Burgdorf: Solokünstlern brechen wegen Corona die Einnahmen weg

Kein Piraten- oder Rittersingspiel ohne Kinderliedermacher Matthias Lück und kein Straßenmusikfestival am Spittaplatz ohne Sänger und Gitarrist Daniel Fernholz. Beide Burgdorfer Solokünstler kämpfen zurzeit um ihre Existenz, weil ihnen die Einnahmen wegbrechen. Während Lück auf die von der Bundesregierung versprochenen Liquiditätshilfen hoffen darf, schlägt Fernholz hart auf dem Boden der Corona-Realität auf und rutscht vermutlich in die Grundsicherung ab. Burgdorfs Wirtschaftsförderer André Scholz spricht von einer Lücke im System. „Ich bin stinksauer“, entfährt es Daniel Fernholz aus Ehlershausen. Der ansonsten stets gut gelaunte Musiker, der seit Jahren nicht nur das Straßenmusikfestival für den Verein Stadtmarketing Burgdorf organisiert, eine Burgdorf-Hymne komponiert hat und zur Unterstützung des ehrenamtlich betriebenen Waldbads Ramlingen auch schon mal kostenlos auftritt, ist nicht gut zu sprechen auf die große Politik und deren Versprechen, auch Solounternehmer durch die Corona-Krise zu bringen: „Ich stehe mit null Euro da.“ Musikgeragoge fühlt sich im Stich gelassen: Fernholz verdient nach eigenen Angaben monatlich 1500 bis 2500 Euro brutto mit Auftritten in Clubs, bei Festivals, bei Geburtstagen, Hochzeiten und Beerdigungen sowie mit seinen Engagements als Musikgeragoge (Betätigung in der Bildung im Alter sowie der Weiterbildung älterer Menschen) in Altenheimen, wo er mit mithilfe sogenannter validierender Erinnerungsmusik mit Demenzkranken arbeitet: Lieder von früher, die bei den Senioren Reaktionen hervorrufen können, die im normalen Gespräch kaum noch möglich sind. Fernholz fühlt sich im Stich gelassen. Soforthilfen gebe es – „aber nicht für mich“, sagt er. Er arbeite von zu Hause aus, die Instrumente seien bezahlt, Fahrkosten fielen nicht an, weil alle Auftritte abgesagt seien und er in die Heime nicht hinein dürfe. Somit könne er keine Betriebskosten gegen seine Einnahmeverluste aufrechnen. Das aber verlangten die Förderrichtlinien. Im Frühjahr herrscht für den Burgdorfer Kinderliedermacher Mathias Lück (54) normalerweise Hochbetrieb. Dann ist er für gewöhnlich in Bayern, wo er im April und Mai für das Projekt „Kein Tag ohne Musik“ an verschiedenen Orten Kinderlieder-Praxisseminare für insgesamt 400 Erzieher aus Krippen, Kitas und Horten aus ganz Deutschland hält – eine seiner wichtigsten Einnahmequellen im Jahr. Auch für dieses Jahr waren die Anmeldungen längst abgeschlossen, Seminarräume und Hotelzimmer gebucht und das Material an die Teilnehmer verschickt. Dann kam die Corona-Krise. Lück hatte in den vergangenen Tagen alle Hände voll zu tun, das Rad organisatorisch zurückzudrehen, die Seminare abzusagen, die Hotelbuchungen zu stornieren und die Seminarteilnehmer zu informieren. Das war ein Fulltime-Job, an dem es jedoch nichts zu verdienen gab – so wenig, wie ihm seine anderen beruflichen Standbeine zurzeit einbringen. Ab Ostern hätte die Livesaison beginnen sollen. Doch alle Veranstalter, die ihn gebucht hatten, hätten zurückgezogen oder ihre Events verschoben. Sogar der Feuerwerkswettbewerb Anfang Juni, wo er hätte auftreten sollen, sei perdu. „Täglich kommen Mails mit Absagen. Man sieht die Dollarzeichen nur so wegfliegen“, sagt Lück. Auch das Maschseefest, wo er als einer von drei Maschsee-Piraten stets an zwei Tagen in der Woche jeweils drei Shows abliefert, sei unsicher. Alle Verträge seien stets so gestaltet, dass er dann auch kein Honorar bekommt. Wäre nicht seine Frau, die als Beamtin bei der Stadt Burgdorf arbeitet, sähe es wirtschaftlich finster aus. Denn auch sein drittes Standbein, die Workshops, die er in Kindertagesstätten in Burgdorf, Burgwedel und Hannover gibt, könnten zurzeit nicht stattfinden. Die Begegnungen mit den Kindern fehlen Lück. „Ich habe oft das Gefühl, dass ich genau das Richtige tue und kleinen Menschen was mitgeben kann“, sagt der gelernte Gärtner, der seine Liebe zur Musik zu seinem Beruf machte und sich in diesen Tagen mit dem Komponieren beschäftigt. Lück schreibt neue Lieder zu „Das große Buch der kleinen Tiere“ von Bernhard Lassahn. Womöglich entstehe ein Hörbuch daraus, hofft Lück. Von der Musik könne er leben, „nicht zum reich werden, aber zum glücklich bleiben“. Im Moment allerdings drücken ihn eher Sorgen. Auch mit Blick auf seine Kollegen in der Musikerszene, in der er gut vernetzt ist, spricht er von einer „knallharten Situation“. Er findet, dass die Stadt auch eine Fürsorgepflicht habe gegenüber ihren Kulturschaffenden. Die Gesellschaft werde die Corona-Krise nur überstehen, wenn alle zusammenrückten und zusammenhielten. „Wir müssen für einander einstehen, ohne uns körperlich nahezukommen“, lautet sein Herzenswunsch. Einen Antrag auf Liquiditätsunterstützung für Unternehmen hat Fernholz gleichwohl gestellt. Mit Geld rechnet er nicht. Anders sein Kollege Mathias Lück: Der Kinderliedermacher beklagt wie Fernholz, dass nichts mehr hereinkommt: weder aus Fortbildungen für Erzieher, seiner Haupteinnahmequelle in dieser Jahreszeit, noch mit Workshops in Kindergärten, Liveauftritten und Gitarrenunterricht. 8000 bis 10.000 Euro Umsatz fehlten in diesem Frühjahr, wo er normalerweise mit Erziehern in Bayern arbeitet. „Das tut richtig weh.“ Lück stellte Anfang dieser Woche seinen Antrag bei der N-Bank (Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen), obgleich ihm Formulare ein Graus sind- „Ich bin musikalisch, andere formularisch.“ Immerhin konnte er seinen Einnahmeverlusten laufende Betriebskosten gegenüberstellen und hat damit Aussicht auf die zugesagte Unterstützung. Für sein Equipment hat er ein Lager gemietet. Dazu kommt die Finanzierung des Autos, das er für die Fahrten zu seinen Kunden braucht, außerdem entstehen Kosten für Telefon, Strom und das Arbeitszimmer. „Mal gucken, was da kommt, und wie schnell das geht“, sagt Lück, der wirtschaftlich nur deshalb überlebt, weil seine Frau als Beamtin ein sicheres Einkommen hat. Wirtschaftsförderer: „Lücke im Zuschussprogramm“: Anders sieht es bei Fernholz aus, dessen Frau mit einem Yogastudio selbstständig ist und aktuell erhebliche Einnahmeverluste verkraften muss. Als André Scholz, Wirtschaftsförderer der Stadt Burgdorf, von Fernholz’ Fall erfährt, will er zunächst nicht glauben, dass der Musiker durch den Liquiditätsrost fällt. Nach eigenen Recherchen bei der Region Hannover und dem Netzwerk Musikland Niedersachsen bestätigt Scholz dann aber: „Ja, das ist eine echte Lücke im Zuschussprogramm.“ Scholz fragte sogar per E-Mail im Wirtschaftsministerium des Landes nach, wie das sein kann. Eine Antwort steht aus. Unter Berufung auf die Region Hannover gab er Fernholz die Auskunft, dass die Liquiditätszuschüsse in seinem Fall wohl nicht fließen würden, sondern dieser die Grundsicherung beantragen müsse. Die beträgt laut Jobcenter Hannover 432 Euro für eine einzelne Person, für eine zweite Person in einer Bedarfsgemeinschaft 389 Euro. Oben drauf kämen noch die Kosten für Miete und Nebenkosten. Vereinfachte Anträge könnten bis zum 30. Juni gestellt werden. Antragsformulare seien auf der Internetseite des Jobcenters eingestellt, dessen Mitarbeiter unter der Corona-Hotline (0511) 65590 erreichbar seien und beim Ausfüllen helfen würden. 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