Isernhagen: Bürgermeister kritisiert im Interview Verhalten der Politik

Herr Bogya, der Rat hat gerade den Haushalt abgelehnt und den Beschluss verschoben. Was sagen Sie dazu? Die Politik hat Isernhagen einen Bärendienst erwiesen und sich damit ins eigene Fleisch geschnitten. Niemand hat überblickt, was diese Entscheidung bedeutet. Was bedeutet sie denn? Eigentlich wäre der Haushalt jetzt auf dem Weg zur Region. Wir hätten Anfang des Jahres eine Genehmigung gehabt. Wenn wir jetzt Ende Februar oder im März den Haushalt beschließen, ist mit einer Genehmigung erst im Mai oder Juni zu rechnen. Das führt zu massiven Verzögerungen. Warum kommt es zu Verzögerungen? Ohne genehmigten Haushalt dürfen wir kein Geld ausgeben – abgesehen von rechtlichen Verpflichtungen oder für bereits laufende Projekte. Wir dürfen keine neuen Stellen ausschreiben, können viele Vorhaben, die wir uns fürs erste Halbjahr vorgenommen haben, nicht angehen. Viele Projekte verschieben sich: Können Sie konkrete Beispiele nennen? Es gibt viele. Beispielsweise können wir den Grünschnitt nicht wie beschlossen an Fremdfirmen vergeben. Eine Ausschreibung im Sommer hätte wenig Sinn, eine Vergabe wäre erst im Herbst möglich. Dann gibt es aber nichts mehr zu mähen. Die geplante IT-Stelle für die Schulen können wir nicht ausschreiben. Die Fortsetzung der Fassadensanierung am Schulzentrum wird in den Sommerferien nicht möglich sein, Investitionen ins Kanalnetz verschieben sich, und auch der Umzug der Grundschule Altwarmbüchen im Jahr 2022 ist damit vom Tisch. Die Grundschule soll erst 2022 umziehen, machen da ein paar Monate so viel aus? Ja. Der Bebauungsplan ist quasi fertig. Wir hätten jetzt die Planungsaufträge für den Um- und Anbau an der Heinrich-Heller-Schule starten müssen. Doch das können wir ohne Haushaltsbeschluss nicht. Bis Sommer 2022 wird die neue Grundschule somit nicht fertig. Ein Umzug ist also erst 2023 möglich. Sanierung des Zentrums verzögert sich: Welche Bereiche sind noch betroffen? Ab Januar gibt es einen neuen Vertrag mit der Lebensberatungsstelle. Den Vertrag dürfte ich wohl unterschreiben, aber das Geld dürfen wir bis zur Haushaltsgenehmigung nicht auszahlen. Auch die Ausschreibungen für das neue Feuerwehrhaus F.B. und die Planung für das neue Feuerwehrhaus K.B. sind vorerst blockiert. Die Zentrumssanierung – der Bauabschnitt am nördlichen Markt- und Parkplatz – wird sich ebenfalls verzögern. Nun haben SPD, Grüne, FDP und Bürgerstimme den Haushalt ja nicht einfach so abgelehnt, sondern das mit der Kritik begründet, dass die Verwaltung beispielsweise das Personalentwicklungskonzept nicht vorgelegt habe. Ist die Kritik berechtigt? Ja, es gibt Fehler, die wir einräumen müssen. Die Beschlusskontrolle sowie die Information, wie viele Stellen hinter den einzelnen Produkten im Haushalt stehen, und auch das Personalentwicklungskonzept wurden schon letztes Jahr angemahnt und lagen zur Haushaltsberatung nicht vor. Das Konzept war in seiner ersten Form so nicht präsentierbar und folgt daher nun erst Anfang Januar. Lesen Sie auch Rat lehnt Doppelhaushalt ab Und dennoch können Sie die Ablehnung nicht nachvollziehen? Nein. Ein Personalentwicklungskonzept stellt beispielsweise dar, wie man mit seinen Mitarbeitern umgehen, die Ausbildung verbessern, Angestellte motivieren und Ausschreibungen attraktiver machen möchte. Ich sehe nicht, wie man daraus Beschlüsse für den Haushalt oder Einsparpotenzial ableiten will. Der Stellenplan lag vor – und dieser allein macht deutlich, wie viel Personal man für die einzelnen Aufgaben braucht. Es wäre daher wichtig gewesen, Gesamtverantwortung zu übernehmen und den Haushalt dennoch zu beschließen. Arpad Bogya ist seit 1995 Chef im Rathaus. Schon bevor es hauptamtliche Bürgermeister gab, war er bis 2001 als Gemeindedirektor für die Belange Isernhagens verantwortlich. Der CDU-Politiker ist studierter Jurist, zweifacher Vater und lebt mit seiner Frau in Isernhagen N.B. Überlegungen, schon 2019 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand zu gehen, verwarf Bogya schnell. Isernhagens Langzeitbürgermeister betont: „Mir macht der Job immer noch Spaß.“ Im Oktober 2021 endet seine letzte Amtszeit. Im September wählen die Isernhagener bei der Kommunalwahl seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin. Bisher sind der Unternehmer Tim Mithöfer (CDU) aus Kirchhorst und die Verwaltungswissenschaftlerin Gretha Burchard (Grüne) aus Altwarmbüchen als Kandidaten nominiert. Weitere sollen folgen. Die Kritik an mangelnder Transparenz wird im Rat immer lauter – und auch die Kandidaten für die Bürgermeisterwahl ziehen damit in den Wahlkampf. Wie kommt das? Mir soll mal jemand erklären, was mit dem Begriff Transparenz gemeint ist. Ich sehe nicht, wo ich oder das Rathaus intransparent agieren. Alle Beschlüsse und Vorlagen sind im Internet einsehbar, es sei denn, es handelt sich um vertrauliche Sachen, die noch nicht kommuniziert werden dürfen. Wir machen zu wichtigen Themen Informationsveranstaltungen und so weiter. Vor allem beim Thema Terminpflicht im Bürgerbüro kochten in diesem Jahr die Emotionen hoch. Ihnen wurde vorgehalten, sich wie ein „kleiner König“ zu verhalten. Ich habe keine Lust mehr auf so populistisch geführte Debatten. Das Rathaus steht und stand jedem immer offen. Es gibt eine Terminpflicht, weil diese sich mit Blick auf viele andere Kommunen als effizient und entspannter erwiesen hat. Es gibt keine langen Wartezeiten. Für eilige Vorhaben gibt es weiterhin Zeitpuffer, die die Mitarbeiter vorhalten. Das funktioniert, und dabei bleibt es. Nicht nur in Corona-Zeiten, sondern generell. Letztlich musste nach Ihrem Einspruch sogar die Kommunalaufsicht klären, wer die Entscheidung über eine Terminpflicht im Bürgerbüro treffen darf – Rat oder Bürgermeister. Es schien am Ende so, als ginge es nicht mehr um die Sache, sondern um Befindlichkeiten. Haben Sie sich da verkantet? Verkantet vielleicht nicht, aber ich gebe zu, dass ich diesen Schritt ganz bewusst gegangen bin. Ich lasse mir von Ehrenamtlichen nicht vorschreiben, welches meine Aufgaben und Zuständigkeiten sind. Da bin ich zu keinen Kompromissen bereit. Erst recht nicht, wenn die Debatte darüber so einen Ton annimmt. Da muss man klare Kante zeigen, und genau das habe ich getan. Schulden stammen aus Investitionen: Ende Oktober gehen Sie in den Ruhestand. Eigentlich waren Sie mal angetreten mit dem Ziel, Isernhagens Schuldenuhr bis dahin auf null zu setzen. Stattdessen stehen bis 2025 Rekordschulden von 55 Millionen Euro im Finanzplan. Es gibt Kommunen mit weitaus höheren Defiziten im Haushalt. Und die Schulden sind nicht zuletzt auf Investitionen zurückzuführen, die richtig und wichtig sind. Die Politik hat sich gegen das dreigliedrige Schulsystem und für die IGS entschieden. Damit war der neue Schulcampus für 26 Millionen Euro ein richtiger Folgeschritt, und ich bin froh, dass ich dieses Projekt noch zu Ende bringen konnte. Auch das neue Zentrum, die neuen Feuerwehrhäuser, Kitas und die neue Grundschule stehen hinter den Schulden bis 2025. Zum Abschluss: Was wünschen Sie sich mit Blick auf den anstehenden Kommunal- und Bürgermeisterwahlkampf, an dem Sie diesmal nur als Beobachter teilnehmen werden? Ich bin zu Objektivität und Neutralität verpflichtet. Und daran werde ich mich halten. Aber ich gehe davon aus, dass die Vergesslichkeit der Politiker im Wahlkampf groß sein wird, wenn es darum geht, wer es zu verantworten hat, dass Projekte nach dem nun verschobenen Haushaltsbeschluss erst deutlich später umgesetzt werden. Da biete ich dann gern eine Erinnerungsstütze: Sie haben es selbst verbockt. Von Carina Bahl