Isernhagen: „Pimp Your Town“-Macher eröffnen Anlaufstelle in Altwarmbüchen

Vor knapp 15 Jahren gründete Monika Dehmel, die damalige Ortsbürgermeisterin von Altwarmbüchen, gemeinsam mit ihrem Ehemann Georg am Küchentisch den Verein Politik zum Anfassen. Das Ziel: vor allem junge Menschen für demokratische Teilhabe zu begeistern und so die Demokratie zu stärken. Mittlerweile hat der Verein mehr als 30 Vollzeitbeschäftigte, ist vielfach preisgekrönt und erreicht mit seinen Projekten deutschlandweit nach eigenen Angaben knapp 10 000 Schülerinnen und Schüler pro Jahr. Zu den bekanntesten Projekten zählt das Planspiel „Pimp Your Town“, bei dem Jugendliche in die Rolle der Kommunalpolitik schlüpfen und erfahren sollen, wie wirksam Lokalpolitik sein kann. „Hier vor Ort in Isernhagen waren wir bisher aber fast unsichtbar“, sagt Georg Dehmel. Das soll sich zukünftig ändern. Der Verein möchte bald einen Laden eröffnen, direkt an der Geschäftsstelle in der Königsberger Straße in Altwarmbüchen. Noch steht über der großen Schaufensterfront das Schild einer Fahrschule, im Laden selbst ist der Ausbau aber schon vorangeschritten. Ein langer Holztresen mit Hockern, eine Tischtennisplatte und drei Kästen aus der Ausstellung „Wahlfun“ stehen schon. An den Kästen kann man das Grundgesetz ausdrucken und spielerisch darüber lernen. Auch der Laden soll demokratisch gestaltet werden: „Der Laden soll ein Treffpunkt werden für Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen wollen“, sagt Monika Dehmel. Geplant sind ein Video- und Podcaststudio, außerdem soll der Raum für Veranstaltungen, Workshops und Ausstellungen genutzt werden. Was in dem Laden alles möglich sein soll, darauf wollen die Dehmels sich noch nicht festlegen. Schließlich wollen sie auch hier demokratisch sein und offen für Mitgestaltung und Ideen von anderen. „Wenn wir im Ort sichtbarer werden, bekommen vielleicht auch ein paar Menschen im Vorbeikommen Ideen, wie sie sich für die Demokratie einsetzen können und machen mit“, sagt Georg Dehmel. Sobald die Pandemie es zulässt, soll der Laden feste Öffnungszeiten bekommen, zu denen Interessierte hereinkommen und sich einbringen können. „Wir hoffen, dass der Zugang zu unseren Angeboten dadurch hier vor Ort noch niedrigschwelliger wird“, sagt Monika Dehmel. Ihr Mann Georg ergänzt: „Wir haben gute Erfahrungen damit, Schnapsideen groß zu machen.“ Projekte ins Digitale verlagert: Die Pandemie bestimmt nicht nur, wann der Laden eröffnet werden kann. Sie hat die gesamte Arbeit des Vereins verändert. Viele Projekte mussten kurzfristig ins Digitale verlegt werden, zum Beispiel das „Pimp Your Town“-Planspiel an der IGS Isernhagen. Dort habe das sehr gut funktioniert, weil die IGS technisch gut ausgestattet ist. An anderen Schulen sehe das ganz anders aus: „Insgesamt hat uns der geringe Digitalisierungsgrad an den Schulen überrascht“, sagt Georg Dehmel. Bei schlechter ausgestattenen Schulen kann der Verein aber auch selbst notwendige Technik mitbringen und trotzdem Projekte durchführen. Betreut werden die unter anderem von Eric Stiebig und Ceyda Köse, die bei Politik zum Anfassen einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren. „Am tollsten ist es, wenn Jugendliche erst überhaupt keinen Bock haben, dann aber plötzlich engagiert mitdiskutieren“, sagt Köse. Die Coronakrise verändert auch Möglichkeiten der politischen Teilhabe. Rein digitale Projekte würden manche Menschen ausschließen, sagt Georg Dehmel. „In der Schule erreichen wir auch den Schüler in der letzten Reihe, der eigentlich keinen Bock hat. Wenn der aber Zuhause kein entsprechendes Endgerät oder keinen Rückzugsraum hat, wird es schwieriger.“ Monika Dehmel merkt an, dass die digitale Welt für andere hingegen aber auch eine einfachere Teilhabe ermögliche. „Wir hatten ein Kind in einem Projekt, dass zuhause auf dem Trampolin gehüpft ist und gleichzeitig via Tablet mitdiskutiert hat. So konnte es seine überschüssige Energie abbauen und viel konzentrierter sein. In der Schule wäre das natürlich nicht möglich“, sagt sie und lacht. Von Yannick von Eisenhart Rothe