Garbsen: Heim-Seelsorger Ulrich Tietze geht in den Ruhenstand

So hatte sich Ulrich Tietze seinen allerletzten Arbeitstag sicher nicht vorgestellt. „Ich werde noch eine Beerdigung halten, dann gebe ich mein Diensthandy ab“, sagt der 65-jährige Pastor, dessen letzte berufliche Station die Seelsorge in den Pflegeheimen in Garbsen war. Am 30. Juni geht er in den Ruhestand – wegen Corona ein wenig leiser als geplant. So ganz durch die Hintertür verschwinden will der Theologe aber nicht, wie er sagt. Für November ist ein Abschiedsgottesdienst geplant. Seit Beginn 2018 war Tietze in den Heimen als Seelsorger im Einsatz. Regelmäßig feierte er mit den Bewohnern im Wilhelm-Maxen-Haus, im Haus der Ruhe und im Heidehaus Gottesdienste, er traf sie zu persönlichen Gesprächen, betreute und begleitete sie. „Beerdigungen gehörten auch dazu“, so der Theologe. 70 bis 80 Mal musste er in den vergangenen mehr als zwei Jahren Angehörige auf dem Friedhof begleiten. „Die älteste Person, die in meiner Zeit als Seelsorger gestorben ist, war eine 104 Jahre alte Frau“, sagt Tietze. „Heime habe eine eigene Dynamik“: Eine „intensive Zeit“ seien die vergangenen Jahre gewesen, so der Pastor, dessen beruflicher Weg geprägt ist von Veränderungen und extremen Gegensätzen: Nur wenige Jahre arbeitete Tietze ab 1970 als Gemeindepfarrer, dann zog es ihn für zwölf Jahre als Seelsorger in die Justizvollzugsanstalt Hannover, dann ins Henriettenstift in Hannover. Pflegeheime hätten ihre ganz eigene Dynamik, sagt er. „Die Kontakte sind langfristiger als im Krankenhaus. Die Menschen werden das Heim voraussichtlich bis zu ihrem Lebensende nicht mehr verlassen. Und ich begleite sie dabei.“ Die regelmäßigen Gottesdienste hätten ihn erfüllt, sagt Tietze, „ich habe die Seelsorge aber immer als Mittelpunkt meiner Arbeit gesehen“. Sein Theologenweg sei genau der richtige für ihn gewesen. Ausbildung zum Sterbebegleiter: Menschen zuhören, ihnen Trost spenden und Rat geben –das wird Tietz auch in seinem Ruhestand. Der 65-Jährige will sich zum Hospizbegleiter ausbilden lassen. Das sei eine „edle und wichtige Aufgabe“, findet er. An seinem neuen Wohnsitz in Hildesheim hat er zudem bei der JVA für Frauen angefragt. „Ich freue mich auf die Arbeit dort.“ Auch für sein Hobby, das Wandern in den Wüsten der Welt, wird er mehr Zeit haben. Für Oktober ist die nächste Tour geplant. „Ich freue mich auch darauf, mich noch mehr in die Familienforschung zu stürzen“, sagt Tietze. Ein Buch über seine Großmutter hat er bereits geschrieben, gerade recherchiert er zu seinem Großvater. Ein weiteres Buch ist in Planung. „Ich werde mich nicht langweilen“, sagt Tietze. „Es wird sicherlich noch einiges auf mich zukommen. Aber ich kann entscheiden, wie viel ich machen möchte.“ Und dann sagt er einen Satz, der nach tiefster Zufriedenheit klingt: „Ich bin mit allem im Gleichgewicht.“ Für seinen baldigen Ruhestand ist das ein guter Start. Von Linda Tonn