Corona in Burgdorf: Tafel setzt auf Abstand, Hygiene, Spenden

Das rot-weiße Absperrband ist wahrlich keine Weihnachtsdeko. Sein Zweck besteht darin, den Wartenden keine andere Wahl zu lassen, als vor der Lebensmittelausgabe in einer langen Schlange anzustehen. Das dient ihrem eigenen Schutz: Es senkt das Ansteckungsrisiko. Eine Mund-Nasen-Bedeckung ist ebenso Pflicht wie das Ausfüllen des Bogens für die „Kontaktverfolgung nach der niedersächsischen Corona-Verordnung“. Anderes wiegt weitaus schwerer für die Kunden der Burgdorfer Tafel: dass sie nur noch im Zwei-Wochen-Takt zum Paulus-Gemeindezentrum in der Südstadt kommen dürfen etwa. Und dass Frisches dort derzeit Mangelware ist. Die Pandemie setzt die Bedürftigsten auf Schmalkost. Gut, dass es dank der Unterstützung Hunderter Bürger trotzdem noch etwas zu verteilen gibt. Von der Spendenbereitschaft ist Vorsitzender Thomas Wortmann angetan. „Sie, die Spender, sind die Tafel. Wir machen nur die Logistik“, sagt er. Bis zu 450 Menschen profitieren von der Tafel: Bei der ersten Corona-Welle im Frühjahr hatte die Tafel dicht gemacht. Mindestens die Hälfte der 70 ehrenamtlichen Helfer gehört altersmäßig zur Risikogruppe. „Wir waren mit dem Virus total überfordert“, gesteht Wortmann ein. Mit dem Neustart Ende Mai gab es erste Risikominimierungsmaßnahmen, die im November weiter verschärft wurden. Die rund 150 berechtigten Kunden, hinter denen weitere 350 bis 450 unterstützungsbedürftige Menschen stehen, wurden in zwei Gruppen unterteilt, die sich nun bei den Ausgabeterminen am Sonnabendnachmittag abwechseln. Pro Familie darf nur noch eine Person kommen – und dass Abstand gehalten wird, wird kontrolliert. Das Flatterband ist Teil des mit dem städtischen Ordnungsamt im November abgesprochenen Hygienekonzepts. Auch für die ehrenamtlichen Tafel-Mitarbeiter gab es einschneidende Veränderungen. Zunächst wurde das Sortieren der Lebensmittelspenden, die sonst am Sonntagvormittag jeweils mit zwei Bussen eingeholt werden, von drinnen vor das Paulus-Gemeindezentrum ins Freie verlegt. Dort ist jetzt auch die Ausgabe, die hinter Kunststoffscheiben und Flatterband wie ein Schalter wirkt. Um es dem Coronavirus möglichst schwer zu machen, wurde alles auf schnellen Durchlauf getrimmt. Jeweils nur noch vier maskierte Helfer aus zwei Haushalten managen die Registrierung und die Übergabe der einheitlich vorgepackten Taschen. Das erledigen Ehepaare. Oder Geschwister wie Doris Regenhardt und Thomas Munzel, die unter einem Dach wohnen. „Wir packen immer.“ Verzicht auf Milchprodukte, Obst und Gemüse: Was zu verteilen ist, hat wegen der Pandemie dramatisch abgenommen. Seit Anfang November werden Supermärkte und Bäckereien nicht mehr angefahren, um die Ehrenamtlichen nicht möglichen Ansteckungsrisiken durch direkte Kontakte auszusetzen, erklärt der Vorsitzende. Die Konsequenz: Es gibt keine Milchprodukte mehr, weder Gemüse noch Obst oder frische Backwaren, die sonst von einem circa 20-köpfigen Tafelteam für die Ausgabe vorbereitet wurden. So wurde am letzten Sonnabend vor Weihnachten viel Haltbares ausgegeben: Reis, Nudeln, Nussnougatcreme, Tomatensuppe, Kekse, Kaffee, Reis und Süßigkeiten. Aber auch Butter, Äpfel, ein Kürbis und Kartoffeln fanden sich in den Tüten. Zu früher sei das „ein großer Unterschied“, erklärt eine 43-jährige Tafelkundin in der Schlange: Besonders fehlten ihr die frischen Sachen: „Das war früher, als ob man es frisch im Laden kaufte.“ Gleichzeitig leide der Zusammenhalt zwischen den Kunden unter den Hygieneregeln. „Früher haben wir auch mal getauscht.“ Klar habe sie Verständnis für alle Einschnitte, sagt die alleinerziehende und nierenkranke Mutter von zwei Kindern, aber: „Wie lange soll das noch gehen, dass immer wir die Leidtragenden sind?“ Wer die Burgdorfer Tafel bei ihrer Arbeit unterstützen möchte, hilft im Augenblick am besten mit zweckgebundenen Geldspenden. Sie ermöglichen, das Lebensmittelangebot durch Zukäufe gezielt zu ergänzen. Willkommen sind auch stets Ehrenamtliche. Aktuell könne besonders der Fahrdienst Verstärkung gebrauchen, erklärt Vorsitzender Thomas Wortmann. Ansprechpartnerin in allen Spendenfragen ist seine Stellvertreterin Manuela Haacke, Telefon (0152) 09907117. Wer mehr über den Verein wissen möchte, findet im Internet unter www.burgdorfer-tafel.de die informative Homepage. Eine Welt, in der eine Tafel nicht benötigt wird, sie wäre auch Thomas Wortmann lieber. Bis dahin aber ist er froh und dankbar, wie groß der Rückhalt seines Vereins in der Gesellschaft ist. „Wir sind sehr gut bedacht worden mit großen und kleinen Spenden“ – von Privatleuten, Belegschaften, Schulen, Kirchengemeinden, Firmen. Im Augenblick zehrt die Tafel von 400 großen Einkaufstaschen, die Rewe-Kunden bei der Aktion „Burgdorf hilft“ prall gefüllt haben. Mit zweckgebundenen Geldspenden konnten en gros Grundnahrungsmittel eingekauft werden – voluminöse Lebensmittelspenden werden auch mal in Bremen abgeholt. Was der Tafel in der jetzigen Situation dabei sehr zugute kommt, ist, dass sie neuerdings über Lagerräume verfügen kann, die die Stadt Burgdorf ihr in der umgebauten Hausmeisterwohnung der Gudrun-Pausewang-Schule zur Verfügung gestellt hat. Was dort in stabilen Supermarktregalen eingelagert ist, wird allemal ausreichen für den Tafel-Neustart im nächsten Jahr: am Sonnabend, 9. Januar, nachmittags in der Südstadt. Von Martin Lauber