Isernhagen: Landwirt Friedel Könecke berichtet von seiner Arbeit

Sein völlig unsmartes Handy aus der Urzeit der Mobiltelefonie täuscht. Nach diesem Pandemiewinter 2020/2021 beherrscht der Isernhagener Landwirt Friedel Könecke alle Onlinekonferenzformate aus dem Effeff. Seminare, Präsentationen von Landmaschinenherstellern, Einführungen in neue Verordnungen – das ganze übliche Winterbildungsprogramm der Agrarbranche gab es diesmal coronakonform. Am PC habe er „mehr Veranstaltungen wahrgenommen als jemals zuvor“, berichtet der 56-Jährige. Jetzt aber ist der Frühling endlich da. Und gearbeitet wird wieder draußen und analog. Pferdeheu verkauft sich über Ebay: Von Weidenwurzeln verstopfte Drainagen musste er als Erstes in Ordnung bringen, damit kein Traktor an staunassen Stellen im Acker versinkt. Abgehakt. Auch das Grünland, das sich hinter seinem Gehöft Richtung Norden erstreckt, ist schon mit der Wiesenschleppe bearbeitet und somit von der To-do-Liste bis zur Heumahd Ende Juni gestrichen. Eine Holzbank mit Blick auf das sanft abfallende Wiesengelände ist der Lieblingsplatz des Junggesellen. „Hier lässt sich doch Urlaub machen, oder?“ Natürlich ist das eine rhetorische Frage. Das Gras, das dort wächst, findet als Pferdeheu reißenden Absatz – und zwar via Internet und Ebay. Respekt, was dieser freundliche Brillenträger mit Schirmkappe und Arbeitsjoppe so alles draufhat! Winzige Pillen für Tonnen von Zuckerrüben: Fortschritt und Tradition vertragen sich gut auf dem Hof an der Hauptstraße 44 in der Farster Bauerschaft. Familie Könecke lebt dort seit mehr als 100 Jahren. Das Backhaus im Hinterhof stammt aus dem 17. Jahrhundert. Der Fachwerktrakt mit Stall und Scheune ist Baujahr 1856, die Kollektoren auf dem Dach gehörten 2013 zu den ersten in der Region Hannover, die Sonnenstrom für den Eigenverbrauch lieferten. Als Könecke und seine Eltern sich 2015 schweren Herzens entschlossen, die Kuhherde abzuschaffen, waren sie die letzten Milchbauern in der Gemeinde Isernhagen – die letzten von dereinst einmal zwei Dutzend. Allerdings ist auch ohne Vieh im Stall mehr als genug Arbeit für einen Mann übrig geblieben, besonders jetzt im Frühjahr. 170 Hektar eigenes sowie gepachtetes Acker- und Grünland, zu gleichen Teilen in allen Himmelsrichtungen verstreut, wollen bewirtschaftet sein. Auf der aktuellen Agenda für die Tage vor und nach Ostern stehen „die Rüben, die in die Erde müssen“, erklärt der Betriebsleiter. Akkurat mit 45 Zentimeter Reihenabstand werden die mit Dünger und Herbiziden ummantelten Samenkörner in Form winziger grellblauer „Rübenpillen“ ins Erdreich platziert. Das Saatgut aus nur 15 waschmittelkartongroßen Papppaketen wird es bis zur Ernte im Herbst auf rund 800 Tonnen Gewicht gebracht haben. Da staunt der Laie. Körnermais, Sonnenblumen und Kichererbsen: Auf mehr als der Hälfte von Köneckes Flächen wurden vergangenen Herbst verschiedene Getreidesorten eingedrillt. Weitere 35 Hektar sind für Körnermais reserviert, der Ende April in den Boden kommt. Diese Maisart wird nicht gehäckselt in einer Biogasanlage landen. Vielmehr werden ihre Kolben von der hofeigenen Dreschmaschine mithilfe eines Spezialvorsatzes „gepflückt“ für den Futtertrog oder die Lebensmittelproduktion. Ebenfalls noch für April terminiert ist die Aussaat von Sonnenblumen, die Könecke auf zwölf Hektar Fläche herbizidfrei gedeihen lassen will. Ausprobieren wird der experimentierfreudige Junggeselle zudem erstmals, welche Ergebnisse mit Kichererbsen hierzulande zu erzielen sind. Er ist zuversichtlich gespannt, Aussaattermin ist im Mai. Der Eierautomat ist Kult: Der Isernhagener hält sich nach eigener Aussage an diese Devise: „Was jeder kann, muss ich nicht machen.“ Was ganz sicher nicht jeder Berufskollege hat, ist eine SB-Schließfachanlage mit 36 nummerierten und wabenförmig durchbrochenen Stahltüren, die sich öffnen lassen, wenn das abgezählte Kleingeld eingeworfen und die Ziffer des Wunschprodukts eingetippt wurden. Nicht nur im Frühling, sondern 365 Tage im Jahr füllt Könecke mehrfach täglich leere Fächer nur allzu gern neu auf – mit Eiern, Honig, Kartoffeln und Zuckerrübensirup von Erzeugern aus der näheren Region. „Der Laden läuft wie doof“, verrät er. Corona habe die Nachfrage belebt. Aber mehr noch der Kult, den der Eierautomat mittlerweile genieße. Diesen Status verdankt er einem Reiseführer durch die Region namens „111 Orte rund um Hannover, die man gesehen haben muss“. Zu finden ist der „Laden“, wie Könecke selbst ihn schlicht nennt, in F.B. an der Hauptstraße zwischen den Hausnummern 63 und 65. Was bringt der April und was die Zukunft? Der blaue Frühlingshimmel über Isernhagen weckt bei Landwirten nicht nur helle Freude. „Es ist noch zu wenig Wasser da, uns droht das fünfte Trockenjahr in Folge“, befürchtet Könecke. Schon Mitte oder Ende April könne es so weit sein, dass künstlich beregnet werden muss, was sehr zeitaufwendig und sehr teuer sei. Zweckoptimismus ist es wohl, dass der konventionell wirtschaftende Landwirt angesichts fehlender Niederschläge vom Wetter und nicht vom Klimawandel spricht. Beschönigen will er aber nichts: „Diese trockenen Jahre tun uns brutal weh.“ Lesen Sie auch Das landwirtschaftliche Jahr Teil 1: Was macht ein Landwirt eigentlich im Januar? Das landwirtschaftliche Jahr Teil 2: Anneke Dusche ist Landwirtin in neunter Generation Die Herausforderung nimmt der Isernhagener tatkräftig an. Unternehmerisch als Dienstleister, der neben der eigenen Landwirtschaft mit seinem umfangreichen Maschinenpark Lohnaufträge für Dritte ausführt. Ehrenamtlich als Funktionär unter anderem im Landvolk und im Maschinenring. Aufgeschlossen ist er immer für Neues wie zum Beispiel Kichererbsen auf niedersächsischen Feldern, die nicht so viel Wasser benötigen und bei Verbrauchern zunehmend im Trend liegen sollen, wie er berichtet. Beim Schrauben ein eingespieltes Team: Könecke ist kein Einzelkämpfer. Wenn der Sohn seines verstorbenen Bruders, der eine Landwirtschaftsausbildung absolviert, an Wochenenden bei der Arbeit mit anpackt, ist er beeindruckt von dessen Leidenschaft und Talent für seinen Traumberuf. Beim Schrauben sind beide längst ein eingespieltes Team, so auch in den zurückliegenden Wochen, als sie den Maschinenpark fit gemacht haben für den Saisonstart. Stehen Feldarbeiten an, überlässt der Onkel seinem 19-jährigen Neffen bedenkenlos auch sein sprichwörtlich bestes Pferd im Stall, einen kraftstrotzenden Riesenschlepper made in Finnland. Dem jungen Mann auf die Sprünge helfen zu dürfen erfülle ihn mit Stolz, sagt der 56-Jährige. Wen er als Kompagnon im Blick hat, wenn er über seine persönliche Zukunft als „Nur-noch-GmbH-Partner“ sinniert, lässt sich denn auch leicht erraten. Aber das hat ja noch ein paar Jährchen Zeit. Von Martin Lauber