Burgdorf: So reagieren die Händler und Gastronomen auf die Corona-Krise

Kontakt zu den Kunden halten, ohne mit ihnen in Berühung zu kommen: Dieser augenscheinlich unlösbaren Aufgabe stellen sich seit Tagen die Händler und Gastronomen – auch in Burgdorf. Viele von ihnen beweisen dabei ungeahnte Kreativität, um Sachbücher und Suppe, Blumen und Brauhausteller zu verkaufen. Die Blumenhändler: Einen ganz eigenen Weg der Vermarktung geht Semra Celik, die an der Bahnhofstraße den Laden „Blütenzauber“ betreibt. Sie bindet jeden Tag kleine Blumensträuße und stellt sie, mit einem Preisschild versehen, in den Eingang ihres Geschäftes. „Wer einen kauft, sollte das Geld in den Postkasten werfen“, sagt sie und zieht nach den ersten Tagen eine gute Bilanz: Die Kunden nehmen die Blumen mit, und sie bezahlen kontaktlos und ehrlich. Allerdings, so bedauert die Floristin, gebe es derzeit nur ein eingeschränktes Angebot an Blumen: Rosen, Ranunkeln und Tulpen meist in Rosa, Weiß und Orange. Ihr Eindruck: „Viele Stammkunden kaufen bewusst, um uns zu unterstützen.“ Zudem bekomme sie auch wieder Bestellungen – für sie ein Zeichen der Hoffnung. Neue Wege gehen Brigitte und Klaus Krüger von Blumen Binne r: „Wir führen derzeit viele Gespräche mit Angehörigen, die Blumen für eine Bestattung bestellen, ohne in den Laden kommen, um auswählen zu können“, sagt Klaus Krüger. Deshalb gebe es viele Telefonate, um im eingeschränkten Blumenangebot das Richtige zu finden. Im Anschluss bringe er oder seine Frau die Bestellung zu dem Begräbnis, lege sie ab und fahre zurück – ohne Kontakt zum Bestatter oder den Hinterbliebenen. Zunehmend erhalte das Geschäft auch wieder Bestellungen von Menschen außerhalb Burgdorfs, die Angehörigen in der Stadt eine Freude machen möchten: „Bei Pflegeheimen haben wir beispielsweise die Regelung, dass wir den Strauß zu einer vereinbarten Zeit auf einen Stuhl legen und die Mitarbeiter ihn dann reinholen.“ Auch das habe sich bewährt, sagt Klaus Krüger nach den ersten Tagen. Die Buchhändler: „Trotz der schwierigen Situation gibt es einen guten Zusammenhalt“, sagt Gabriele Frey von der Buchhandlung Freyraum. Sie nimmt mit ihren Mitarbeitern telefonisch und per E-Mail die Bestellungen entgegen, liefert in der Stadt mit dem Rad und in den Ortsteilen mit dem Auto aus und verschickt bei Bedarf auch Buchpakete bis nach Böblingen. Als Renner hätten sich die Überraschungspakete herausgestellt, sagt Frey. Dabei erstellt sie ein Set aus Büchern zu einem Genre, das die Kunden vorgeben. „Viele gehören zu unseren Stammkunden, wir wissen also, was sie gern lesen, und überraschen sie mit einem Angebot“, erklärt Frey. Wem dies nicht gefalle, könne das Buch selbstverständlich zurückgeben, aber: „Das kommt eher selten vor.“ Stattdessen erfahre sie eine große Resonanz und ein positives Feedback – ausschließlich kontaktlos, auch beim Abholen vor dem Geschäft. „Wir haben uns schon sehr früh auf die Situation eingestellt“, sagt Gitana Wegener von Wegeners Buchhandlung. Per E-Mail, auf der Homepage, in Telefongesprächen – auf ganz vielen Kanälen habe sie und ihr Team die Kunden informiert, dass sie weiterhin bestellen können. In der Innenstadt liefere die Buchhandlung mit dem Rad aus, in den Ortsteilen mit dem Auto. Vor dem Geschäft haben Wegeners eine Abholstation eingerichtet, um jeden persönlichen Kontakt zu vermeiden. Gleichwohl, sagt Gitana Wegener, merke sie, dass viele Kunden Wert darauf legten, im Gespräch zu sein. „Sie rufen an und bestellen das Buch am Telefon und nicht online oder per E-Mail“, hat sie festgestellt. Vor allem Belletristik sei in diesen Tagen gefragt, hin und wieder gebe es auch die Bestellung eines Sach- und Fachbuchs. Die Gastronomen: Genau elf Speisen finden sich auf der Karte, die Elmar Schulz und Ingmar Bähre vom Gasthaus Bähre in Ehlershausen für diese Corona-Woche erstellt haben. Fisch, Fleisch, Vegetarisch – alles findet sich darauf. Und doch stellen die Gastwirte fest: Die Gäste ordern vor allem die Bürgermeisterpfanne und ein Wiener Schnitzel vom Kalb, was eigentlich nicht auf der Speisekarte steht. „Das ist aber kein Problem, wir haben ja Zeit und können auf die Kundenwünsche eingehen“, sagt Schulz, der mit seinem Bruder am Sonnabend erstmals den Abholservice angeboten hatte. Am Sonntag erfüllte sich dann die Hoffnung auf steigende Nachfrage: Fast 100 Essen gingen über den Tresen – ganz ohne persönliches Aufeinandertreffen. Denn: „Die Kunden rufen an oder mailen ihre Bestellung, wir bereiten dann die Mahlzeiten zu einer bestimmten Uhrzeit zu“, sagt Schulz und fügt hinzu, das Abholen werde so getaktet, dass die Gäste sich und auch den Köchen nicht begegnen. „Wir weisen am Telefon extra darauf hin, dass sie pünktlich sein sollen.“ Von allen Seiten, sagt Schulz, gebe es großen Zuspruch. „Viele wissen, wie hart es die Gastronomie getroffen hat – Konfirmationen, Hochzeiten, Spargelessen, alles haben wir abgesagt.“ Umso mehr freue er sich über die Stammkunden, die ihre Treue zeigten oder selbst auch andere Wege gehen. So gibt das ortsansässige Unternehmen Hartmann-Valves ab sofort immer mittwochs der Belegschaft ein Essen aus – als Motivation für die Mitarbeiter und als Unterstützung von Gasthaus Bähre: „Wir hoffen, dass wir damit auch dort einen kleinen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten können“, heißt es in einer Mitteilung. Auf Suppen setzt in dieser Woche Oliver Schünemann vom Hotel Försterberg – noch. Denn nach der guten Resonanz der vergangenen Tage plant der Gastronom für die nächste Woche nun auch Schnitzel und für Ostern Lammgerichte. „Es ist gut, wenn die Gäste vorher anrufen und bestellen, dann können wir es punktgenau zubereiten, und niemand muss lange warten“, sagt er. Denn genau das solle ja vermieden werden. Die meisten kenne er, sie zählten zu den Stammgästen, die das Hotel nun unterstützen wollen. Erbsen- und Linsensuppe sowie Chili con Carne gingen aber auch vermehrt über den Tresen, weil Burgdorfer davon im Internet gelesen hätten oder gleich ihre Nachbarn und Freunde mitversorgten. Die Modegeschäfte: „Wir machen alles, was in unserer Macht steht und erlaubt ist“, sagt Julia Obermeyer vom gleichnamigen Modegeschäft. Deshalb kontaktiere sie die Kunden auch nicht aktiv von sich aus, sondern nehme die Anfragen entgegen, die übers Telefon oder per E-Mail reinkämen. „Auf Wunsch beraten wir zum Beispiel über Facetime oder WhatsApp“, sagt Obermeyer. Und wenn eine Kundin ein Kleidungsstück bestelle, liefere sie es nach Hause. Kontaktlos, das sei ihr sehr wichtig. Dabei setze sie auch auf soziale Medien wie Facebook oder Instagram. Das Bewusstsein, lokale Händler zu stärken, nehme zu, sagt Obermeyer. So nutzten Kundinnen zunehmend die Möglichkeit, einen Gutschein zu kaufen – den andere oder sie selbst dann später einlösten. „Unsere Kunden haben wir per Newsletter informiert, sie kennen aber auch schon unser Bestellsystem auf der Homepage“, sagt Harm Gosla r vom gleichnamigen Schuh- und Sportgeschäft, der dennoch regelmäßig in seinen Unternehmensräumen nach dem Rechten schaut. Auch Jörg Fehling vom gleichnamigen Modegeschäft schaut täglich in dem Laden an der Marktstraße vorbei. „Im Moment arbeiten wir die Aufträge ab, die vorliegen“, sagt er – also Einzelbestellungen oder Änderungen. Parallel dazu entwickele er neue Kommunikationswege wie einen Newsletter oder Telefonservice. „Über die sozialen Netzwerke erreichen wir längst nicht alle Burgdorfer, um sie über die Angebote in der Stadt zu informieren“, sagt er und dringt darauf, den Blick auf die Nach-Corona-Zeit zu richten: „Wie bringen wir möglichst alle Händler an einen Tisch, um sie zu stärken und zu vernetzen?“ Dieser Frage müssten sich alle in der Stadt stellen und sie gemeinsam – unter anderem über die Plattform „Burgdorf hält zusammen!“ – beantworten. Sie suchen weitere Angebote in Ihrer Nachbarschaft? Dann schauen Sie einmal bei der HAZ-Aktion „Support Your Locals“ vorbei. Gern können sich Unternehmen dort auch kostenlos registrieren lassen. Gut 400 Mitglieder hat Gerd Bleich, Geschäftsführer des Stadtmarketingvereins (SMB), in Zusammenarbeit mit der HAZ/NP, dem Marktspiegel, der Neuen Woche, der Stadt Burgdorf und dem VVV am Wochenende angeschrieben: Sie alle sollen die gemeinsame Plattform „Burgdorf hält zusammen!“ bestücken. „Wir planen eine Veröffentlichung in den lokalen Medien, auf einer eigenen Internetseite und auf allen sozialen Kanälen“, sagt Bleich und zieht nach dem Start ein erstes gutes Fazit: „Mehr als 80 Rückmeldungen haben wir schon erhalten.“ Die Firmen listeten ihre Angebote wie Lieferservice, Rabatte oder Gutscheine auf. „Für uns geht es um die Frage: Wie bekommen wir die örtlichen Unternehmen auf eine Schiene?“ sagt Bleich und fügt hinzu, die Liste werde fortlaufend aktualisiert. Weitere Informationen gibt der SMB unter Telefon (05136) 972 14 18. 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