Corona in Burgdorf: Angebote von Jugendtreffs und JohnnyB. ändern sich

Freunde treffen, gemeinsam skaten, kicken oder ins Kino gehen – darauf müssen Kinder und Jugendliche seit Monaten verzichten. Damit bekommen die Jugendtreffs in den Ortschaften und das JohnnyB. eine besondere Bedeutung, denn sie dürfen unter Corona-Auflagen öffnen. Über Homeschooling im Jugendtreff, Frust und Sehnsucht nach Normalität spricht Jugendpfleger Horst Gohla mit Redaktionsleiterin Antje Bismark. Gerade Jugendliche sehen sich im Moment dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden die Corona-Regeln verletzen. Teilen Sie diese Aussage? Nein, denn wir erleben zwar auch, dass die Kids sich mal treffen wollen, dass sie sich zum Skaten verabreden oder einfach mal zum Quatschen. Aber wir stellen auch zunehmend fest, dass sich das Miteinander verändert. Sie begegnen sich nicht mehr so unbedarft wie vor Corona, sondern oft sehr verhalten. Viele sind verunsichert und fragen uns: Was dürfen wir jetzt eigentlich überhaupt noch machen? „Die Kids fühlen sich aus dem Leben gerissen“: Was antworten Sie darauf? Wir erklären die Regeln immer wieder: Maske, Desinfektion, Abstand. Es geht darum gesund zu bleiben. Aber natürlich verstehen die Kids nicht, dass sie vormittags mit der halben Klasse in einem Raum sitzen und nachmittags ein Bußgeld kassieren, wenn sie zu dritt skaten. Sie fühlen sich aus dem Leben gerissen, weil sie gern etwas mit anderen unternehmen wollen – und nach einem Jahr werden sie jetzt ungeduldig. Umso mehr Geduld brauchen wir für unsere Arbeit. Wie hat sich die Arbeit in den vergangenen zwölf Monaten verändert? Von der Offenen-Tür-Arbeit, wie wir sie kannten, sind wir weit entfernt. Vorbeikommen, mitmachen, reden, spielen, Musik hören, kochen oder einfach am Computer sitzen – das geht alles nicht mehr. Allein, dass wir Termine für einen Besuch vergeben oder die Daten für eine mögliche Nachverfolgung erfassen, bedeutet einen gravierenden Einschnitt. Jede Einrichtung hat ein eigenes Konzept entwickelt, um öffnen zu können. Jenseits dieser Dinge gehen wir auch anders auf die Kids zu, können sie zum Beispiel zum Trösten nicht mehr in den Arm nehmen. „Es gibt psychische und körperliche Gewalt in den Familien“: Wäre das denn im Moment mehr nötig als vor Corona? Sagen wir es so: Wenn wir die Sorgen der Kids erfahren wollen, brauchen wir ein feines Gespür für ihre Nöte und ihr Vertrauen. Das müssen wir erarbeiten und aufbauen, denn es gibt psychische und körperliche Gewalt in den Familien. Das sagt aber niemand offen, sondern wir merken es in Gesprächen. Und erst danach können wir nach Hilfe suchen, denn klar ist, dass in solchen Fällen die Profis in die Familien gehen müssen. Wie geht die Jugendpflege in solchen Fällen vor? Unsere Teams halten den Kontakt zu den Schulen, aber zum Beispiel auch zur mobilen Jugendhilfe, zum Kinderschutzbund und zum Mehrgenerationenhaus. Mit den Mitarbeitern sprechen wir, wenn ein Kind oder Jugendlicher eine Unterstützung braucht. Dabei hilft es durchaus, dass Burgdorf nicht so anonym wie eine Großstadt ist. Hier kommt man schneller zum Ziel bei der Frage: Wer hilft? Wir erfahren beispielsweise im Gegenzug von Schulen, wenn jemand nicht mehr am Unterricht teilnimmt und können frühzeitig unterstützend eingreifen. „Wir sehen eine soziale Schieflage, die niemand ignorieren darf“: Welche Hilfe können Sie bieten? Zunächst einmal warten wir nicht, dass jemand zu uns kommt – stattdessen spricht die aufsuchende Jugendarbeit die Betroffenen direkt an. Oft zeigt sich, dass sie Hilfe beim Homeschooling brauchen. Wenn ein Laptop fehlt, dann können wir aushelfen. Andere kommen in die Treffs, weil ihnen zu Hause die entsprechende Datenleitung fehlt. Am Nachmittag sind deshalb oft alle Rechner in den Treffs belegt. Wir sehen eine soziale Schieflage, die niemand ignorieren darf. Zusätzlich bieten wir Unterstützung bei Schulabbrüchen an und suchen gemeinsam nach Alternativen. Gemeinhin sagt man den Kindern und Jugendlichen ja nach, dass sie gern am Computer sitzen. Also müssten digitaler Unterricht oder Computerspiele ihren Bedürfnissen entsprechen? Wer eine Woche Unterricht am Bildschirm hatte, hört nicht mehr zu. Viele Jugendliche schalten ab, das kriegen wir immer wieder mit. Ich ziehe den Hut vor jedem Lehrer, der seinen Unterricht digital gut gestaltet. Doch wir müssen auch bedenken, dass etliche Jugendliche, insbesondere geflüchtete Jugendliche, unter extrem schwierigen Verhältnissen lernen. Oft erledigen sie ihre Aufgaben nicht am PC, sondern nur über das Handy, da sie keinen PC zur Verfügung haben und trauen sich auch nicht nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehen. Letztlich wissen wir aber auch, dass selbst diejenigen, die gerne am PC sitzen, irgendwann mal raus wollen. Dafür müssen wir Angebote entwickeln. Wie sehen diese Angebote in Burgdorf aus? Ganz unterschiedlich. So übt die Zirkusgruppe mit einem Teilnehmer und einem Betreuer, das haben wir ganz genau durchgetaktet. Die Kids für die anderen Räume wechseln im 45-Minuten-Rhythmus, danach desinfizieren wir alles. Im Südstadtbistro nutzt zum Teil eine Familie coronakonform die Räume, oder das Team schreibt den Kindern auch mal Briefe. Die Mitarbeiter in Otze suchen die Kids oftmals auch privat auf, das geht im dörflichen Raum gut. Und in Ehlershausen gibt es zum Beispiel einen Beratungskiosk, wo die Jugendlichen mit Stephanie Luscheit eine Ansprechpartnerin finden. Seit zwei Jahren arbeitet Horst Gohla als Stadtjugendpfleger, davor hatte er das JohnnyB. an der Sorgenser Straße geleitet. In der Jugendarbeit ist der 61-Jährige seit 1993 tätig – und das nach wie vor mit großer Begeisterung, wie der zweifache Vater sagt. Er studierte zunächst Sozialpädagogik in Hannover, schloss daran eine Qualifikation als Theaterpädagoge und Dramatherapeut an. Zudem wirkte er als Lehrkraft am Pestalozzi-Seminar in Burgwedel. Seine Leidenschaft fürs Theater nutzt er heute noch für die Arbeit, wenn er zum Beispiel mit den Jungen und Mädchen im Rollenspiel übt, wie sie am besten miteinander umgehen sollten. Und was bieten Sie digital an? Dank eines Kollegen haben wir einen Medienraum eingerichtet, in dem sich die Kids persönlich und virtuell treffen können. Und dank der Pandemie hat sich für uns ein Traum erfüllt – dass wir einen regionsweiter Server namens Discord-Server nutzen können. Dort können sie virtuell spielen, sich in Räumen verabreden und quatschen. Gut angenommen wird zum Beispiel „Fifa 21“ auf der Leinwand – auch wenn die Kids natürlich lieber im Stadion wären. „Wir zeigen, wie spontan und flexibel wir sind“: Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Corona vorbei ist? Dann atmen wir durch und intensivieren die Kulturarbeit. Wir planen ein Familienfest, sobald es erlaubt ist. Das haben wir schon oft geplant und die Pläne in den Papierkorb geworfen. Aber wir planen weiter fleißig, vorzugsweise für Außenveranstaltungen. Und im Mai oder Juni öffnen wir einen Hochseilgarten im Stadtpark, wenn es sein muss mit einer Eins-zu-eins-Betreuung. Da zeigen wir, wie spontan und flexibel wir sind – wie eben im gesamten vergangenen Jahr. Von Antje Bismark