Garbsen: Zahl der Ausbildungsstellen steigt um 38 Prozent

Trotz der Schwierigkeiten in vielen Branchen durch die Corona-Pandemie bleibt die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen in Garbsen hoch. Der Zuwachs an Stellen in allen Berufsfeldern ist sogar um rund 38 Prozent gestiegen, so die aktuelle Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Derzeit sind in Garbsen 172 freie Ausbildungsstellen gemeldet – das sind 48 mehr als im Vorjahreszeitraum 2020 und auch deutlich mehr als vor der Pandemie. „Viele Unternehmen planen offenbar jetzt für die Zeit nach der Pandemie“, sagt Gabriele Haferlach, Koordinatorin der Jugendsberufsagenturen (JBA) in Garbsen und Hannover. „Das ist ein wichtiges Signal“, sagt die 51-Jährige, seit Ende 2019 Nachfolgerin von Hartmut Berg, der die JBA seit ihrer Eröffnung 2015 koordinierte. „Und wir erhoffen uns in den nächsten Wochen einen weiteren Anstieg.“ Mehr Stellen gibt es etwa im Bereich der Herstellung von Nahrungsmitteln. So erhöht sich die Anzahl der gemeldeten Lehrstellen im Bäckerhandwerk von zehn im Jahr 2020 auf 18 in 2021. Auch bei den Kaufleuten für Bürokommunikation ist der Bedarf höher. Hier steigen die gemeldeten Ausbildungsstellen von 14 (2020) auf 33 in diesem Jahr. In den Berufen im Gesundheitswesen, etwa bei Arzt- oder Zahnarzthelferinnen und -helfern, ist der Bedarf laut Statistik hoch. Leicht rückläufig sind indes die Angebote im Einzelhandel – ohne den Bereich Kfz. Lesen Sie auch: Ausbildungssuche: Betriebe und Bewerber finden sich digital Weniger Bewerber als im Vorjahr: Folgen hat die Corona-Pandemie aber offenbar auf die Anzahl der Bewerber. Aktuell sind für Garbsen 198 Ausbildungssuchende bei der Arbeitsagentur gemeldet, das sind 37 und damit 15 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. „Das große Thema dieses aktuellen Ausbildungsjahrgangs ist die fehlende Orientierung“, sagt Haferlach. Praktika in den Betrieben fänden jetzt seit fast einem Jahr quasi nicht mehr statt. „Der Draht zu den Ausbildungslotsen in den Schulen ist zwar eng, aber auch unsere Berufsberater können momentan nicht in die Schulen kommen.“ Stattdessen setzt die Jugendberufsagentur auf neue und digitale Wege. Ob Berufs- oder Studienberatung, ob Fragen zu Bewerbungen, Umgang mit Behörden oder finanzielle Fragen wie Überschuldung: Das Team der JBA und auch die Partner der Jugendberufshilfe (PACE) und das Jugendjobcenter seien für die jungen Menschen weiter erreichbar, telefonisch oder per Videoberatung. In ganz dringenden Fällen gibt es auch einen persönlichen Kontakt. „Wir finden immer eine Lösung und treffen uns bei Bedarf auch zu Spaziergängen“, sagt Haferlach. „Walk and Talk haben wir dieses Angebot genannt.“ Wichtig seien zudem Angebote im Internet wie die Portale azubiwelt.de und Check-U, ein Format, um persönliche Stärken zu testen. Für Mitte März ist eine ganze digitale Woche der Ausbildung geplant. Auch eine Last-Minute-Lehrstellenbörse werde es laut Haferlach 2021 wieder geben. „Wir müssen sehr genau hingucken, dass wir die jungen Menschen jetzt nicht verlieren“, sagt sie. „Sonst erreichen uns die Corona-Spätfolgen zeitversetzt mit einem noch stärkeren Fachkräftemangel.“ „Der Fachkräftemarkt im Bäckerhandwerk ist leer gefegt“, sagt Marco Langrehr, Chef der gleichnamigen Bäckerei mit Stammsitz in Havelse. „Daher müssen wir unseren Nachwuchs selbst ausbilden.“ Auch 2021 sucht das Unternehmen mit 19 Filialen in der gesamten Region Auszubildende: zum Bäcker, Konditor oder im Bäckereifachverkauf. „Wir haben schon einige Bewerbungen erhalten, aber nehmen noch gern welche entgegen“, sagt Langrehr, Das Familienunternehmen in dritter Generation sucht seit einigen Jahren erfolgreich mit ungewöhnlichen Strategien nach Nachwuchs. Langrehr hat Slogans für Plakate und die Homepage erfunden: „Back langsam 5.0“, „Alice im Plunderland“ und „Snacks and the City“. Alle sind Anspielungen auf Kinofilme oder angesagte Serien. „Das kommt bei den Jugendlichen an“, sagt er. „Außerdem sind Bäcker in der Pandemie systemrelevant.“ jgz „Die heutigen Auszubildenden sind die Fachkräfte von morgen“, davon ist Robert Andreas Hesse, Inhaber von Möbel Hesse in Garbsen, überzeugt. Der Mangel an Nachwuchskräften sei auch im Handel ein Riesenthema, so der 59-Jährige. Das Unternehmen bildet ab 1. August 2021 Kaufleute im Einzelhandel, Mitarbeiter im Bereich Lager/Logistik sowie Kaufleute für Büromanagement aus. „Wir nehmen noch Bewerbungen entgegen und bieten jedem Einzelnen die Chance, übernommen zu werden“, sagt Hesse. Das Unternehmen wirbt in den Sozialen Medien, auch Praktika seien möglich – nach dem Lockdown und unter Einhaltung der Corona-Regeln. Das Einrichtungshaus bildet aktuell 16 junge Menschen aus. Möbel Hesse setzt für den aktuellen Ausbildungsjahrgang erstmals auf ein Tandem, bei dem sich Azubis, die schon länger in Haus lernen, eng mit den Neulingen austauschen. jgz Die Stadt Garbsen hat die Zahl der Auszubildenden seit 2016 verdreifacht. Aktuell sind es 18: von IT-Systemadministratoren bis zum Gärtner. Für 2021 ist das Bewerbungsverfahren bereits beendet, zum 1. August beginnen neun Auszubildende bei der Stadt. „Der Fachkräftemangel ist in den Verwaltungsberufen spürbar“, sagt Stadtsprecher Benjamin Irvin. Die Stadt hat vor Kurzem eine neue Karriereseite samt Ausbildungsbereich auf ihrer Homepage gestartet. Nachwuchs im öffentlichen Dienst ist begehrt: „Wir sind von anderen großen Verwaltungen und Behörden des Landes umgeben“, sagt Irvin. Alle bemühten sich um Auszubildende. Die Pandemie hat sich laut Irvin wenig auf das Bewerbungsverfahren ausgewirkt. Das Homeschooling aber präge die Ausbildung sehr. „Die Auszubildenden sind in der Verantwortung, sich die Inhalte überwiegend im Selbststudium beizubringen.“ jgz Von Jutta Grätz