Wegen räuberischen Diebstahls mit Waffengewalt, Ladendiebstahls und Körperverletzung muss sich seit Mittwoch ein 31-jähriger Mann vor dem Landgericht Hannover verantworten. Laut Anklage soll Solomon T. bei beiden Straftaten rücksichtslos gegen die Ladendetektive vorgegangen sein. Mit ihm auf der Anklagebank sitzt die 27-jährige Teona J. Sie soll an einer der Taten im Oktober 2018 beteiligt gewesen sein und steht wegen Diebstahls vor Gericht.
Die erste Tat spielt sich an einem Dienstagnachmittag bei Realkauf in der Davenstedter Straße (Linden-Mitte) ab. Auf den Aufnahmen von Überwachungskameras ist zu sehen, wie T. und J. verschiedene Gegenstände in eine große Umhängetasche packen, darunter Schuhe, Leggings, Kopfhörer und mehrere Küchenmesser in einem Gesamtwert von 593 Euro. An der Kasse zahlt die Frau jedoch nur zwei Dosengetränke, während sich der Mann aus der Eingangstür hinausstiehlt.
50 Meter vom Supermarkt entfernt stellt ihn ein Ladendetektiv von Real zur Rede. Doch T., so schildert es der 30-jährige Angestellte vor der 19. Großen Strafkammer, habe sich blitzschnell umgedreht und ihn mit dem Unterarm heftig am Hals getroffen. Dann habe der Angeklagte ein großes Messer aus seiner Tasche gezogen und ihm in einer fremden Sprache und mit Gesten bedeutet, er solle ihn in Ruhe lassen – sonst könne dies für den Verfolger übel enden. Der Detektiv zieht sich zurück, kann aber noch der Frau habhaft werden, die seelenruhig vor dem Supermarkt wartet.
Zwei Jahre Unterschied
Eine entscheidende Frage für die Strafzumessung, das machte der Vorsitzende Richter Martin Grote im Laufe der Verhandlung klar, ist das Küchenmesser. Hätte der Angeklagte den Detektiv mit einem unverpackten Messer bedroht, läge die Mindestfreiheitsstrafe für einen schweren Raub bei fünf Jahren. Steckte das Messer aber noch in einer relativ festen Kunststoffverpackung – wie es vor dem Supermarkt offenbar der Fall war –, hätte es der Täter im juristischen Sprachgebrauch nicht verwendet, sondern nur bei sich geführt; hier liegt die Mindeststrafe bei lediglich drei Jahren Haft.
Staatsanwalt Martin Lienau erklärte, es spreche tatsächlich einiges dafür, dass das Messer noch in einer relativ robusten Verpackung gesteckt und T. den Detektiv damit nur indirekt bedroht habe. Der Bundesgerichtshof habe in vergleichbaren Fällen geurteilt, dass – beispielsweise – die Verwendung einer ungeladenen Pistole milder bestraft werden müsse als die einer geladenen Waffe. Ein noch geringeres Strafmaß mit einem Minimum von einem Jahr peilt T.s Verteidiger Marcin Raminski an: Sollte sein Mandant überhaupt für die Tat verurteilt werden, dann nur wegen eines einfachen räuberischen Diebstahls.
Festnahme in Unterkunft
T. wurde vier Monate nach der Tat in einer Flüchtlingsunterkunft in Ronnenberg festgenommen, im Zimmer des Georgiers fand die Polizei einiges Diebesgut. Auch in der Ronnenberger Wohnung von Teona J., so die Anklage, habe man Gegenstände aus dem Realkauf-Diebstahl gefunden. Ihr Verteidiger Matthias Fiedler gab namens seiner Mandantin eine kurze Erklärung ab: Sie sei bei Real von ihrem Ehemann aufgefordert worden, sich etwas Hübsches zum Anziehen auszusuchen, habe aber nicht geahnt, dass T. die Ware stehlen wollte.
Der zweite Anklagevorwurf gegen T. bezieht sich auf einen Ladendiebstahl in einer Rossmann-Filiale in der Niki-de-Saint-Phalle-Promenade. Zwei Tage nach der Tat in Linden soll er in der hannoverschen Innenstadt Kosmetika im Wert von gut hundert Euro entwendet haben. Der 31-Jährige steckte diese in eine mit Alufolie ausgekleidete Diebestasche, die ein Piepen der Alarmanlage am Ausgang verhindern sollte, wurde aber auch hier von Kameras beobachtet und von einem Ladendetektiv gestellt. Dabei kam es zu einem Gerangel mit dem Mitarbeiter des Drogeriemarkts; am Ende konnte T. – ohne Beute – flüchten.
Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt, die Kammer hat insgesamt vier Verhandlungstage anberaumt.
Von Michael Zgoll