Pattensen-Hüpede: Wie Heinrich Schwerdtfeger zum Dorfchronist wurde

„Meine Vorfahren sind erst um 1840 nach Hüpede gekommen“, sagt Heinrich Schwerdtfeger, während er Cappuccino auftischt. Erst? Schwerdtfeger verzieht kaum eine Miene, als er trocken bemerkt: „Meine Familie zählt nicht zu den Alteingesessenen, schließlich ist Hüpede erstmals 1033 urkundlich erwähnt worden.“ Der 72-jährige ehemalige Landwirt muss es wissen, denn seit Jahrzehnten schon forscht er so penibel in der Vergangenheit Hüpedes, wie es wohl kaum ein Zweiter bislang getan hat. Er lüftete Geheimnisse, entdeckte Ereignisse und schrieb bebilderte Geschichten nieder. Wer hätte gewusst, dass in Nachkriegszeiten in der Gaststätte Bortfeld mal gecatcht wurde? Oder dass der ehemalige Wirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard einst in Hüpede vorbeischaute. Glimpflich verlief seine Stippvisite jedoch nicht. Denn er landete mit seinem Auto im Graben. Recherche für die Dorfchronik begann mit Zeitungsartikeln: Meterlang zieht sich Schwerdtfegers Familienstammbaum durch das Wohnzimmer, das sich mitsamt der gesamten Liegenschaft seit 180 Jahren in Familienbesitz befindet. Obwohl oder gerade weil die Schwerdtfegers „zugezogen sind“, wie er betont, gehört der Dorfchronist zu den Menschen, die wohl am meisten über Hüpede erzählen können. Ausschlaggebend für die Recherchen war die Rekonstruktion der Ahnenkonstellation seiner eigenen Familie und der seiner Frau, die mit Zeitungsartikeln begann. Die Idee, einen Teil der Dorfvergangenheit schwarz auf weiß festzuhalten, kam schon Schwerdtfegers ehemaligem Lehrer Gerhard Offeney in den Sinn. Diesen trieb ewige Zeiten die Frage an, wo Hüpede seinen Ursprung hat. Denn dort, wo das Dorf heute liegt, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gegründet worden. Dass in einem 450-seitigen Buch extrem viel Arbeit steckt, liegt auf der Hand. Um in einem Fall ein einziges Foto zu bekommen, habe Heinrich Schwerdtfeger fast zwei Jahrzehnte gebraucht. „Obwohl die Ausgabe schon druckfertig war, musste es noch mit rein“, erzählt er zufrieden. Besonders stolz ist der Herausgeber über den Teil der Höfefolge, in der annähernd jeder Hof von Hüpede fotografisch verglichen wurde: früher und heute. Schwertdfeger besucht als Kassenwart viele Hüpeder: Doch woher bezieht man eigentlich die Inhalte für eine solche Chronik? Eine einfache Erklärung: Als Kassenwart der Feuerwehr Hüpede erfährt man viel, wenn man die Mitglieder besucht, die über kein Bankkonto verfügten. Während der Besuche mangelte es an Gesprächen und Geschichten nicht. Gerade den älteren Menschen hörte Schreiberling Schwerdtfeger gerne zu, und so ergaben sich Anlaufstellen für die unterschiedlichsten Anekdoten. Informationen über die Zeit der Kriegsgefangenen waren rar. Und doch: „Bei einem Bauern aß der Gefangene am Tisch mit”, berichtet Schwerdtfeger, der in Pattensen geboren wurde, obwohl ihm Hüpede als Geburtsstätte besser gefallen hätte. Der besagte Bauer jedenfalls meinte, dass, wer auf dem Hof arbeite, auch am Tisch mitessen dürfe. Als das Privileg des Gefangenen bekannt geworden sei, musste dieser zum Bedauern der Besitzer den Hof verlassen. Die Geschichten wollen einfach nicht enden. Heinrich Schwerdtfeger könnte schon wieder 10 bis 20 Seiten nachlegen. Wer das Buch zum Selbstkostenpreis erwerben möchte, bezahlt 35 Euro und erfährt Kurioses. Besonders überrascht war der Autor von einer Frau: „Sie war stolz darauf, keine einzige Nacht ihres Lebens außerhalb von Hüpede verbracht zu haben”, erzählt Schwerdtfeger. Von Von Elena Siegmund und Marian Prill