Lehrte: Aldi-Logistikzentrum sorgt für Klage von Ortsbürgermeister Seger

Liegen für das umstrittene Projekt, bei Aligse ein Aldi-Logistikzentrum zu errichten, nicht alle notwendigen Informationen offen auf dem Tisch? War die fehlende Beteiligung des Ortsrats Aligse-Kolshorn-Röddensen bei den jüngsten politischen Beratungen nicht rechtens? Ortsbürgermeister Frank Seger beantwortet diese beiden Fragen mit Ja. Er hat jetzt eine entsprechende Klage beim Verwaltungsgericht Hannover eingereicht. Beklagter ist dabei der Bürgermeister der Stadt Lehrte, Frank Prüße (CDU), als oberster Dienstherr der beteiligten Stadtverwaltung. In stattlichen 30 Anträgen samt einiger Unterpunkte geht es in der Klageschrift insbesondere um mutmaßlich nicht offen gelegten Schriftverkehr, um Gewerbesteuerzahlungen von Aldi und die Anzahl der zu erwartenden Arbeitsplätze in dem geplanten Logistikzentrum. Außerdem wird in dem Schriftstück bezweifelt, dass der Ortsbürgermeister verpflichtet gewesen sei, eine Ortsratssitzung zur öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanes anzuberaumen. Klageschrift von Otto Lüders: Verfasst wurde die 16-seitige Klageschrift von Otto Lüders. Er ist selbst Aligser, zudem Rechtsanwalt und eine der führenden Personen im Kampf gegen den Bau des Logistikzentrums auf einer rund 120.000 Quadratmeter großen Fläche zwischen dem südwestlichen Rand von Aligse und der Autobahn 2. Das Schriftstück ist bereits in einer Vorab-Mitteilung an Bürgermeister Prüße übermittelt worden. Dieser äußert sich bislang nicht zu den Vorwürfen. Es handele sich um ein laufendes Verfahren, die Stadt werde die Klageschrift aber auf jeden Fall erwidern, betont der frühere Rechtsanwalt Prüße. Ob das Verwaltungsgericht die Klage aus Aligse für zulässig und begründet hält, ist offen. Die entsprechende Prüfung kann möglicherweise Monate dauern. Aligses Ortsbürgermeister Seger lässt aber schon jetzt schweres Geschütz gegen das Lehrter Rathaus auffahren. Er verlangt Kenntnis vom Inhalt der seiner Ansicht nach nicht oder nur teilweise veröffentlichten Aldi-Akten. Er will Einsicht in den Schriftverkehr, Auskunft über sämtliche Gespräche zwischen Stadt und Aldi. Er lässt in seiner Klageschrift auch fragen, von wem im Herbst 2014 die Initiative zur Aufstellung eines Bebauungsplans für das Logistikzentrum ausging, und fordert Auskunft über die Gewerbesteuerzahlungen von Aldi an die Stadt Lehrte von 2015 bis 2020, eventuelle Rückforderungen und prognostizierte Zahlungen für die nächsten Jahre. Ein „pandemisches Ermächtigungsgesetz“: Die Forderungen in der Klageschrift spiegeln auch viele von den Gegnern des Logistikzentrums vorgebrachte Kritikpunkte wider. Seger ist aber noch etwas anderes wichtig. Er war unlängst von der Stadtverwaltung aufgefordert worden, seine Auffassung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan für das Aldi-Zentrum abzugeben. Das sollte als Ersatz für eine Ortsratssitzung geschehen, welche Seger zuvor in Hinblick auf die Corona-Lage abgelehnt hatte einzuberufe n. Seger betont nun, dass eine sachgerechte Anhörung seiner Person wegen der vielen aus seiner Sicht fehlenden Informationen gar nicht möglich gewesen sei. Eine „Hilfs-Anhörung ohne wirkliche Eilbedüftigkeit“ sei „verfassungswidrig“, und die Mitwirkungsrechte des Ortsrats würden „auf Grundlage eines neuen pandemischen Ermächtigungsgesetzes“ ausgehebelt, meint der parteilose Seger, der früher Mitglied der SPD war, wörtlich und in Anlehnung an den Beginn der Nazi-Herrschaft 1933 in Deutschland. Der Rat hatte erst vor wenigen Tagen, ohne Ortsratssitzung und Anhörung des Ortsbürgermeisters, den nächsten Schritt im Aldi-Planverfahren beschlossen. Bürgermeister Prüße hatte dabei, ebenso wie weite Teile der christdemokratischen Ratsfraktion, gegen das Vorhaben gestimmt. Die Mehrheit des Rates war jedoch für die Fortsetzung der Planungen. Prüße persönlich meint, das Aldi-Logistikzentrum sei bei Aligse falsch platziert. Trotzdem ist er als Oberhaupt der Stadtverwaltung nun Ziel der opulenten Klageschrift aus Aligse. Von Achim Gückel