Neustadt: Angus-Kalb bei Mardorf gerissen -Verdacht auf Wölfe

Unruhe auf der Pferdeweide, dann ein kläglicher Schrei: Den Riss eines Kalbs nahe Mardorf hat ein Jäger von seinem Ansitz aus gehört. Am Mittwoch um Mitternacht ist das zwei Tage alte Bullenkalb nahe der Ortschaft gerissen und nahezu vollständig ausgeweidet worden. Die Weide liegt in der unmittelbaren Nähe des Golfplatzes. Die anliegenden Feldwege sind beliebte Strecken bei Hundehaltern und Reitern. In der Nacht erhielt Landwirt Karl-Heinz Struckmann einen Anruf vom Jäger, der in der Nähe auf dem Ansitz war: Er sollte schnellstmöglich nach den Tieren sehen, sie seien sehr unruhig. Als der Landwirt und der Jäger an der Weide ankamen, hatten die Kühe den Zaun niedergetrampelt, die Pferde auf der benachbarten Weide galoppierten wild hin und her. Und das junge Kalb war nicht zu finden. Struckmann hatte Mühe, im Dunkeln die Tiere zu beruhigen. Erst am nächsten Tag fand der Jäger mit Hilfe seines Hundes den Kadaver, 150 Meter weiter im angrenzenden Moor. Nachdem der Wolfsberater Rudolf Bremer aus dem Kreis Nienburg den Fall aufgenommen und dokumentiert hatte, beschloss die Landwirtsfamilie, alle Tiere zurück zum Hof zu holen. Kuh setzt nach Attacke ihr Kalb zu früh ab: „Die sonst sehr auf Menschen bezogenen Kühe waren so verschreckt, dass das Einfangen mehrere Stunden dauerte“, berichtet Struckmanns Tochter Merle. Die 28-Jährige und ihre Eltern überlegen jetzt, die Weidetierhaltung komplett einzustellen, sagt sie. „Ich möchte nicht jeden Tag mit der Angst zur Weide fahren und feststellen, dass der Wolf wieder die Tiere angegriffen hat.“, sagt Merle Struckmann. Fürs Erste hat die Familie die sechs Kühe und etliche Kälber in den Stall gebracht, auch die Pferde von der Weide nebenan stehen jetzt in Paddocks am Hof. Nur die Nachzucht ist noch im Freien geblieben, kräftigere Kälber aus dem vergangenen Jahr. „Die Mutter des toten Kalbs ist noch immer ganz verstört“, sagt Struckmann, „und eine der anderen Kühe hat ihr Kalb zu früh bekommen.“ Schon lange sei ihr mulmig zumute gewesen, wenn sie nördlich des Dorfs mit dem Pferd unterwegs war, berichtet die junge Frau. Dass Wölfe um das Dorf streichen, weiß sie spätestens, seit der Schneerener Landwirt Stephan Ruhnow-Thieße im Januar zwei Kälber seiner Heckrinder verloren hat. Dass es sich bei diesen Fällen um Wolfsrisse handelte, ist inzwischen nachgewiesen. Auch der Riss von sechs Schafen am 1. März bei Otternhagen ist erwiesenermaßen ein Wolfsriss, ebenso wie der eines Schafes in Loccum Ende April. Für ein neugeborenes Kalb, das Mitte Mai bei Schneeren gerissen wurde, sind die Nachweise noch in Arbeit. Wolfsberater Stummeyer kennt drei Rudel in der Region: Auf der Bundesstraße 6 wurde überdies am 8. Juni ein Wolf von einem Kleinwagen angefahren – der 76-Jährige Fahrer starb, ebenso das Tier. Neustadts Wolfsberater Helge Stummeyer hat den Kadaver damals untersucht; das Wolfsbüro Niedersachsen schickte ihn weiter nach Berlin zur genetischen Analyse. Von Ergebnissen habe er bisher nichts gehört, sagt Stummeyer. Er hatte im Januar im Umweltausschuss der Region Hannover berichtet, dass derzeit drei Rudel bekannt seien, eines im Bereich Burgdorf, eines bei Rodewald – und eines am Steinhuder Meer. Nach dem Riss von zwei Jährlingspferden im Kreis Nienburg hatte Umweltminister Olaf Lies eine neue Ausnahmegenehmigung erlassen, nach der der Rüde aus dem Rodewalder Wolfsrudel getötet werden darf. Laut Wolfsmonitoring-Tabelle ist an den Pferdekadavern aber Genmaterial einer Wölfin festgestellt worden. Sie trägt die Erkennungsnummer GW745f. „Wenn man darüber nachdenkt, Wölfe zu entnehmen, ist es sinnlos, es bei einem Tier zu belassen“, sagt Stummeyer. Wenn das Rudel verstört sei, bestehe eine größere Gefahr, dass Weidetiere gerissen werden, denn die sind leichtere Beute. Von Kathrin Götze