Biber leben jetzt auch in Neustadts Norden

Seit Jahren breiten sich die Biber an der Leine aus. Inzwischen sind sie auch in Neustadts Norden angekommen, wie etliche Fraßspuren an den Gewässern nahe der Leine beweisen. Aus Sicht von Anglern kann die Landschaftsgestaltung, die die Tiere gern vornehmen, auch ihre Vorteile haben. Das Jahr 2008 bot Neustadts Naturschützern ein besonderes Erlebnis. Am Leineufer in Höhe des Friedhofs Lüningsburg hatte sich nach mehr als 100 Jahren wieder ein Biber niedergelassen. „Das war natürlich aufregend. Wir haben uns erst mal fachliche Unterstützung geholt“, erinnert sich Holger Machulla vom Anglerverein Neustadt an die ersten Funde von Bissspuren und Kot auf dem Vereinsgelände. Dank der Schutzmaßnahmen konnten sich die monogam lebenden Tiere vermehren. Inzwischen zählt die Population im Neustädter Raum rund 40 Tiere, die auch im Norden des Stadtgebiets nachweisbar ist. Rund 300 Pflanzen umfasst der Speiseplan des Bibers. Mit Beginn der Vegetationsperiode endet die Zeit seiner Rindenkost und der Biber wechselt zu frischen Knospen, Kräutern, Schilf und Seerosen. Bei der letzten Fällaktion des Bibers ist übrigens ein Markierungspunkt für Fuchs und Marder entstanden, wie Nachtaufnahmen von Karsten Ahlborns Wildkamera beweisen. Man kann erkennen, wie sich ein Marder ausgiebig am Weidenstumpf schubbert. Biber galten lange als ausgestorben: Das unter Artenschutz stehende Säugetier, das ausgewachsen einen Meter Körperlänge plus 35 Zentimeter Kelle (also Schwanz) hat und bis zu 35 Kilogramm wiegen kann, bekommt man allerdings selten zu Gesicht. Das liegt an der scheuen Art des semiaquatischen Tieres, dass sich elegant im Wasser bewegen kann, aber auch an Land gut zurecht kommt. Doch bis vor etwa 100 Jahren wurden Biber in Niedersachsen so stark bejagt, dass ihre Art als ausgestorben galt. „Ich konnte jedenfalls keine Zeitungsartikel mit Nachweisen entdecken“, berichtet Machulla. Das Fleisch der Tiere wurde verzehrt. Bei Mönchen war es vor allem in der Fastenzeit begehrt, da der Biber aufgrund seiner schuppigen Kelle als Fisch betrachtet wurden, deren Genuss erlaubt war. Doch vor allem sein glänzendes, extrem dichtes, wasserabweisendes Fell wurde dem Biber zum Verhängnis und machte ihn zur begehrten Beute. „Der Biber hat 100-mal mehr Haare pro Quadratzentimeter als der Mensch auf seinem Kopf – und das sind immerhin auch rund 300. Zweites Maskottchen von Neustadts Anglern: Die Kunst des zweitgrößten Nagetieres der Erde, Baumstämme kegelförmig anzuknabbern, sodass sie vom nächsten Sturm „gefällt“ werden können, erfreut nicht jeden. Die Dammbaufertigkeit des Bibers kommt speziell bei Weidebesitzern nicht gut an, wenn ihre Anbauflächen ungefragt vernässt werden. Neustadts Angler sind dagegen glücklich über den Zuwachs: „Bei uns ist der Biber zum zweiten Maskottchen geworden“, schwärmt Machulla. Doch das Engagement der Tierschützer wird auch unterwandert. Unlängst wurde hinter dem Kolk, Am Schiffgraben, ein Biberdamm von Menschenhand eingerissen. Da die Bauwerke der Tiere ebenfalls unter Schutz stehen, erstattete die Naturschutzbehörde Anzeige und die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf. „Kann der Verursacher festgestellt werden, erwartet ihn mit Sicherheit eine stattliche Strafzahlung“, sagt Machulla. Von Bibers Arbeit profitieren Fische, Amphibien und Säugetiere: Die Angler schätzen den Fleiß des Bibers, der für sie ein guter Helfer ist. „Ohne die Biberdämme hätte der Kolk in den beiden zurückliegenden, trockenen Sommern so gelitten, dass es vermutlich zu Fischsterben gekommen wäre“, erläutert Machulla. Von den Wasserbauerqualitäten des heimischen Nagetieres profitierten zahlreiche Amphibien. Auch Fischen kommen die Flachwasserzonen zugute, weil sie darin laichen können. Noch nachhaltiger sind die Fortbildungen von Neustadts Angelverein, der inzwischen über drei ehrenamtliche Biberberater verfügt. „Durch Biber lernt man ganz neue Leute kennen“, stellt Machulla fest. Auch weitere Helfer engagieren sich ebenfalls für den Biberschutz. So kartieren die Mitglieder von Basses Kanuverein vom Boot aus und leisten auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz. „Wer Fragen hat, kann gerne anrufen“, so Neustadts erster Biberberater Holger Machulla, der unter Telefon (05032) 67929 zu erreichen ist. Lesen Sie auch: Neustadt hat Biberberater Biber schaffen es in die Landeshauptstadt Laatzens Biberreviere sind besetzt Von Patricia Chadde