Laatzen: Stalker verstößt gegen Bewährung – und bleibt ein Jahr auf freiem Fuß

Ist die Justiz gegen hartnäckiges Stalking machtlos? So scheint es zumindest, wenn man die Leidensgeschichte von Heike S. betrachtet. Die Rethenerin wird bereits seit vier Jahren von ihrem Ex-Mann belästigt. Immer wieder hatte er vor ihrer Tür gestanden, ihr am Arbeitsplatz aufgelauert, Briefe geschrieben, mit Selbstmord gedroht. Elfmal zerstach er ihre Autoreifen, zweimal griff er ihren neuen Lebensgefährten an. Doch obwohl er dafür bereits zu zwölf Monaten Haft verurteilt wurde, belästigt er die 52-Jährige hartnäckig weiter. Seit vergangenem Jahr ist er auf Bewährung frei und verstößt immer wieder gegen das Kontaktverbot zu Heike S. und damit auch gegen seine Bewährungsauflagen. Doch erst jetzt, nach rund einem Jahr, hat die Strafvollstreckungskammer die Bewährung widerrufen, sodass er erneut für 97 Tage ins Gefängnis muss. Stalking-Opfer brauchen einen langen Atmen: „Es dauert viel zu lange, bis etwas passiert“, klagt Heike S., die immer mehr den Glauben an das Rechtssystem verliert. Der Staatsanwaltschaft Hannover ist die lange Verfahrensdauer bewusst: Sie hatte bereits im vergangenen Frühjahr darauf hinwiesen, dass die genaue Prüfung, ob der Mann gegen Bewährungsauflagen verstoße, lange dauern könne. Das Gesetz sehe unter anderem vor, dass sich der Ex-Mann dazu äußern können müsse, warb eine Behördensprecherin damals um Verständnis. Unterdessen ist das nächste Verfahren schon am Laufen: Mittlerweile hat Heike S. mehr als 30 neue Anzeigen gegen ihrem Ex-Mann gestellt. Dafür sollte sich dieser am vergangenen Dienstag vor dem Amtsgericht Hannover verantworten. Doch der Termin musste ausfallen, da er nicht erschien. Sein Verteidiger ließ ausrichten, dass er sich im Krankenhaus befinde. Für Heike S. ist das nur eine Ausrede. „Das ist alles nur ein Vorwand“, vermutet sie. Zwar wisse sie, dass ihr Ex-Mann krank sei. Dies habe ihn aber nie daran gehindert, ihr nachzustellen. Auch ihre Scheidung habe er bereits versucht zu blockieren, indem er einfach nicht zu den Terminen erschien und vorgab, krank zu sein. Stalker soll erneut psychiatrisch begutachtet werden: Laut dem Sachverständigen, der vor Gericht bestellt war, findet der Mann alleine keine neuen Lösungsmöglichkeiten. Daher soll nun zunächst eine rechtliche Betreuung für ihn bestellt werden, auch wenn die Staatsanwaltschaft bezweifelte, dass dies zum Unterlassen weiterer Straftaten führt. Außerdem soll der Mann erneut psychiatrisch begutachtet werden. 2017 hatte dies ergeben, dass er nicht vermindert schuldfähig ist. Heike S. hofft, endlich wieder ein normales Leben führen zu können. Dazu würde sie sich wünschen, dass ihr Ex-Mann in die Psychiatrie eingewiesen wird. „Dort kann ihm geholfen werden. Denn auf freiwilliger Basis nimmt er keine Hilfsangebote an.“ Allein eine Gefängnisstrafe würde daher auch nichts bewirken. Zumal ihr der Mann 2017 sogar aus seiner Haft noch Briefe geschrieben hatte. Die Gerichtsverhandlung ist auf den 5. März verschoben worden. Bis dahin soll auch ein neues psychiatrisches Gutachten vorliegen. Lesen Sie auch: Stalking-Opfer: „Wieso schützt mich niemand?“ Stalking macht das Leben zur Hölle Hauptbahnhof Hannover: Stalker verfolgt Frau bis in die Polizeiwache Von Stephanie Zerm