Burgdorf: Amtsgericht verhandelt wegen Straßenverkehrsgefährdung gegen Frau

Hat eine 37-Jährige aus Ehlershausen betrunken mit ihrem Ford Kuga einen Unfall verursacht und ist geflüchtet? Oder hat einer ihrer Familienangehörigen den Wagen benutzt und bekennt sich nun nicht zu der Tat, sodass die Mutter einer Tochter zu Unrecht ihren Führerschein abgeben musste? Mit diesen Fragen beschäftigt sich am Montag, 1. Februar, ab 14.30 Uhr das Amtsgericht Burgdorf an einem zweiten Verhandlungstag, nachdem die Frau einen Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte – vor allem wegen des Führerscheinentzugs. Zum Prozessauftakt leugnete die Ehlershäuserin jede Beteiligung an dem Unfall, der zweifelsfrei mit dem auf sie zugelassenen Wagen verursacht wurde. Denn bei der Unfallaufnahme am 25. Januar 2020 fanden die Ermittler das Kennzeichen des Autos im Straßengraben, wie eine Polizeibeamtin und ihr Kollege übereinstimmend in der Verhandlung sagten. Ihren Angaben zufolge hatte gegen 5 Uhr morgens ein Zeuge die Polizei alarmiert, weil er aufgrund von Spuren einen Unfall auf der Kreisstraße zwischen Otze und Ramlingen vermutete. Autokennzeichen liegt am Unfallort: Diese Aussagen bestätigten sich: Anhand der Spuren rekonstruierten die Polizisten, dass der Unfallwagen aus Richtung Otze erst nach rechts von der Fahrbahn abgekommen war, dann über die Verkehrsinsel fuhr und dabei ein Verkehrsschild beschädigte und schließlich eine Straßenlaterne köpfte. „Da guckten nur noch die Kabel raus“, sagte die Polizeibeamtin. Im linken Fahrbahngraben fanden die Ermittler außer der Laterne und diversen Autoteilen auch die vordere Stoßstange samt Kennzeichen, sodass sie über die Leitstelle einen zweiten Streifenwagen zur Halterin schickten. Lediglich in diesem Punkt stimmen die Aussagen der Polizeibeamten und der 37-Jährigen überein, ansonsten weichen die Schilderungen von der Nacht weit voneinander ab. Die Frau ließ über ihren Anwalt Fritz Willig erklären, dass sie am 24. Januar einen Foodtruck aus Holland abgeholt habe. Sie sei gegen 16 Uhr in Ehlershausen angekommen, habe dann etwas geschlafen, am frühen Abend die Tochter zu den Großeltern – die auf dem gleichen Grundstück leben – gebracht und dann die neue Investition bis etwa morgens 2 Uhr gefeiert. Gegen 5 Uhr hätten Polizeibeamte sie mehr als unsanft geweckt, nachdem diese sich Zutritt zum Haus verschafft hätten, sagte Willig. Anwalt Fritz Willig kritisiert die Polizeiarbeit: Seinen Angaben zufolge nutzen aber auch die Eltern und die Schwester sowie der 34-jährige Ehemann das Fahrzeug, die beiden Schlüssel dafür lägen stets in einer Schale im frei zugänglichen Flur. „Meine Mandantin hat von Anfang an bestritten, das Auto gefahren zu sein“, sagt Willig und kritisierte das Vorgehen des eingesetzten Polizeibeamten, der die Situation habe eskalieren lassen. Der wiederum sagte vor Gericht aus, dass er mit einer Kollegin zunächst an dem Haus in Ehlershausen geklingelt und laut geklopft habe. Als trotz der Innenbeleuchtung niemand öffnete, alarmierte er über die Leitstelle die Feuerwehr, die die Tür öffnete. „Wir haben alle Räume abgesucht und die Frau schließlich schlafend in ihrem Bett gefunden“, sagte er. Weil sie auf den Lärm und die Anwesenheit der Polizei nicht reagiert habe, untersuchten Sanitäter die 37-Jährige – der Beamte selbst habe sich zu dem Zeitpunkt nicht mehr im Schlafzimmer aufgehalten, sagte er aus. Ehemann kann nichts zu dem Polizeieinsatz sagen: Gleichwohl berichtete er, dass sich die Ehlershäuserin immer wieder und vehement gegen die Blutprobe bei der Polizei Burgdorf gewehrt habe. Deshalb habe er einen weiteren Streifenwagen zur Unterstützung nachalarmiert. Die Kollegen hätten sich schließlich nach langer Zeit mit der Frau auf den Weg zur Inspektion gemacht, dann seien sie aber noch einmal zu ihrem Wohnhaus zurückgekommen. „Wir brauchten von ihr noch den Autoschlüssel“, sagte der Beamte. Dass dieser, wie von der Angeklagten und ihrem Ehemann behauptet in einer Schale im Flur gelegen haben soll, bestätigte er nicht. Allerdings konnte wegen der Verzögerung der Fahrerin erst um 7.16 Uhr das erste Mal Blut abgenommen werden. Die Untersuchung ergab einen Wert von 1,06 Promille. Eine zweite Blutprobe um 7.47 Uhr zeigte 0,97 Promille an. Dieser Aussage ließ die Angeklagte widersprechen: Die Schlüssel lägen immer im Flur, eben frei zugänglich für ihre Familie. Ihr 34 Jahre alter Ehemann bestätigte die Darstellung. „Das Auto nutzt derjenige aus der Familie, der es gerade benötigt.“ Ob das in der fraglichen Nacht der Fall gewesen sei, könne er nicht sagen. Er habe sich nachts mit der Ehefrau schlafen gelegt und sei dann morgens weggegangen, wahrscheinlich, um Brötchen zu holen. Details zu dem Polizeieinsatz könne er nicht nennen, er habe erst die bereits eskalierte Situation mitbekommen, als seine Frau nach Burgdorf gefahren werden sollte. Gericht befragt jetzt die Familie und weitere Polizeibeamte: Aus Gründen der „Prozessökonomie“ plädierte Anwalt Willig für eine Einstellung des Verfahrens und der Rückgabe des Führerscheins, dann gebe es auch keine Auseinandersetzung um eine mögliche Entschädigung. Dies lehnten sowohl die Staatsanwältin als auch die Amtsrichterin ab. Sie folgten indes Willigs Forderung, als weitere Zeugen nun die Eltern und die Schwester der Angeklagten sowie die zweite in Ehlershausen eingesetzte Polizeibeamtin zu befragen, um in drei Wochen das Geschehen im Haus und die im wahren Wortsinn offene Schlüsselfrage zu klären. Von Antje Bismark