Gehrden: Wie ist der Schulalltag im Lockdown.

Für die Jungen und Mädchen der 1d ist es sonnenklar. Es ist schöner in der Schule zu sein als zu Hause allein lernen zu müssen. „Ich bin lieber hier“, ruft ein Junge durch das Klassenzimmer. Die Stimmung bei den Kindern von der Grundschule Am Castrum ist gut – trotz der ungewohnten Situation. Und es sind auch nicht alle ihrer Mitschüler gekommen. Nachdem Kultusminister Grant Hendrik Tonne den Eltern frei gestellt hat, ob sie ihr Kind in den Unterricht schicken oder nicht, sind in der Grundschule Am Castrum etwa 35 Prozent der Kinder nicht da. „Wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen“, sagt Klassenlehrerin Christina Andree und wirkt dabei sehr gelassen. Auch wenn sie weiß: Es wird wieder ein lange Tag. Wenn sie nach Hause kommt, warten dort drei eigene Kinder, dazu diejenigen Schüler, die im Homeschooling betreut werden müssen. Unterrichtet wird seit dem 18. Januar an den Grundschulen nur im Wechselmodell und nicht im gesamten Klassenverband. „Es ist schon eine Herausforderung“, sagt Andree. Die Stimmung bei Stefanie Diemert und Nina von Zimmermann war auch schon einmal besser. Die Leiterinnen der Gehrdener Grundschulen organisieren in Corona-Zeiten den Unterricht. Mit erheblichem Aufwand und großer Sorge – und der Ungewissheit, wie es am 14. Februar weitergeht. Bis dahin ist der Lockdown terminiert. Zahlreiche Unklarheiten: Die Entscheidung des Ministers bezeichnen sie als schwierig und suboptimal. „Ich hätte mir eine klarere Äußerung gewünscht“, gesteht Nina von Zimmermann, die die Grundschule Am Castrum leitet. Ginge es nach ihr, dann hätten die Schulen weitgehend geschlossen werden müssen. Ihr Vorschlag: Nur die Jungen und Mädchen kommen zur Schule, für die es aus pädagogischer Sicht sinnvoll und notwendig sei. „Dann könnten wird in allen Jahrgängen Einzelunterricht erteilen“, sagt sie – nur mit den Grundschülern, die unbedingt müssen. „So könnten die Kontakte ausgedünnt werden“, meint sie auch mit Blick auf die Gesundheit der Lehrkräfte. Doch dazu bräuchten die Schulen mehr Kapazitäten. Ihr Eindruck: Es gehe aktuell nicht vordergründig um Bildung, sondern um die Betreuung von Kindern. Noch etwas kritisiert von Zimmermann. Das Ministerium habe die Lehrer aus dem Blick verloren. „Viele drehen inzwischen am Rad“, sagt sie. Gleichzeitig müssten sie sich ungefragt mit vielen Menschen treffen. Ein Risiko für alle. Und ein Ende sei nicht in Sicht. Nicht zuletzt deshalb wünscht sich von Zimmermann bald eine grundlegende Entscheidung. Das wünscht sich auch Stefanie Diemert. An der Grundschule Am Langen Feld sind 45 von 181 Kindern vom Unterricht abgemeldet worden. Das Schwierigste an der aktuellen Situation seien die unterschiedlichen und nicht vergleichbaren Lernvoraussetzungen. Und sie störe, dass die Leistungsbewertung unklar sei. „Die Frage ist auch, ob eine Bewertung aktuell überhaupt Sinn macht“, sagt Diemert. Die Noten, die es jetzt zum Halbjahr gebe, seien aus ihrer Sicht nicht fair. Besser wäre es, wenn zum Halbjahr keine Zeugnisse ausgestellt werden müssten. Hohe Belastung für die Lehrkräfte: Unabhängig davon verspüre sie im Kollegium, aber auch bei den Eltern eine große Verunsicherung. Und die Lehrkräfte seien einer hohen Belastung ausgesetzt. „Sie müssen eine Fülle an Aufgaben erledigen – und das über den ganzen Tag verteilt“, sagt Diemert. Sie bemängelt auch, dass der Infektionsschutz für Lehrer vernachlässigt worden ist. Der Präsenzunterricht in der Schule sei straff und einseitig. „Alles was den Kindern Spaß macht, ist nicht erlaubt“, so Diemert. Darunter fallen Partner- und Gruppenarbeit sowie Musik und Sport. Derweil bemüht sich die Schule um eine altersgerechte Darbietung von Unterrichtsinhalten. Dabei helfen sogenanntes Padlets. Dort ist eine digitale Pinnwand eingerichtet worden, wo die Kinder zu Hause ihre verschiedenen Aufgaben abrufen können. Sowohl von Zimmermann und Diemert sind sich einig: Die Eltern versuchen die Schulen zu unterstützen, wo es geht. „Diese Engelsgeduld der Eltern ist bewundernswert“, sagt Diemert. Corona-Fall stoppt Präsenzunterricht: Ruhig ist es zurzeit am Matthias-Claudius-Gymnasium (MCG). Sehr ruhig. Die Jahrgänge fünf bis zwölf sind komplett ins Distanzlernen geschickt worden. Eigentlich sollten zumindest die Abiturienten vor Ort sein. Doch ein Coronafall im 13. Jahrgang hat dafür gesorgt, dass ebenfalls alle Jugendliche in den nächsten zwei Wochen zu Hause lernen müssen. „Es hätte wenig Sinn gemacht, mit ein paar wenigen Schülern den Präsenzunterricht aufrecht zu erhalten“, sagt Schulleiter Christian Schmidt. Schmidt bewertet die Gesamtlage als nicht gerade ideal, aber es sei besser als gar kein Unterricht, findet er. 15 Prozent der Abiturienten hätten sich sowieso vom Unterricht befreien lassen. Abgesehen davon ist Schmidt nicht übermäßig zuversichtlich, dass sich die Ausgangslage bald ändert. „Die Infektionszahlen sind noch zu hoch“, sagt er mit Blick auf den 14. Februar. Und er hoffe auch, dass nicht zu früh zum normalen Unterricht zurückgekehrt werde. Er wünsche sich darüber hinaus, dass das Ministerium frühzeitig mitteile, wie es weitergehe. Die Zeugnisse bekommen die MCG-Schüler übrigens mit der Post. „Wir wollen Kontakte vermeiden“, sagt Schmidt. Soziale Kontakt fehlen: An der Oberschule bereiten sich 63 Zehntklässler und 20 Schüler des neunten Jahrgangs auf ihren Abschluss vor. Gut ein Drittel davon hat sich abgemeldet. Gehe es nach dem stellvertretenden Schulleiter Arne Lechmann würde es diese Jahr gar keine Abschlussprüfungen geben. „Die Ausgangslage ist nicht mehr gerecht“, meint er. Eine Bewertung sei auch ohne Abschlussarbeiten möglich. Auch an der Oberschule sei die Belastung für das Lehrpersonal hoch. Aus Sicht von Lechmann sei es deshalb wichtig, sich selbst Grenzen zu setzen. „Irgendwann muss Schluss sein“, sagt er. Die Lehrer könnten nicht rund um die Uhr für ihre Schüler da sein. Lesen Sie auch Schulen und Corona: In Hannover kaum Schüler vom Präsenzunterricht abgemeldet Corona in Hannover: Schulen durften FFP 2-Masken nur bei der Region kaufen, zum hohen Preis Corona und Schule: Niedersachsen will Ferien nicht verschieben Was vielen Lehrkräften fehle, sei die Beziehungsebene. „Wir sind Lehrer geworden, um mit den Schülern aktiv zu arbeiten“, sagt Lechmann. Der soziale Kontakt sei aber auch etwas, was die meisten Schüler vermissen. Seine Befürchtung: Einige Jungen oder Mädchen gehen der Schule verloren – auch wenn sich die Lehrkräfte bemühen, den Kontakt zu halten. Einen Vorteil hat die Oberschule: Digitaler Unterricht gehört seit Jahren zum Programm. „Bei uns sind diese Arbeitsabläufe schon eingespielt“, sagt Lechmann. Es gebe diesbezüglich schon eine gewisse Routine. Einen persönlichen Kontakt zumindest zu den jeweiligen Klassenlehrern wird es bei der Zeugnisausgabe geben. Jahrgangsweise kommen die Oberschüler von Mittwoch bis Freitag, um sich die Halbjahresnoten abzuholen. „Wir haben es so organisiert, dass wir die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten können“, sagt Lechmann. Es sei der Schule wichtig, das Zeugnis persönlich zu übergeben und dabei ein kurze Gespräch mit den Jungen und Mädchen führen zu können.. Und immerhin könnten die Lehrer nun ein paar Tage durchschnaufen. Montag und Dienstag sind Zeugnisferien. „Ehrlich gesagt, darauf freue ich mich“, gibt Lechmann zu. Das sei immerhin eine kleine Auszeit. Aber Lechmann ist skeptisch, dass es in absehbarer Zeit wieder den normalen Unterricht geben werde. „Das wird noch dauern“, befürchtet er. Von Dirk Wirausky