Neustadt: Bekommt Schneeren eine Tiny-House-Siedlung?

„Wir möchten uns beschränken, minimalistischer leben“, sagen Claudia Naß und Andreas Klehr. Jeder der beiden hat eine Wohnung mit 70 Quadratmetern Wohnfläche. Viel zu viel, meinen sie. In jeder ihrer Wohnungen könne doch eine ganze Familie leben – und sie selbst würden gut mit wesentlich weniger Raum auskommen. So machten sie sich vor zwei Jahren auf die Suche nach alternativen Wohnformen. Ländlich sollte es sein und gerne auch im Neustädter Land. Was bietet sich dort aber an kleinen Wohnformen an? Winzige Häuser als innovative Wohnform: Während ihrer Suche stießen sie auf das Konzept der Tiny Houses, das in den USA seinen Ursprung und mittlerweile auch in Deutschland viele Liebhaber gefunden hat. Tiny Houses – übersetzt „winzige Häuser“ – kommen mit Wohnflächen zwischen 15 und 45 Quadratmetern aus und sind so konzipiert, dass sie von einem Ort zum anderen transportiert werden können. Manche verfügen wohnwagengleich über Räder, andere werden für Ortswechsel auf Tieflader gestellt. „Fliegende Bauten“ sind die Tiny Houses dennoch nicht – auch für sie gelten die örtlichen Bauvorschriften. Bauvorschriften sind die Krux: Von diesem Konzept waren Naß und Klehr begeistert, so würden sie gerne leben. Die Krux dabei sind die Bauvorschriften. „Wir möchten gerne hier in der Gegend bleiben“, sagt Naß. Sie hat sich vor zehn Jahren mit einer Praxis für Yoga und Meditation selbstständig gemacht und hat wenig Lust, an einem anderen Ort wieder von vorne zu beginnen. Viele der örtlichen Bauvorschriften stammen aber noch aus den Siebzigerjahren. Damals war es üblich, strikte Vorgaben zu machen, Satteldach und roter Klinker waren an der Tagesordnung. Eine Klinker-Fassade deckt sich aber nicht mit den Tiny Houses – die kleinen Bauten zeichnen sich durch leichte Konstruktionen aus. Holzfassaden sind ein bevorzugtes Gestaltungselement. Das Paar ließ sich aber nicht schrecken. Es müsse doch Möglichkeiten geben, auch neue Wohnformen in den Dörfern zu etablieren. So schickten sie einen Brief an alle Ortsbürgermeister, um das Konzept an sich und ihren Wunsch im Speziellen vorzustellen. Einen Rückruf bekamen sie von Schneerens Ortsbürgermeister Stefan Porscha, der das Thema auf eine Sitzung des Ortsrates hob und ihnen dort Gelegenheit gab, es vorzustellen. Schneerens Regelungen sollen angepasst werden: „Das ist eine innovative Möglichkeit“, befindet Porscha. Der Ortsrat stehe dem grundsätzlich wohlwollend gegenüber. Da sich in Schneeren ohnehin ein Arbeitskreis der örtlichen Ideen-Schmiede mit den Bauvorschriften befasse und diese anpassen wolle, werde das Konzept nun in die Überlegungen einbezogen. Ein Gespräch mit der Stadtplanung und dem Denkmalschutz will der Arbeitskreis im Frühjahr führen. Dann soll auch über Tiny Houses geredet werden. Naß und Klehr würde das sehr gut in ihre Überlegungen passen. Denn wenn sie sich auch an alle Ortsräte gewandt haben, so gehört Schneeren doch zu ihren Favoriten, denn dort lebt die 50-Jährige nicht nur seit einem Jahr, sondern hat auch schon ein passendes Grundstück im Blick: Direkt neben dem Haus in dem sie wohnt, erstreckt sich eine Baulücke von rund 1000 Quadratmetern. Nur zu gern würden Naß und Klehr sich genau dort jeder ein Tiny House bauen und meinen, dass dann immer noch Platz für einige weitere Häuser dieser Art wäre. Interessenten, die wie sie auf der Suche nach Grundstücken sind, gebe es genug. Clou ist die höhenverstellbare Schlafzimmerdecke: Davon, wie ihre Häuser aussehen sollen, hat das Paar schon sehr konkrete Vorstellungen. Drei mal neun Quadratmeter soll es groß sein, eingeschossig und mit einem Flachdach versehen, auf dem eine Solaranlage installiert werden kann. Ihren jeweiligen Hausrat reduzieren sie schon seit einiger Zeit. „Es braucht doch nicht jeder von uns sieben Töpfe und drei Pfannen“, sagt Naß. Einiges haben sie bereits an ihre Kinder weitergegeben, anderes verschenkt, manchmal stehen sie auf dem Flohmarkt – und merken, wie befreiend es ist, minimalistischer zu leben. Wie das Leben auf 27 Quadratmetern gestaltet werden kann, probieren sie unterdessen an ihrem Tiny-House- Modell aus, haben sich Schablonen für Möbel gebaut und schieben diese hin und her. Der Clou des Hauses ist eine höhenverstellbare Decke – Wohn- und Schlafzimmer liegen übereinander und können je nach Tageszeit auf die entsprechende Raumhöhe gefahren werden. So bietet auch wenig Fläche jede Menge Platz zum Leben. Lesen Sie auch: 400 Häuser unter einem Dach Europas größte Tiny-House-Siedlung soll an den Kronsberg In Schneeren soll Bauland entstehen Von Beate Ney-Janßen