wieder aus. Eine 88-Jährige steht im Regen nur spärlich bekleidet vor einem Haus nahe der Marie-Curie-Schule. Sie spricht zwei junge Frauen an. Sie wolle nach Hause, habe Angst, etwas geklaut zu haben und brauche die Polizei. Die beiden Polizisten zeigen sich nach ihrem Eintreffen am Einsatzort einfühlsam. Als sich herausstellt, dass die 88-Jährige in dem Haus wohnt, vor dem sie steht, geleiten die jungen Männer sie hinein. Einer setzt sich zu ihr in die Küche, unterhält sich. Der andere findet einen Patientenordner, versucht, die Tochter der Frau zu erreichen, ohne Erfolg. Er telefoniert mit dem ambulanten Pflegedienst der älteren Dame, der sich nicht verantwortlich sieht. Der eintreffende Notarzt stellt eine Dehydrierung fest. Die Frau wird ins Krankenhaus nach Gehrden gebracht. Der zweite Polizeieinsatz ist nach rund einer Stunde beendet. Auf der Bundesstraße 65, kurz vor Everloh, hat kurz darauf ein Verkehrssünder Glück. Bevor es zur Überprüfung kommt, meldet sich die Leitstelle aus Hannover über Funk: Ein Anrufer hat einen bewaffneten Überfall auf einen Kiosk am Kirchdorfer Bahnhof gemeldet. Dabei soll eine Schusswaffe zur Bedrohung eingesetzt worden sein. Wir müssen jetzt schnell nach Barsinghausen. Dort angekommen sollen wir den Bereich um den Rottkampweg überwachen. Die Täter (laut Kioskbesitzer zwei junge Männer, die akzentfrei Deutsch gesprochen haben) könnten in diese Richtung verschwunden sein. Ein Hubschrauber wird angefordert, kann aber nicht kommen. Ohne dessen Wärmebildkamera sinkt die Chance auf einen Fahndungserfolg erheblich. Die Dunkelheit schützt Verbrecher. Während Schrader fährt, leuchtet sein Kollege immer wieder mit der Taschenlampe nach rechts und links aus dem Auto heraus, in dunkle Ecken. Nichts. Enttäuschung nach misslungener Fahndung: Rund eine halbe Stunde später fährt die Leitstelle die Fahndungsintensität herunter, wir werden von dem Fall abgezogen. Die Enttäuschung wächst. Wie kommt man damit klar, wenn eine Fahndung misslingt? „Das ist natürlich enttäuschend, weil man nichts machen kann“, sagt Schrader. Wir wechseln das Thema – und sprechen über die Gefahren im Polizeialltag. „Polizisten sind auch nur Menschen“, sagt Schrader. Trotzdem erwarte er, dass sein Kollege „zu jeder Zeit zu 100 Prozent handlungsfähig“ sei. „Kein Polizist wünscht sich, seine Dienstwaffe einsetzen zu müssen. Wenn es jedoch erforderlich wird, müssen wir uns auch da aufeinander verlassen können.“ Asfaleia erklärt: „Die Eigensicherung kommt immer zuerst. Ich will gesund wieder zu Hause ankommen.“ Kurz vor 23 Uhr funkt wieder die Leitstelle dazwischen. Ein Anruf kam aus Gehrden. Er meldet, eine Schlägerei mit rund zehn Beteiligten zu beobachten. Blaulicht an, Sirene an, los geht’s mit Tempo nach Gehrden. Vor der Sporthalle an der Lange Feldstraße trinken junge Erwachsene Alkohol. Als das Polizeiauto aus Richtung Delfi-Bad vorfährt, versuchen einige Anwesende zu flüchten. Pech gehabt: Zwei weitere Streifenwagen kommen aus Richtung Thiemorgen. Die Flüchtenden rennen den Beamten direkt in die Arme. Gruppe erweist sich als erfahren im Umgang mit der Polizei: Bei der folgenden Kontrolle zeigen sich die Heranwachsenden als erfahren im Umgang mit der Polizei. Sie testen ihre Grenzen aus, benehmen sich respektlos, aber immer knapp unterhalb der Strafbarkeit. Die Polizisten greifen hart durch: Oliver Müller, Leiter Einsatz- und Streifendienst in Ronnenberg, sagt hinterher: „Da muss Polizei konsequent einschreiten.“ Man wolle den Jugendlichen nichts Böses, könne sich aber auch nicht jede Respektlosigkeit gefallen lassen. Deshalb wird einer der jungen Männer auch ganz schön ruppig angegangen, als dieser sich einer Durchsuchung durch die Polizei verwehrt. Ein anderer wurde auf der Flucht zu Boden gebracht. Er wiegt weit über 100 Kilo. Mancher Polizist passt zweimal in ihn rein, ist deshalb aber auch schneller und geschickter. Da die Durchsuchungen keine strafbaren Handlungen aufdecken, endet der Einsatz. Der 100-Kilo-Bursche scherzt, man sehe sich bestimmt bald wieder. Im Jahr 2018 wurden 693 Polizistinnen und 924 Polizisten neu eingestellt – laut Carsten Rose, Direktor der Polizeiakademie Niedersachsen, so viele wie nie zuvor. Der niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, sagt, man brauche bei der Polizei „motivierte und selbstbewusste Menschen, die mitdenken, bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger genießen.“ Um in Niedersachsen Polizist zu werden, muss man allgemeine Voraussetzungen wie die EU-Staatsbürgerschaft, Führerschein Klasse B oder BF17, einen Realschulabschluss mit Mindestnote 3 in Deutsch und Mathe sowie einem Schwimmabzeichen in Bronze mitbringen. Die Karriere bei der Polizei Niedersachsen beginnt mit einem dreijährigen Bachelorstudium an der Polizeiakademie in Nienburg/Weser, Hann. Münden, Oldenburg, Hannover oder Lüchow und enthält Lernmodule aus den Bereichen Rechts- und Sozialwissenschaften, Kriminalistik, Kriminologie, Verkehrsrecht sowie Einsatz- und Organisationslehre. Aufgrund der körperlichen Herausforderungen, die der Polizeidienst mit sich bringt, werden im Studium sowohl Ausdauer und Kraft als auch Abwehr- und Zugriffstechniken sowie der Umgang mit den polizeilichen Führungs- und Einsatzmitteln trainiert. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Studium ist die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe garantiert, das normalerweise in der Bereitschaftspolizei oder beim Einsatz- und Streifendienst beginnt. tow Am Ende sprechen die Beamten der Gruppe, die mutmaßlich an der gemeldeten Schlägerei beteiligt war, ein Platzverbot aus. „Eine andere Lösung haben wir dafür nicht“, meint Müller unzufrieden. Zwei Stunden später fahren er und weitere Beamte aber trotzdem wieder zur Sporthalle in Gehrden. Gegen 0.30 Uhr meldet ein Anrufer eine Ruhestörung durch Jugendliche. Als die Polizei eintrifft, ist jedoch niemand mehr da. Nur eine Kiste Bier steht alleingelassen halb auf der Straße. Müller schreibt eine Anzeige: wegen Verstoßes gegen das Abfallgesetz. Für Petros Asfaleia und Patrick Schrader endet die Schicht derweil auf der Wache. Sie müssen noch Berichte schreiben. Dann schließen sie ihre Uniform zurück in den Spint, steigen ins Auto und fahren nach Hause. Feierabend! Die nächste Schicht ist dran. Lesen Sie auch: Männer steigen an roter Ampel aus und schlagen auf BMW-Fahrer ein Verfolgungsjagd durch Weetzen und Wennigsen Alle aktuellen Themen aus Ronnenberg unter haz.de/ronnenberg Von Tobias Welz

Ronnenberg: Mit Polizisten im Einsatz – eine Reportage