Corona in Burgwedel: Physiotherapeutin zählt von mehr Homeoffice-Beschwerden

Konzentriert und gezielt knetet Simone Behnke an diesem Morgen das Fußgelenk des Mannes auf ihrer Behandlungsliege. Patient Jan-Henrik Behnken hatte sich bereits im Sommer den Knöchel beim Fußballspielen mit Freunden gebrochen. „Mit legalen Mitteln war ich einfach nicht zu stoppen“, sagt er und lacht. Die Behandlung verläuft fast so, wie sie ohne Corona-Pandemie auch ablaufen würde. Nur ein paar kleine Details haben sich verändert: Therapeutin und Patient tragen FFP2-Masken, die Fenster sind gekippt, im Raum steht ein Luftreiniger. Außerdem trägt Behnke Einweghandschuhe. Tafelhelfer, Künstler, Landwirt oder Polizist: In unserer Serie „Eine Stunde mit ...“ wollen wir die Menschen aus dem Nordosten der Region zum Gespräch bitten, sie kennenlernen und ihre Geschichten erzählen. Unsere Reporter sind überall unterwegs, um eine Stunde mit ihnen zu verbringen. Seit März befindet sich auch die Physiotherapiepraxis Physis in Großburgwedel im Corona-Modus. „Abgesehen von den Hygienemaßnahmen herrscht bei uns fast Normalbetrieb. Aber es ist aufwendiger und anstrengender geworden“, sagt Behnke. Vor und nach jeder Behandlung werden Liegen und Geräte desinfiziert, Türklinken und Wasserhähne zudem halbstündlich. Zwischen den Behandlungen ist das Stoßlüften Pflicht. Patienten haben Masken für die Praxis genäht: Mit einigen Maßnahmen habe man begonnen, lange bevor sie vorgeschrieben wurden. So gelte in der Praxis schon seit April eine Maskenpflicht. „Am Anfang sind wir dafür noch belächelt worden“, sagt Behnke. Einige Patienten hätten extra für die Praxis Masken genäht, weil diese damals noch schwer zu bekommen waren. „Die lagen dann hier aus, und wer keine eigene hatte, hat kostenlos eine bekommen.“ Die Patientinnen und Patienten hätten anfangs etwas Zeit gebraucht, um sich an die neuen Regeln zu gewöhnen. „Einige haben die Maske abgenommen, sobald sie im Behandlungszimmer waren. Oder die Nase rausschauen lassen, wenn sie bäuchlings auf der Liege lagen“, sagt Behnke. Deshalb haben sie und ihr Team überall Hinweisschilder angebracht – auch auf dem Boden unter der Liege. Inzwischen sei die Akzeptanz für die Maßnahmen aber sehr hoch. „Ich muss unsere Patienten ausdrücklich loben. Ohne deren Disziplin und Rücksichtnahme würde es nicht so gut funktionieren“, sagt die Therapeutin. Maskenverweigerer habe es in der Praxis noch keine gegeben. Physiotherapiepraxis hat jetzt Corona-Schnelltests: Ein paarmal wurden die Hygienemaßnahmen auch schon auf die Probe gestellt, weil sich Patienten meldeten, die kurz nach einer Behandlung positiv getestet wurden. „Im September haben wir die Praxis nach so einem Fall freiwillig zwei Tage geschlossen und das gesamte Personal auf Praxiskosten testen lassen“, berichtet Behnke. Niemand hatte sich angesteckt. Inzwischen hat die Praxis für solche Fälle Schnelltests angeschafft, um sicherzugehen. „Bisher ist alles gut gegangen. Alles andere würde mich bei unseren Maßnahmen aber auch wundern“, sagt Behnke. Sie fühle sich sehr sicher bei der Arbeit, beim Einkaufen zum Beispiel mache sie sich mehr Sorgen. Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 habe es noch viele Terminabsagen gegeben, weil Menschen sich unsicher gefühlt hätten. Nach und nach habe sich das aber wieder normalisiert. Trotzdem führe die Physiotherapeutin auch jetzt noch etwas weniger Behandlungen durch als vor der Pandemie. „Alles ist ein bisschen runtergefahren, die Leute gehen auch weniger zum Arzt“, sagt sie. Die Praxis bietet momentan nur Behandlungen an, die ärztlich verschrieben worden sind. Die verschiedenen Arten der Behandlungen laufen fast alle weiter. „Nur Behandlungen im Mund zur Lockerung der Kiefermuskulatur vermeiden wir, weil dabei natürlich keine Maske getragen werden kann“, sagt Behnke. Wenn aber ein Patient mit sehr großen Schmerzen solch eine Behandlung unbedingt brauchen würde, würde man sie mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen wie einem Gesichtsvisier auch durchführen. Bewegungsmangel im Homeoffice: Was sich aufgrund der Pandemie stark verändert hat, sind die Beschwerden der Menschen, die zu Behnke in die Praxis kommen. Sportverletzungen seien deutlich seltener geworden, weil Kontaktsport im Lockdown nicht erlaubt ist. Dafür kämen mehr Menschen, die über Verspannungen oder diffuse Schmerzen zum Beispiel im Rücken klagen. Behnke führt das darauf zurück, dass viele Menschen sich viel weniger bewegen, zum Beispiel, weil sie im Homeoffice arbeiten. „Wenn die einzigen Wege vom Schreibtisch in die Küche und dann ins Bett führen, fehlt es an Alltagsbewegung.“ Das könne dann zu Schmerzen führen. Ihre Tipps, um dem vorzubeugen: „Ein bisschen mehr spazieren gehen, jeden Morgen ein paar Liegestütze und Sit-ups machen.“ Mit wenig Aufwand lasse sich so viel erreichen. Auch im sozialen Umgang mit den Patienten hat Behnke teilweise Veränderungen bemerkt. Sie merke, dass einige einsamer geworden seien und noch stärker das Bedürfnis hätten zu plaudern. Auch die körperliche Nähe zu anderen fehle vielen. Ihr sei es deshalb wichtig, in der Pandemie für ihre Patienten da zu sein und auch eine gewisse Ruhe auszustrahlen. Ein Satz geht ihr dabei täglich über die Lippen: „Das wird schon wieder alles gut werden.“ Von Yannick von Eisenhart Rothe